63. Simba, Rambo und Jasmin

2K 166 10
                                    

Am frühen Abend kam ich dann in Seelbach an. Mein Weg führte zuerst in die Hauptstraße. Dort wohnte eine nette junge Frau, die ein paar Pferde hinter ihrem Haus stehen hatte. Vito hatte dort noch Platz. Sie war zwar nicht meine erste Wahl gewesen, doch es war schwer, jemanden zu finden, der kein Problem mit Hengsten hatte. Sogar sie hatte ich erst überzeugen können, als ich vielfach beteuerte, dass Vito absolut umgänglich war.

Ich kramte in meinem Rucksack und holte das Adressbuch heraus, indem sämtliche wichtige Adressen für unsere Reise standen. Noch ein paar Häuser weiter und ich war da. Am langen Zügel ließ ich meinen Falben das letzte Stück gehen.

Kurz darauf war ich vor dem weißen Haus, aus dessen Richtung mir der typische Pferdegeruch entgegen wehte. Gerade wollte ich absteigen und klingeln, als eine junge brünette Frau aus dem Haus stürmte.

"Sie sind Hanna, stimmt's?", fragte sie außer Atem. Ich nickte lächelnd. "Ach, wissen Sie, ich bin noch nicht volljährig. Sie brauchen mich nicht Siezen. Und wie heißen Sie?", fragte ich nach ihrem Namen, während ich die Steigbügel hochschlug.

"Jasmin, aber duze mich ebenfalls bitte." "Ok. Kann ihn gleich in den Stall bringen?". Ich nickte zu Vito und begann die Sattelgurte zu lockern. "Natürlich. Folge mir, ich zeige wo es hingeht. Schönes Pferd übrigens.", meinte sie und ich murmelte ein schüchternes Danke.

Sie tippte einen Zahlencode an das Schloss neben einer Tür ein. Sofort sprang diese auf. Wir kamen in eine geräumige Scheune in der es angenehm nach Leder und Heu duftete. "Ich habe Hunger.", kommentierte Vito und begann an seinem Gebiss herumzukauen.

Ich ignorierte ihn und hielt an, als Jasmin es ebenfalls tat. "Du kannst deinen Sattel dort hinhängen.", meinte sie und zeigte auf einen Balken, der aus der Wand ragte. Mit einer Hand öffnete ich die Satteltasche und zog Vitos rotes Halfter hinaus. Dann öffnete ich die Trense, zog ihm das Halfter über und begann die Satteltaschen von seinem Rücken zu nehmen. Kurze Zeit später war mein Pferd komplett abgesattelt und erleichtert streckte er sich. Den Sattel hing ich an den vorhergesehen Platz und legte die Taschen und die Trense daneben. Ich würde das Gebiss später waschen.

Jasmin beobachtete mich neugierig. "Was ist das überhaupt für ein Sattel? So einen habe ich ja noch nie gesehen.", fragte sie. "Das ist ein Trickreitsattel. Du warst doch garantiert bereits im Europapark, oder?", gab ich zurück. "Natürlich, er liegt ja nur 20 Kilometer entfernt...", meinte sie.

"Warst du schon einmal in der Arenashow?" Sie nickte. "Von dort kommen wir her. Ich arbeite dort und darf die Pferde ausbilden.", lächelte ich stolz.

"Echt jetzt? Wow...", staunte Jasmin, "Aber bringen wir dein Pferd lieber gleich zu den anderen. Er sieht sehr erschöpft aus." Ich folgte ihr in den hinteren Teil der Scheune. Dort öffnete sie ein Tor und gab mir so den Blick auf einen schönen Paddock frei. Zwei Warmblüter standen dort und sahen uns neugierig an. Vito wieherte zur Begrüßung und die beiden Wallache antworten ebenfalls mit einem Wiehern.

Fröhlich öffnete Jasmin das Tor zum Paddock und die beiden Pferde kamen auf sie zu. Eines war ein Brauner und der andere war ein hübscher Fuchs mit drei weißen Beinen. "Das sind Simba", sie deutete auf den Fuchs, "und Rambo.". Sie tätschelte den Hals des Braunen. "Das ist übrigens Vito.", stellte ich auch mein Pferd vor. Dieser beschnupperte nun neugierig Rambo.

"Hey, Simba. Guck mal.", rief dieser seinen Freund und der Fuchs kam auch zu uns. "Wir haben einen Neuzugang." "Also ich bin Vito und das ist Hanna, mein Mensch. Sie kann mit uns reden.", stellte mein Vierbeiner uns vor. Lächelnd wand ich mich ab und holte ein wenig Kraftfutter aus einer Satteltasche. Ich gab es meinem Falben, der es dankbar fraß. Simba und Rambo hielten etwas Abstand, denn Vito hob drohend sein Hinterbein, als sie auch etwas wollten. Sie hatten beide keine Lust, sich mit dem Gast anzulegen, zumal Vito etwas breiter und muskulöser gebaut war als sie. Warmblüter und feurige Spanier hatten nun doch einen relativ großen Unterschied im Körperbau.

