26. Nur für die Jungs

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AZAD

„Ja egal was kommt, ich weiß, auf meine Brüder ist verlass
Stell' sie nie in Frage, wahre Freunde lügen nich, Xalaz
Brauchen oftmals keine Worte, wir verständigen uns blind
Und würden niemals für 'nen Batzen Geld vergessen wer wir sind"

Nazar — Nur für die Jungs

„Wenn er auf Cans Hochzeit tanzen konnte, kann ich ihn doch wohl auch für meine Verlobung fragen, was ist euer beschissenes Problem?", Gençers Verzweiflung war kaum zu überhören, während er mit den anderen Jungs diskutierte. Wir hatten uns heute, an dem vermutlich letzten schönen Samstag in diesem Jahr bei Okan im Garten versammelt — und anscheinend hatte Gençer die Diskussion seit meinem Toilettengang geführt.
Lachend lief ich raus und blickte ihn an — noch gab ich ihm die Chance mich zu fragen.
„Azad, mein Lebenssinn, meine Motivationsquelle, der Traum eines jeden Menschen", leitete er grinsend das Gespräch ein. Dabei stellte er seine theatralischen Fähigkeiten unter Beweis und legte — während er von mir schwärmte — seine rechte Hand auf sein Herz. Euphorisch stand er auf und warf dabei aus versehen seinen Stuhl um — warum waren die alle so gestört?
„Bêje, jiyanamin (kurdisch: Sag, mein Leben)", grinste ich ihn an und ließ mich auf meinem Stuhl nieder. „Tanzt du mit mir Harmandalı auf meiner Verlobung?", er richtete seinen Blick gen Himmel, wahrscheinlich um meinen Blicken auszuweichen, und brachte mich damit zum Lachen. „Alter kommt mal klar, so ein guter Tänzer bin ich nicht", ich fuhr mir verzweifelt durch die Haare.
Würde es falsch rüber kommen, wenn ich ihn abweisen würde?
„Okay, ich sehe es schon, dass du nicht willst. Anscheinend hast du Nazars Worte gar nicht so ernst genommen. Ich erinnere dich, dass er sagt ‚Egal was kommt, ich weiß auf meine Brüder ist verlass.' Stimmt wohl gar nicht so sehr", seufzte Gençer und zuckte mit seinen Schultern. Also versuchte er mich durch ein schlechtes Gewissen umzustimmen — was leider verdammt gut klappte. „Sieh es als Wiedergutmachung für dein frühzeitiges Gehen gestern", schief grinste er mich an, wissend, dass er mich bereits in seiner Hand hatte. „Ich hasse dich", stöhnte ich auf und warf meinen Kopf in den Nacken. „Welches Lied soll es werden?", erkundigte ich mich ergeben und blickte in sein Gesicht. „Ja man", rief Gençer aus und stürzte sich auf mich. Wegen seinem Schwergewicht und der Kraft konnte ich mein Gleichgewicht nur schwer halten und kam ins Schwanken. „Achtung", rief Okan und ich hörte, wie Mihriban ängstlich zurückwich. „Du Trottel, wegen dir hätten wir meinen Engel gelyncht", ich schubste Gençer leicht nach hinten und brachte somit Mihriban zum Kichern.

„Abi, Mislina und ich gehen zu Hajdar. Seine Eltern haben uns zum Essen eingeladen", gab sie ihrem Bruder Bescheid, dass sie bei ihrem besten Freund sein würde. „Geht nicht", seufzte Okan und blickte gequält zu seiner Schwester. „Ich hasse es jedes Mal mit dir die gleiche Diskussion zu führen, Abi. Er ist seit dem Kindergarten mein bester Freund und daran wird sich — hoffentlich — nichts ändern", sie fuhr sich aufgebracht durch die Haare und für einen Moment schien Selim sie länger zu beobachten, als mir lieb war.

„Okan Abi? Lässt du mein Zemer wieder nicht gehen?", lachend betrat Hajdar den Garten. Sein rotes Shirt mit dem schwarzen Doppeladler betonte seine breite Brust. „Das gehört wohl dazu", achselzuckend lief Okan zu dem Albaner und begrüßte ihn liebevoll. „Absolut! Deine Eifersucht ist berechtigt, schau mich doch mal an", er grinste Okan an und brachte uns alle durch seine selbstbewusste Art zum Lachen. „Aber wir sind ja nicht alleine, neben seinen Eltern flirten wir sicherlich nicht", seufzte Mihriban ironisch und blickte ihren Bruder genervt an. Okan nahm sie als Antwort nur in den Schwitzkasten, kassierte dafür aber einen saftigen Schlag in die Rippen.
Und Gott wusste, wie stark Mihriban zuschlagen konnte. Leider hatte ich das viel zu oft erfahren müssen.

Fels in der BrandungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt