12. My horse makes me happy

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Ich sitze nun eingemummelt in eine rotkarierte Sofadecke an einem kleinen Küchentisch, vor mir eine dampfende Tasse Kräutertee. Mir gegenüber sitzt eine ältere Dame und schiebt mir einen kunstvoll bemalten Teller mit Marmeladenkeksen über den Tisch zu. Dankbar nehme ich mir einen.
Nachdem mich Juli einfach nur schweigend angestarrt hat, hatte mich der Autofahrer auch erreicht und mir dankbar Flashlight abgenommen. Kurz bevor er mit ihm verschwunden ist, um ihn abzutrocknen und ihn wieder in seinen Stall zu sperren, hat er sich noch hastig als Bernhard Wilke vorgestellt und überschwänglich bei mir bedankt, dass ich Flashlight wohlversehrt zurückgebracht habe. Daraufhin hat er Juli darauf hingewiesen, dass sie ihr Pferd (was so einen komischen Künstlernamen hatte, van Gogh oder so) zurück in den Stall bringen sollte, bevor es sich eine ernsthafte Erkältung holt.
Als sich Bernhard außerhalb unserer Hörweite befunden hat, habe ich eigentlich schon mit einem bissigen Kommentar von Juliane gerechnet, doch sie hat mich nur weiter angestarrt, als ich wäre ich einem Raumschiff entstiegen. Aber selbst wenn sie es gewollt hätte, ist sie nicht dazu gekommen, mir einen fiesen Spruch reinzudrücken. Eine ältere Frau mit einem Regenschirm in allen erdenklichen Farben des Regenbogens ist aus dem Wohnhaus gestürmt und hat aufgeregt irgendetwas in den Regen hinaus gerufen. Nachdem die Frau bei uns angekommen war, hat sie mich sofort bei der Schulter genommen und mich in ihre „gute Stube" eingeladen. Ich hatte noch kurz die Möglichkeit Juli einen kurzen Blick zuzuwerfen, um zu sehen, dass sie wahrscheinlich am liebsten in die Büsche gekotzt hätte. Was ich verständlich fand.
Während die alte Dame mich in ihr Haus gezogen hat, hat Juli sich ohne ein Sterbenswörtchen umgedreht und ist mit ihrem Künstlerpferd in die verregnete Dunkelheit verschwunden.
„Ich hab alle angerufen. Papa habe ich zwar nicht erreicht, aber Opa will es noch mal probieren. Und vielleicht begegnet ihm ja noch irgendwer von den anderen." Juliane taucht in der Küche auf, hat die Arme um sich geschlungen und scheint sich nicht wirklich zu uns an den Tisch setzen zu wollen. Stattdessen steht sie verloren mitten im Raum und mustert die Kekse und den Tee. Ihre Haare hängen ihr in ähnlich nassen Strähnen herunter wie meine, aber im Gegensatz zu mir hat sie die Möglichkeit genutzt und sich frische Sachen angezogen. Eine graue unscheinbare Jogginghose und einen flauschigen grünen Pulli, um den ich sie in dem Moment wirklich beneide.
„Und Kilian?", fragt die Frau nach, die sich mir vor einigen Momenten als Erika und Julianes Großmutter vorgestellt hat. Ich horche auf.
„Er weiß Bescheid", antwortet Juli und versteckt ihre Hände in die Ärmel des Pullis. Erika nickt.
„Er hätte bestimmt lieber mitgeholfen zu suchen, als nur auf Ergebnisse zu warten", meint sie und beißt ebenfalls von einem der Kekse ab.
„Er hat sich dazu entschieden, donnerstags abends immer im Ross auszuhelfen. Dafür können wir ja nichts." Juliane zuckt mit den Schultern und ringt sich schließlich dazu durch sich zu uns an den Tisch zu setzen. Allerdings so weit weg von mir, wie es die restlichen vier freien Sitzplätze ermöglichen.