Als Vito glücklich und zufrieden war, ging ich wieder. Jasmin hatte leider keinen Platz mehr in ihrem Haus, sie hätte mich auch eingeladen. Doch so ging ich in ein Hotel, das ganz in der Nähe war. Schon lange hatte ich für diese Nacht gebucht und allzu teuer war es auch nicht. Da Seelbach nur ein kleines Örtchen war, gab es eben keine 4-Sterne Hotels, wie im Europapark.

Jedenfalls checkte ich ein, begab mich in mein Zimmer und warf meinen Rucksack zuerst einmal lustlos auf das Bett. Zum Umfallen war ich müde und ich war froh, endlich in einem Bett liegen zu können. Doch zuerst musste ich duschen.

Während ich mir den Dreck des Rittes vom Körper wusch, entspannten sich auch meine steifen Glieder ein wenig. Den ganzen Tag im Sattel war selbst für mich, obwohl ich das eigentlich gewöhnt sein musste, anstrengend.

Nachdem ich mich etwas erfrischt hatte, zog ich mir eine schwarze Jogginghose und ein frisches T-Shirt über und ging noch schnell im benachbarten Döner Abend essen. Während ich das erste Stück meiner Käsepizza abriss, holte ich mein Handy heraus und rief Marion an. Ich nahm einen ersten Bissen, während es am anderen Ende der Leitung tutete.

Marion lies es nicht lange klingeln. "Hi, Hanna. Alles klar?", meldete sie sich sofort. "Hi...Keine Sorge, ich lebe noch!", lachte ich, um sie zu beruhigen. "Dann ist ja gut. Wie geht es dir und deinem Hengst?", fragte sie weiter.

"Ganz gut. Er genießt gerade sein Leben bei zwei Wallachen auf einem großen Paddock. Ein bisschen kaputt war er schon, aber er fand den Ausritt ganz toll. Es war übrigens wirklich schön, aber Gott sei Dank geht die nächste Etappe fast nur durch den Wald. In der Sonne war es heute doch sehr warm.", fasste ich den heutigen Tag zusammen.

"Und wie geht es dir?", fragte ich weiter. "Alles gut, so wie immer.", antwortete sie mit merklich kühler gewordenen Stimme. Irgendetwas war los, das spürte ich. "Nein ist es nicht, sonst würdest du nicht so klingen.", brachte ich die Sache auf den Punkt. "Nein, genieße jetzt deinen Wanderritt und wenn du wieder da bist, dann können wir ja uns wieder lange unterhalten.". Ihre Stimme klang nun tapferer, als ob sie ein Lächeln aufgesetzt hatte, um mich nicht zu beunruhigen. Aber sie hatte Recht. Am Telefon konnte man so etwas nicht klären. "Wenn etwas ist, komme ich auf schnellsten Weg wieder zurück.", bot ich an, doch Marion lehnte ab.

"Nein, ich habe dir ja schon gesagt, du sollst auf dem Ritt alles vergessen und einfach nur deine unbeschwerte Zeit im Sattel genießen. Und vergiss nicht, heute Abend noch etwas für dein Lunchpaket morgen zu kaufen. Morgen ist Sonntag!", erinnerte sie mich daran, dass ich noch schnell zum Edeka musste. "Ok, das hätte ich jetzt beinahe vergesse. Ich esse aber zuerst meine Pizza fertig, dann gehe ich sofort los.", versprach ich. Am anderen Ende hörte ich Marion leise lachen. "Dann Guten Appetit, kannst dich ja morgen Abend wieder melden.", verabschiedete sie sich. "Ciao.", legte ich auf und widmete mich wieder meinem, mittlerweile nur noch lauwarmen, Essen.

Wenig später hatte ich auch schon fertig gegessen und als ich kurz auf die Uhr sah, zuckte ich zusammen. So ein Mist! Es war schon viertel vor Acht. Ich hatte noch genau 15 Minuten um zum Edeka zu sprinten. Das tat ich auch. Zum Glück war der Supermarkt nicht allzu weit entfernt. Schnell kaufte ich etwas zu Essen und zu Trinken für mich ein und nahm noch ein paar Äpfel für mein Pferd mit.

Danach lief ich direkt ins Hotel und fiel todmüde ins Bett.

----------------
Anbei ein Bild von Simba und Rambo :)

Moondancer - PferdemädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt