Kapitel 10: Alone.

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105 ungelesene Nachrichten in 4 Chats.

16 unbeantwortete Anrufe.

Ich habe wirklich lange nicht auf mein Handy geguckt. Ich liege im Bett und setzt mich auf. Wie viele Tage waren das? Die Zeit ist an mir vorbeigeflogen ohne, dass ich es gemerkt habe.

Zwei Anrufe kamen von meiner Mutter, einer von Chris, ein Freund aus der Schule, drei Anrufe kamen von Justin und weitere zehn von Sara.

Ich schätze Sara macht sich am meisten Sorgen um mich. Sie ist ehrlich gesagt auch die einzige mit der ich reden möchte. Deswegen wähle ich ihre Nummer und rufe sie an. Nach etwa dreimal piepen geht sie dran.

"Shay? Ein Glück das du dich meldest!"

Im Hintergrund höre ich laute Stimmen und andere Geräusche. Sie müsste gerade in der Schule sein.

"Du weißt ja, dass ich ausgezogen bin." "Sag mal, wo bist du überhaupt? Ich hab mir Sorgen gemacht. Du erscheinst nicht in der Schule und meldest dich fast 4 Tage nicht bei mir. Deine Mutter wusste auch nichts und Justin ist auch besorgt."

Dass sie sich alle Sorgen machen, gibt mir ein komisches Gefühl. Einerseits ist es schön zu wissen, dass wenigstens ein paar Menschen an mich denken und andererseits ist es irgendwie lächerlich, dass sie mich behandeln wie ein kleines Kind.

"Ich bin bei Toby. Ich war hier die ganzen letzten Tage. Ich wusste nicht wohin und er hat mich aufgenommen." "Toby? Jetzt verstehe ich auch, warum du nicht zur Schule kommst. 24 Stunden Party und Drogen?"

Sara weiß über so ziemlich alles Bescheid, was hier passiert. Sie ist eigentlich recht brav, aber trotzdem gab es Phasen, in denen sie genauso ungezogen war wie ich es bin.

"Ich brauchte das gerade. Meine Mutter hat mich rausgeworfen und Toby mich aufgenommen. Diese Zeit hier ist nötig für mich." "Hey Shay, ich muss jetzt Schluss machen. Du musst da raus, hast du mich verstanden?!"

Ich höre laute Geräusche aus dem Hintergrund. Sara hat mich wahrscheinlich in der Pause angerufen und diese ist jetzt vorbei. Gerade jetzt bin ich glücklich, nicht in der Schule zu sein.

"Ach Sara, seit wann bist du so? Wer hat dich wieder so langweilig gemacht und meine Arbeit zerstört? Die warst auf dem Weg zu jemandem zu werden, der sich nicht von anderen bestimmen lässt, jemandem der weiß was Spaß ist." "Bitte was? Dazu sag ich jetzt nichts, die einzige die sich hier bestimmen lässt bist du. Das ist so arm, Shay. Du bist so arm geworden. Mir fehlen die Worte."

Im nächsten Moment hat sie aufgelegt. Wow. Die Zweite auf die ich einen Grund habe sauer zu sein. Sie ist nicht mehr das, zu dem ich sie erzogen habe.

Als wir uns angefreundet haben war sie genau das, was sie jetzt ist. Eine der kontrollierten Schülerinnen. Mit 'kontrolliert' meine ich diese ganzen Schüler, die genau das tun, was die Lehrer, ihre Eltern und die Gesellschaft von ihnen erwarten. Sie werden über Jahre zu Maschinen ausgebildet, die jeden Befehl einer höheren Person möglichst schnell und gut ausführen. Ihnen wird nach und nach ihre eigene Meinung verboten. Genau das ist sie. Und genau das, was ich nicht bin und niemals sein werde.

Wir haben uns geschworen nie so zu werden. Niemals. Doch dieses Versprechen hat sie anscheinend gebrochen. Ganz langsam ist sie zu einem dieser Langweiler geworden.

Erst vor kurzem, dachte ich, dass das was ich und Sara haben unersetzlich ist. Aber das ist es nicht.

Justin und Sara sollten beide verschwinden und nie wieder auftauchen. Sie gehören ab jetzt zu meinem alten Leben, doch das ist jetzt vorbei.

Ich ziehe mir schnell einen zu großen grauen Pullover und meine enge schwarze Röhrenjeans an und verlasse das Haus. Ich brauche frische Luft. Als ich die Haustür öffne strömt mir ein kalter erfrischender Windzug entgegen. Genau das, was mir die letzten Tage gefehlt hat. Ich habe das Haus kein einziges Mal verlassen. Ich muss schlimm aussehen, aber das interessiert mich im Moment nicht.

Die Straße wirkt dunkel und angsteinflößend. Sie wird von zwei riesigen Hochhäusern in einen dunklen Schatten getaucht. Dieser Asphalt hat noch keine Sonne gesehen und die meisten Menschen die hier Leben auch nicht.

Ich gehe erst nach rechts und entscheide mich dann doch spontan, dass ich Links wähle. Ich suche einen Ort an dem ich alleine sein kann und frische Luft bekomme.

-

Ich laufe etwa zehn Minuten orientierungslos durch die Gegend bis ich auf eine runde Drehscheibe zum sitzen stoße. Ich setzt mich langsam drauf und entspanne mich. Es ist ruhig und ungestört hier.

Ich schließe meine Augen und lasse mich auf die Drehscheibe fallen.

Meine Gedanken wandern von Sara und Justin zu Mystery Boy. Ich frage mich wirklich, was er gerade macht. Der starke Wunsch bei ihm zu sein ist da, obwohl ich ihn verdrängen will. Ich könnte ihm Stunden dabei zuhören über das Leben zu reden, ganz egal wie er aussieht oder sich sonst verhält. Seine Worte allein würde mich in eine andere Welt transportieren.

Ich öffne meine Augen und schaue auf mein Handy. Mit ein paar Klicks bin ich Mystery Boy nah. Die einzige Verbindung sind seine Artikel. Ich lese seinen letzten erneut. Plötzlich sehe ich oben eine Anzeige: Neuer Artikel online.

Mein Atmen setzt kurz aus und fängt wieder an als ich den Titel sehe: Deine wunderschöne Imperfektion.

Mein Herz pocht und ich fange nervös an zu lesen.


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