"Na, bist du noch immer mit diesem Spargel zusammen?" Meine Oma ist schon immer eine sehr direkte Person gewesen. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie mag Finn zwar, dennoch nennt sie ihn hinter seinem Rücken 'Spargel'. Das liegt daran, dass Finn kaum Muskeln besitzt und schmal gebaut ist. Mich stört es nicht. Seine Persönlichkeit ist lobenswert und Oberflächlichkeit ist bei mir zweitrangig.
"Oma, ich habe dir schon tausendmal gesagt, dass du ihn nicht als Spargel betiteln sollst. Und ja wir gehen noch miteinander aus.", antworte ich und richte meinen Blick wieder aus dem Fenster. Denn auch wenn wir uns in einem Kaff befinden, ist die Landschaft zum Bestaunen schön. Die Raps-, Mais- und Spargelfelder haben wir nicht in der Stadt. Um ehrlich zu sein vermisse ich diese sogar. Genauso wie das Baggerloch, das in der Nähe von dem Haus meiner Grossmutter liegt.
"Wir sind da Kinder. Valentin und Raphael ihr deckt den Tisch und ihr zwei verstaut erst einmal euer Gepäck in der ersten Etage. Juliette, du hast wie immer das Zimmer deiner Mutter und Vinie du hast das Zimmer von Daniel." Marianne, meine Oma, schliesst das Auto ab und wir Enkelkinder gehen auf das Familienhaus zu. Es ist ein Reihenhaus aus Backstein. Meiner Meinung nach definitiv zu gross für eine Verwitwete. Aber Marianne liebt dieses Haus und pflegt es alleine. Sie benötigt nicht einmal einen Gärtner. Dafür besuchen sie ihre Freundinnen täglich zu einer Tasse Tee. Dabei spielen sie immer 'Mensch ärgere dich nicht' und amüsieren sich köstlich.
Gisela mag ich von ihren Freundinnen am liebsten. Sie ist lustig und schaut oftmals zu tief ins Weinglas. Was für gute Stimmung sorgt. Gisela ist ebenfalls alleinstehend, denn ihr Mann ist vor acht Jahren von uns gegangen. Giselchens Mann habe ich nie wirklich kennengelernt. Zumindest habe ich keine Erinnerungen an ihn. Das liegt daran, dass wir früher sehr selten dieses Kaff besucht haben. Denn meine Eltern haben Urlaube in Bali, Thailand oder Zanzibar bevorzugt. Da sie sich im Moment auf Geschäftsreise befinden, haben Sie uns auf dem Land untergebracht.
"Juliette, hast du deinen Koffer schon ausgeräumt? Wir können nämlich demnächst essen." Ich gebe ihr Bescheid, dass ich gleich komme und checke meine Nachrichten ab. Denn Finn hat mir geschrieben. Ein Foto von sich am Strand der spanischen Küsten. Er lächelt in die Kamera und trägt eine schwarze Pilotenbrille. Darunter steht: Hey Julie, wie geht es dir? Der Strand und das Essen sind super. Heute sind wir schwimmen gegangen und sind mit Fahrrädern an der Strandpromenade entlang gefahren. Allerdings vermisse ich meine kleine Nervensäge:). Hast du bald einmal Zeit zu telefonieren? Wenn ja, dann rufe mir doch gegen Abend an, würde mich freuen. Bis dann <3
Ich muss grinsen und tippe, dass ich ihn heute Abend anrufen werde. Auch wünsche ich ihm viel Spass und schreibe, dass er seine Eltern grüssen soll, mit denen ich mich gut verstehe. Die Reinhardts sind eine liebevolle Familie. Denise und Gregor nehmen sich sehr viel Zeit für Finn und seine Schwester Kim. Kim ist erst sieben Jahre alt und somit 10 Jahre jünger als Finn. Obwohl sie einen relativ grossen Altersunterschied haben, verstehen sie sich sehr gut. Denn Finn verbringt sehr viel Zeit mit dem kleinen blonden Engel.
