Twins
Der Blondschopf sah mich schon als ich auf ihn zukam. Freudig winkte er mich zu sich.
"Du zeichnest?", fragte ich verwundert, als ich bei ihm saß. Mein Blick auf den Zeichen-Block in seinen Händen gerichtet. Er nickte, zeigte mir leicht stolz sein aktuelles Bild. Verwirrt blickte ich zu ihm.
"Wer es sehr unhöflich zu fragen, was das sein soll? Ich mein, es sieht echt krass aus. Aber..", murmelte ich, leicht verlegen, woraufhin er nur lachte. "Berechtigte Frage, keine Sorge.
Es ist eine Art Menschen zu zeichen. Beziehungsweise müssen es nicht einmal Menschen sein. Und das ganze nennt sich Chibis. Deshalb sehen die Figuren allesamt so niedlich aus. Chibis werden ausgezeichnet durch ihre Größe, die Augen und die ausgefallenen Frisuren. Sie wirken meist unrealistisch, und ich zeichne sie als einer meiner liebsten Motive."
Ich war erstaunt. "Du scheinst dich ja richtig auszukennen, kleiner Künstler!", lachte ich, woraufhin er diesmal rot wurde.
"Wie bist du darauf gekommen, sie zu zeichnen?", fragte ich weiter. Doch wir wurden in unserem, halben - Fachgespräch- an dem nur ein Experte teilnahm, unterbrochen. Ein Mädchen setzte sich zu uns.
Blondes Haar, schwarze Strähne ganz vorne im Haar. Schwarzer Rock, und ein weißes Hemd, an dem sie die Ärmel leicht hochgekrämpelt hatte. Sie trug schwarze knielange Strümpfe, und schwarze, schlichte Sneaker.
"Wer bis-", setzte ich an, doch sie richtete sich zu meinem blonden Freund neben mir:" Hallo Bruder. Ich hab dich vermisst." Erst jetzt fielen mir ihre Ähnlichkeiten auf. Sie hatten nicht nur dieselbe Haarfarbe, nein ihr Gesicht schien eins zu eins gleich. Die gleichen Augen. Das selbe Grün.
"Mira..", murmelte ein vollkommen aus der Fassung gebrachter Junge neben mir. Dem ich immer noch keinem Namen geben konnte, da dieser immer noch nicht in meinem Wissen stand.
Allerdings schien er vollkommen überfordert mit der Situation zu sein, und ohne es vorgehabt zu haben, war ich in das nächste Drama gerutscht. Zumindest schien es so auf den ersten Blick.
Doch dann rafften die beiden sich auf, und fielen sich stürmisch in die Arme. Das Eis war gebrochen. "Mira, ich hab dich so verdammt vermisst. Warum hast du nicht gesagt, das du kommst? Wissen unsere Eltern davon? Verdammt, sonst wäre ich zuhause gewesen und.." - "Psch, Maurice, jetzt bin ich hier okay?"
Die beiden waren vollkommen aufgelöst, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen. Man sah augenblicklich wie tief die Verbindung zwischen den beiden war und wie wichtig sie einander waren.
Mir entging allerdings nicht der Name. Maurice, so hatte sie ihn genannt. So hieß also der mysteriöse Unbekannte vom Pausenhof.
[❁❁❁]
Ich musste an meinen Bruder denken. Ich hatte ihn niemals kennen gelernt. Meine Mutter hatte ihn als Jugendliche geboren, er war ein Unfall und sie durfte ihn damals nicht behalten.
Sie wurde dazu gezwungen ihn zur Adoption freizugeben, und das erfuhr ich auch erst nachdem sie gestorben ist. Von Tante Elli. Anfangs wollte ich ihn so gern kennenlernen, einmal mindestens sehen. Doch Tante Elli wusste genauso wenig wie ich über ihn. Sie kannte weder das Waisenheim wo er aufgewachsen ist, noch ob er in eine andere Familie gekommen ist, oder wo er nun wohnte.