„Ja, ich weiß", seufzt Erika und schiebt Juli den Teller mit den Keksen entgegen. Zögernd nimmt sie sich einen. Ich knabbere immer noch an meinem ersten. Von der Teetasse steigen noch immer kleine Schwaden Wasserdampf auf. Ich merke, wie die Blicke von Juliane und Erika beginnen auf mir zu ruhen. Juliane bricht als erstes das Schweigen, was nur durch das gelegentliche Abbeißen von einem dieser göttlichen Kekse unterbrochen wird.
„Wie hast du das geschafft?"
„Was?" Ich erwache aus einer Art Trance, die mich befallen hat. Was mich nicht weiter wundert, schließlich bin ich hundemüde, wozu ich auch ein gutes Recht habe.
„Wie hast du es geschafft, Flashlight zu finden? Ihn hierher zu bringen? Mit einem Springseil um seinen Hals?", wiederholt Juli ihre Frage ausführlicher. Ich nippe an meinem Kräutertee und zucke mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht, ehrlich gesagt... Ich hab's einfach gemacht. Und er auch." Juliane schüttelt leicht den Kopf, als wäre meine Antwort ihr nicht gut genug.
„Aber er lässt sich von keinem Fremden wirklich anfassen. Schon gar nicht von dir!" Es klingt wie ein schwerwiegender Vorwurf. Denkt sie etwa, ich würde sie anlügen? Ich bin aber zu müde, um mich wirklich gegen ihre Attacken zu wehren. Erneut zuckle ich nur mit den Schultern.
„Ich hab ihn auch nicht wirklich angefasst. Juli, ich hab wirklich keine Ahnung mehr, wie genau ich das eigentlich gemacht habe. Ich bin auch gerade zu faul, mich daran erinnern zu wollen, wenn ich ehrlich bin." Sie hebt argwöhnisch den Kopf, lehnt sich aber dann in ihrem Stuhl zurück und nimmt die Beine hoch. Ihre Arme legt sie um ihre Knie und die Hände sind immer noch in den Ärmeln des flauschigen Pullovers verschwunden.
„Ist dir kalt, Liebes?" Ich schaue verwirrt zu Erika. Tatsächlich habe leicht angefangen in meinen nassen Sachen zu zittern, was ich zuerst gar nicht bemerkt habe. Aus dem Augenwinkel fange ich Julianes warnenden Blick auf.
„Nein, alles gut. Geht schon", erwidere ich und nehme mir noch einen Keks.
„Ach, hier muss doch keiner frieren, Liebes. Juli, Schatz, wärst du so frei und würdest Brooklyn etwas von deinen Sachen leihen? Oder du bedienst dich an meinem Schrank, das geht auch." Seufzend nimmt Juliane die Beine wieder herunter und erhebt sich von ihrem Platz.
„Komm mit, Brooklyn. Wir finden bestimmt etwas, was dir passt." Widerwillig lege ich die Decke neben mir auf die restliche Bank, stopfe mir den Keks in den Mund und folge Juliane in den dunklen Flur. Sie wartet bis ich in ihrer Sichtweite bin und läuft dann weiter, sie hat keine Probleme sich im Dunkeln in diesem doch etwas engen Flur zu Recht zu finden. Ich versuche möglichst keine Bilder von möglichen Schränken oder Kommoden zu reißen, während ich mich mit der Eleganz einer Mülltonne fortbewege.
„Brook, komm schon." Juliane hat bereits das Ende des Flurs erreicht und winkt mir genervt zu. Ich folge ihr so schnell, wie es mir möglich ist und tatsächlich stoße ich nur gegen eine kleine Kommode und einen Schirmständer. Juliane öffnet eine Tür mit einem undurchsichtigen Glaseinsatz und ich schlüpfe hinaus in einen kleinen Aufgang. Ein schummriges Licht fällt durch ein Fenster herein und erhellt den provisorischen Flur gerade gut genug, dass ich die Stufen und die nächste Tür erkennen kann. Juliane schließt die Tür hinter sich, auf der ein kleines Holzschild mit roten Lettern ankündigt, dass diese Wohnung Familie Bergmann gehört.
Juli quetscht sich an mir vorbei die Treppe hoch zu der unscheinbaren Holztür. Ein Schild aus Ton daneben an der Wand, offensichtlich mal von einem Kind gemacht, zeigt zwei Erwachsene, zwei Kinder, Hunde und Pferde am Rand und einen krakeligen Schriftzug, den ich bei dem wenigen Licht nicht entziffern kann.
Juliane stößt die Tür auf und deutet mir an, ihr zu folgen. Ich schließe die Tür vorsichtig und stehe in einem hell erleuchteten Flur. Juli ist bereits um eine der Ecken verschwunden und ich taste mich unsicher an der Wand im Flur entlang an der hunderte Bilder hängen, die entweder Pferde, Reiter oder beides zeigen, die meisten sind noch in schwarz-weiß. Ab und zu sehe ich auch ein Familienfoto. Von irgendwoher höre ich ein leises Murmeln.
„Brooklyn?"
„Komme!" Ich folge der Biegung des Flurs und sehe Juli ganz am Ende in einer Zimmertür stehen. Sie betritt das Zimmer an dessen Tür ein großes Bild von einem roten Pferdekopf hängt. Bei näherer Betrachtung kann ich erkennen, dass es offensichtlich gemalt wurde. Die verschiedenen Schichten der Farben sind noch gut zu erkennen.
Als ich das Zimmer betrete, werde ich von einem riesigen Pferd begrüßt, was den Kleiderschrank ziert, der mir gegenüber steht. Ich schaue mich um. Überall sind Zeichnungen von Pferden, aber auch Bilder von verschiedenen Familienmitgliedern oder Freunden und auch wieder Pferden.
Hinter dem Bett hat man an der Wand altes Holz befestigt und ihr so die Optik einer alten Scheunentür verliehen. Auf dem Abstellbrett daran steht eine kleine massiv wirkende Pferdestatue, ein Bild von einem kleinen Kind und ihrem Pony sowie ein Buch und vier simple weiße Buchstaben, die das Wort Home bilden. Zuhause.
„Dein Zimmer?" Eigentlich ist die Frage überflüssig, aber ich will nicht nur dumm rumstehen und ihre Bilder anstarren.
„Jap." Eine knappe Antwort, aber mehr habe ich auch nicht erwartet. Juliane öffnet ihren Kleiderschrank und zieht gezielt einen alt wirkenden Pullover und eine Trainingshose mit einem dunklen Fleck am Schienbein heraus. Sie reicht mir die Sachen und hebt die Augenbraue, als ich die Kleidung mustere.
„Ich denke, für den kurzen Aufenthalt hier sollte das reichen. Oder willst du eine Bluse und eine Jeans?" Den spöttischen Unterton, den sie zwar nicht genutzt hat, der aber trotzdem deutlich zu hören gewesen ist, versuche ich zu ignorieren und ringe mir sogar sowas wie ein Lächeln ab.
Konzentration, Brooklyn, du bist bei ihr Zuhause, benimm dich.
„Ne, reicht schon. Ich bringe es dir auch morgen zurück." Juli macht eine wegwerfende Handbewegung und wirft sich mit Schwung rückwärts auf ihr Bett und bleibt mit den Armen von sich gestreckt liegen.
„Und wenn du es erst nächste Woche zurückbringst, wäre es mir auch gleich. Die Sachen sind eigentlich schon lange nicht mehr ausgehfein." Ich verzeihe den Mundwinkel und deute zur Tür.
„Gibt's hier irgendwo ein Bad?" Juli hebt den Kopf und schaut mich grinsend an.
„Hast du Angst, ich gucke dir was weg?" Ich merke, wie mir die Hitze ins Gesicht schießt, kurz gefolgt von der Röte.
„Ähh, also... ich..."
„Einfach die nächste Tür links, wenn du wieder in den Flur rausgehst", meint Juli lächelnd und unterbricht so meine Stotterei, mit der ich mich wahrscheinlich nur noch mehr ins Unglück geredet hätte. Ich nicke dankbar und verschwinde zurück in den Flur und dann in die nächste Tür.
Im Bad betätige ich den Lichtschalter und die kleinen Lampen neben dem Waschbecken fangen an zu leuchten. Dann schaue ich zum ersten Mal wieder in den Spiegel.
Meine Haare sind völlig verknotet und meine Wangen voller roter Flecken von der Kälte. Meine Nase hat keine Farbe mehr aufzuweisen und meine Augen sehen aus, als hätte ich fünf Stunden lang Zwiebeln geschnitten. Naja, wer sollte mir das verübeln? Und außer Juli sieht mich ja keiner. Und die sieht nicht so aus, als interessiert sie sich sonderlich dafür, wie mein Gesicht aussieht.
Ich schäle mich irgendwie aus meinen nassen Klamotten und bin froh, als ich den trockenen und wohlig warmen Pulli überstreifen kann. Die Hose ist etwas zu lang, aber das ist kein Beinbruch für die paar Momente, wo ich das tragen muss.
Ich hebe meine klammen Sachen von den Fliesen auf und werfe im Vorbeigehen wieder einen letzten Blick in den Spiegel. Der Spruch auf dem Pullover lässt mich die Augen verdrehen.
My horse makes me happy. You... not so much. Nicht könnte Julianes und meine Situation besser beschreiben. Ich lösche das Licht im Badezimmer und husche zurück auf den Flur. Je genauer ich mich umschaue, desto mehr beschleicht mich das Gefühl, ich bin ein Eindringling, denn nichts hier erweckt den Eindruck, dass „Normalos" wie ich hier etwas zu suchen haben. Überall Bilder von Pferden und Reitern und Zeitungsausschnitte von irgendwelchen Turnieren. Julianes Welt unterscheidet sich so grundlegend von meiner. Vielleicht können wir deswegen nichts miteinander anfangen.
Ich klopfe wieder bei Juli an die Tür und drücke sie vorsichtig auf.
„Bin fertig. Hast du was, wo ich meine nassen Sachen mit transportieren kann?" Sie springt von ihrem Bett und kramt in einem kleinen Schrank in der untersten Schublade und tatsächlich wirft sie mir dann einen Stoffbeutel zu. Er riecht nach etwas, was ich nicht genau zuordnen kann, aber das stört mich den Moment nicht sonderlich. Ich stopfe meine Klamotten hinein und Juliane beobachtet mich dabei, als wäre es total faszinierend. Juliane wartet, bis ich fertig bin und meldet sich dann wieder zu Wort.
„Dann lass wieder runter zu Omama gehen, dann kannst du deinen Tee noch austrinken und wir Organisieren deinen Heimweg." Juliane schiebt sich an mir vorbei aus ihrem Zimmer und ich folge ihr.
Das mit dem Nachhauseweg habe ich bis jetzt total verdrängt. Ich habe mich immer nur darum gesorgt, ob ich mit Flashlight überhaupt ankomme. Aber an Zurück habe ich nie gedacht. Und an mein Handy sowieso nicht. Das liegt auf meinem Schreibtisch, wo ich es heute nach der Schule hingelegt habe. Die Nummer meiner Eltern kannte ich zwar auswendig, aber ich weiß nicht, ob sie so begeistert davon wären auf gut Glück in die Pampa herauszufahren und meiner vagen Wegbeschreibung hierhin zu folgen. Denn ich bezweifle das irgendein Navi diesen Ort kennt.