Ich gehe ins Wohnzimmer und geselle mich zu meiner Familie. Meine Oma schöpft jedem Suppe aus. Ich liebe ihre Spargelsuppe. Mein Bruder hingegen verabscheut sie und isst sie nur meiner Oma zur Liebe.
"Vincent mein Junge, wie läuft es in der Schule? Erzielst du gute Noten? Und was macht das Tennis?" Meine Oma schaut von ihrem Teller auf und sieht ihn durch ihre Hornbrille intressiert an.
Vince atmet tief ein. "Naja, es lief schon besser. Aber mein Schnitt liegt bestimmt bald wieder bei einer 1,3. Das werde ich dir versprechen. Beim Tennis habe ich letztens die Meisterschaft gewonnen und darf in der letzten Woche der Sommerferien bei den Deutschenmeisterschaften teilnehmen." Gegen Ende wird Vince Stimme wieder kräftiger. Er wirkt stolz und glücklich.
Meine Oma nickt und lobt ihn für sein Talent. Vince ist nämlich nicht nur eine Sportskanone, sondern auch eine Intelligentsbestie. Vinie ist der absolute Liebling meines Opas gewesen, bevor er erkrankt ist. Sie haben denselben Humor gehabt und sind beide von Natur aus bescheiden gewesen. Vince und ich haben den Tod meines Opas bis heute nicht wirklich verkraftet, denn er ist ein wahrer Mann gewesen. Ein Mann, der seine Frau jeden Wunsch von den Lippen abgelesen hat und sie von ganzem Herzen geliebt hat.
Das restliche Essen verläuft eher ruhig. Wir unterhalten uns über bedeutungslose Themen und erfahren nebenbei, dass Onkel Daniel morgen seinen vierzigsten Geburtstag feiert. Daher wird es ein Festzelt geben und ich muss meiner Grossmutter beim Backen helfen. Nachdem Essen verziehen Vince und meine Cousins sich auf den Speicher. Marianne und ich hören gerade Abba. Dabei tanzen und singen wir. Mit der Torte kommen wir auch gut vorwärts. Alles klappt wie am Schnürchen.
***
Abends lasse ich mich erschöpft aufs Bett fallen. Wir haben Daniel beim Aufbau des Festzeltes geholfen und die Tische zusammengebaut.
Meine Oma ist direkt nach dem Aufbau ins Bett gefallen und Vince telefoniert mit unserem Vater. Also nutze ich die Zeit und rufe Finn an.Nach dem zweiten Piepen nimmt er ab. "Hey Juliette, vermisst du mich schon?" Ich kann sein Grinsen förmlich spüren. Ich hasse es, wenn er mich bei meinem vollen Namen anspricht.
Ich stöhne genervt auf und sage:"Finn, du weisst wie sehr ich es hasse, wenn du mich so nennst. Und nein ich vermisse deine unlustigen Witze nicht." Ich lache leise vor mich hin, bei den Erinnerungen an Finns Witze. Sie sind einfach schlecht. Aber immerhin so schlecht, dass viele sie wieder witzig finden. Denn Finns Spezialitäten sind Flachwitze aller Arten
"Hey! Du bist gemein Julie. Aber wieso frage ich überhaupt, natürlich vermisst du mich. Wie geht es meiner Schnecke?" Finn wirkt ziemlich selbstsicher und lacht bei dem Kosenamen, den er mir vor ein paar Wochen gegeben hat.
"Wie witzig du bist mein Honigbärchen. Mir geht es bestens und dir?" Finn hört bei seinem Spitzname auf zu lachen, was mir ein Lachen entlockt. Ach, wie ich es doch liebe ihn aufzuziehen.
DU LIEST GERADE
to be loved and to be in love
RomanceJulie, eigentlich Juliette, ist sich mit ihren Gefühlen gegenüber ihrem Freund immer sicher gewesen, bis sie auf Zea trifft. ---- "Auf dieser Welt gibt es nur zwei Arten von Glück, zu lieben und geliebt zu werden." - Zea