Ich hab damals lange nach ihm gesucht, aber aufgegeben. Im Endeffekt hab ich mich damit zufrieden gegeben, ihn wohl nie über den Weg zu laufen. Ich hab ja nicht einmal seinen Namen. Es sollte nicht sein, wir sind nicht zusammen aufgewachsen. Er weiß nicht einmal das ich existiere, ich hab mir eingeredet es wäre besser so, wie es jetzt ist.
[❁❁❁]
Doch in diesem Moment, wo ich die beiden so sah, stellte ich mir zum ersten Mal die Frage: ob wir uns auch so gut verstanden hätten? Zum ersten Mal tat es weh, ihn nicht bei mir zu wissen. Und das ohne zu wissen, was für ein Mensch er war.
Das einzige woran ich in diesem Moment dachte; er war mein Bruder. Das war er immer, und wird er wohl immer sein.
[❁❁❁]
"Maurice, ich bleib jetzt eine ganze Weile hier. Hier bei dir. Ich hab dich so vermisst, kleiner Bruder.", lachte sie, erfüllt von Glücklichkeit. Er erwiederte ein gespielt trotziges:" Wir sind doch gleich alt!" Sie schüttelte daraufhin stur den Kopf.
"Um genau zu sein, bin ich drei Minuten und zehn Sekunden älter.", zwinkerte sie. Die beiden verfielen in ein Lachen voller Emotionen.
Derweil stand ich nur daneben, wunderte mich über die vielen neuen Erkenntnisse über Maurice. Ich fühlte mich hier wie am falschen Ort, sie beachteten mich nicht. Und ich nahm es ihnen nicht Übel.
Gerade wollte ich sie allein lassen, und setzte zum gehen an, als Maurice mich unterbrach. "Bleib doch, ich will dir meine Schwester vorstellen." Zu dritt setzten wir uns in das frische Gras.
"Manuel richtig?", fragte sie mich freundlich. Ich schaute sie verwundert an. "Woher kennst du meinen Namen?", fragte ich neugierig.
"Mein Bruder hier hat mir neulich am Telefon von dir erzählt, und da hab ich eins und eins zusammengezählt und mir einfach gedacht, du bist das. Scheinbar lag ich sogar richtig.", lachte sie etwas zu nervös.
Maurice schaute verwirrt zu seiner Schwester, dann zu mir, und wieder zu seiner Schwester welche gerade aufgeregt mit ihrer Haarsträhne herumspielte.
"Hab ich das - aja natürlich hab ich das. Ich erzähl ihr alles, tut mir Leid wenn das komisch rüber kommt oder so.", kicherte der Blondschopf.
"Nein, alles gut. Hab mich nur gewundert. Also ja ich bin Manuel, aber nenn' mich einfach Manu. Mira, richtig?" Diesmal nickte sie.
Wir drei kamen ins Gespräch, Mira war angeblich die letzten Monate auf einem Internat, und sie kam sonst immer nur in den Sommerferien für ein paar Tage.
Ich erzählte den beiden von meiner Tante, und ihrem Plan in der Stadt ein Cafe zu eröffnen.
"Ach wirklich? Viel Glück ihr, oder euch. Vielleicht können wir ja mal zu dritt dorthin gehen sobald es eröffnet ist?", fragte sie uns beide, während ihr blick ruhig und freundlich auf mir Lag.
"Naja, ich weiß ja nicht..", antwortete ich unsicher. Im Hinterkopf der Gedanke an Taddl, der sich scheinbar plötzlich seine Brötchen selber verdienen musste. "Was ist los, Manu? Gibt es ein Problem im Cafe?", bemerkte Maurice.
"Nein.. also ja, ach was weiß ich. Taddl arbeitet absofort dort.", rückte ich mit der Sprache raus. "Kennst du ihn?"
Die beiden hellgrünen Augenpaare starrten mich erstarrt an. "Hast du gerade Taddl gesagt?", fragte mich Mira, während Maurice seine Stimme verloren hatte.
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Liebe hasst mich » Kürbistumor oder Glpaddl?
FanfictionWas tun, wenn man erst die Familie verliert und sich dann dein Freund auch noch verhält, wie nie? Was tun, wenn plötzlich neue Menschen in dein Leben treten. Und wie sollst du reagieren wenn diese neuen Menschen doch nicht so neu sind, und alte Ge...