2. Wie immer... fast

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Mit langen Schritten und hochgezogenen Schulter lief ich durch das Schulhaus in Richtung meines Klassenzimmers. Genervt drängte ich mich zwischen den vielen furchtbar lauten 5.- und 6.-Klässlern hindurch und zog mir meine Kapuze etwas tiefer ins Gesicht. Konnten die nicht einfach mal die Klappe halten und endlich zur Ruhe kommen?!
Es gab hier schließlich auch noch andere Leute, die solches Gekreische am Morgen NICHT leiden konnten.
Vorsichtig sah ich unter der Kapuze hervor und drückte die Klinke der Tür hinunter. Oh, ist ja sogar schon offen! ,dachte ich überrascht. Gleich darauf kam mir der Gedanke, es könnte schon jemand vor mir hier sein. Dabei kamen die meisten meiner Klasse erst kurz vor dem Klingeln.
Misstrauisch trat ich in den Raum. Dort saß tatsächlich jemand am Fenster und starrte auf den Schulhof, jedoch niemand, den ich kannte. Er, wie ich auf den ersten Blick feststellen konnte, hatte kurze braune Haare und ein markantes Gesicht. Seine Wangenknochen traten deutlich hervor, obwohl sein Kopf eher breit war, nicht schmal. Auch sonst war er breit gebaut, mit muskulösen Armen und Waden.
Sein dunkelgrünes T-shirt hing lässig an ihm herunter und die kurze, dunkelgraue Hose ergänzte das Outfit perfekt.
Als ich den Raum betrat drehte er den Kopf zu mir und musterte mich aus kleinen, ebenfalls dunkelgrauen Augen. Offensichtlich hatte er genauso weinig wie ich damit gerechnet, dass so früh hier schon jemand aufkreuzte. Ein tiefes "Morgen" weckte mich aus meiner Starre, aus der ich ihn beobachtet hatte. "Hm", brummte ich missbilligend zurück, unzufrieden, dass ich nun nicht meine Ruhe hatte und die letzten Minuten allein verbringen konnte.
Ich begab mich zu meinem gewohnten Platz, setzte mich und entschied, ihn einfach zu ignorieren und noch etwas zu dösen. Auch den weiteren Trubel, als nach und nach der Rest der Klasse eintraf, blendete ich erfolgreich aus. Erst zum Klingeln hob ich schließlich den Kopf.
Der neue hatte sich unbemerkt neben mich gesetzt und stand gerade auf um sich vorzustellen. "Also hallo, ich bin Richard, werde aber nur Rio genannt und gehe ab heute hier zur Schule", grinste er. So wirkte er plötzlich viel selbstbewusster als vorhin. Ich sah zu, wie er sich setzte und auch er wandte seinen Blick zu mir. "Und du heißt?", fragte Rio nun direkt. "Silas", kam meine knappe Antwort und ich blickte wieder vor zum Lehrer, bemüht, mich zu konzentrieren. Unsere Lehrerin, Frau Engel, schrieb schon etwas an die Tafel. Meiner Meinung nach hatte sie diesen Namen nicht verdient, denn sie benahm sich alles andere, als wie ein Engel. Innerlich stöhnte ich schon auf, als ich mir die vielen Hausaufgaben vorstellte, die sie uns mit Sicherheit geben würde. Ich kramte einen Stift heraus und begann alles was sie an die Tafel schrieb in meinen Hefter zu kopieren. Auch mein Banknachbar gab es für den Moment auf mich anzustarren und schrieb fleißig mit.
Das hielt jedoch nicht lange. Schon nach wenigen Minuten sah er wieder zu mir und fragte: "Und, wie alt bist du eigentlich?" ich ließ es über mich ergehen und antwortete: "17".
"Du bist schon 17?", fragte er erstaunt. "Nein, du hast Recht, ich bin erst 16", erwiderte ich ertappt. "Und was machst du so in deiner Freizeit?", kam schon die nächste Frage. "Nichts." Konnte der nicht mal aufhören so viele Fragen zu stellen? Ich hatte nicht vor, mich gleich mit ihm anzufreunden, nur weil er jetzt neben mir saß. Doch das störte ihn nicht. "Ach komm schon, jetzt sei nicht so spießig. Wie sieht es denn so mit den Mädels aus, hm? Hast du eine im Blick?" Seine Fragen hinderten mich gekonnt am Lernen! "Nein, habe ich nicht! Könntest du mich jetzt bitte in Ruhe lernen lassen?", antwortete ich genervter, als es klingen sollte. "Ok, sorry", entschuldigte er sich knapp und lies mich für den Rest der Stunde in Ruhe.
Sobald die Pausenklingel die Stunde beendete, stopfte ich mein Zeug in meinen Rucksack und lief los zum nächsten Unterricht. Auch Rio packte hastig sein Zeug ein und lief mir hinterher. "Was haben wir als nächstes?", fragte er mich. "Bio", antwortete ich knapp und versuchte ihn durch schnellere Schritte loszuwerden. Doch er war hartnäckig und blieb mir dicht auf den Fersen. "Hey, noch mal sorry, wegen vorhin. Also hast du nun eine im Blick?" Der Typ gab ja echt nicht auf! "Nein", erwiderte ich gelangweilt. Schon fiel ihm die nächste Frage ein: "Was sollte ich denn so über eure Klasse wissen? Gibt es irgendwas besonderes oder etwas, das ich beachten müsste?" "Ähm, hör mal, da fragst du echt den falschen. Ich bin der ruhige, gelangweilte Typ der nur schläft. Ich weiß nicht mal, wie viele Jungs und Mädchen wir in der Klasse haben."
"Achso, kein Problem, dann frage ich die anderen. Bis gleich", verabschiedete er sich unerwartet und verschwand zwischen den Schülermassen. Wow, dachte ich. Ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn so leicht loswerde.
Aber ich war relativ froh darüber. Auch den Rest des Tages ließ er mich einigermaßen in Ruhe. Vielleicht hatte er ja gemerkt, dass ich nicht so gesprächig war. Er verabschiedete sich nach der letzten Stunde noch von mir und dann ging ich schnurstracks aus der Schule in Richtung Bus.

Zweiter Teil! Die erste Begegnung der beiden. Ziemlich langweilig, geb ich zu, aber gerade deshalb auch realistisch. Hoffentlich gefällt euch diesen nicht so lange Kapitel trotzdem. Und wenn ihr mir eure Meinung sagt, kann ich mich auch verbessern, also lasst ruhig Kommentare da ;)

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