Wie aus dem Nichts tritt vor uns plötzlich eine blonde Frau auf den Flur und versperrt Juliane den Weg, als sie unbeeindruckt weitergehen will.
„Juliane, warte. Dein Vater hat mich angerufen, er kommt jeden Moment zurück. Oh, eine Freundin von dir?" Sie lächelt mich freundlich an. Juli schnaubt nur genervt und läuft ohne anzuhalten an der Frau vorbei und ich folge zögernd. Ich lächle entschuldigend und hebe zum Abschied kurz die Hand. Die Frau schaut uns mit zusammengepressten Lippen hinterher, sagt aber nichts mehr und verzieht sich zurück in eines der Zimmer. Sie scheint sowas von Juliane anscheinend schon gewohnt zu sein.
„Wer war das?", frage ich nach, als wir schon raus ins Treppenhaus treten und die Tür hinter uns ins Schloss fällt. In der Dunkelheit kann ich eine andere Treppe sehen, die anscheinend noch ein Stockwerk höher führt. Juli geht wortlos weiter, wieder auf die Haustür der Bergmanns zu und scheint mich nicht mal mehr zu hören.
„Juli?", versuche ich sie wieder auf mich aufmerksam zu machen.
„Niemand, der dich interessieren sollte." Sie schnaubt wütend und ich bereue es, meine Frage gestellt zu haben.
„Oh, okay." Schweigend gehe ich mit ihr wieder in den dunklen Flur der Bergmanns und drücke den Beutel mit meinen Sachen an meine Brust.
„Aber sie ist nicht meine Mutter, verstanden?", zischt sie mir über die Schulter zu und ich nicke, obwohl sie das in der Dunkelheit nicht sehen kann.
„Okay." Wäre mir auch neu, wenn man seiner Mutter so respektlos gegenüber treten kann, ohne sofortige Konsequenzen erwarten zu müssen. Zumindest war ich sowas nicht gewohnt, obwohl bei Janine zu Hause auch immer ein sehr rauer Umgangston geherrscht hat.
In der Küche sitzt inzwischen neben Erika ein älterer Mann, der seine riesigen Hände um eine dampfende Tasse geschlossen hat. Er lächelt mich und Juliane warmherzig an.
„Hey, Opa." Juli lächelt ihren Großvater an und setzt sich neben ihn, auf den Platz, an dem sie vorhin schon gesessen hat. Ich folge ihrem Beispiel und setze mich wieder auf die Holzbank mit den niedlichen geblümten Sitzkissen und der karierten Decke, die zerwühlt darauf liegt. Ich nehme einen Schluck von meinem mittlerweile nicht mehr ganz so heißen Tee und nehme mir wieder einen Keks. Mit vollem Mund muss ich zumindest vorerst nicht reden.
„Papa kommt jeden Moment heim, hat er vorhin zumindest Marie gesagt." Julianes Stimme klingt bitter und ihr Großvater sieht sie mitfühlend an.
„Ich weiß, Spätzchen." Er legt seine Hand auf ihre, als wolle er sie beruhigen. Juliane verzieht den Mund, schluckt schwer und fährt dann unberührt fort.
„Was ist mit Adam und Louise?"
„Keine Sorge, die sind noch mit dem Motorrad unterwegs, sollten aber auch jeden Moment eintreffen. Die sind fast bis nach Schlierbach gefahren auf der Suche nach unserem kleinen Ausreißer." Der Mann lacht.
„Er ist nicht ausgerissen", rutscht es mir heraus und alle starren mich an. Ich schlucke die restlichen Krümel in meinem Mund herunter. Ich werfe Juliane einen unsicheren Blick zu, doch sie sieht mich nicht wirklich an.
„Er wurde doch absichtlich frei gelassen. Oder nicht?", frage ich nach. Ich schaue alle am Tisch erwartungsvoll an.
„Das... vermute ich", antwortet Juliane zögernd.
„Wie jetzt?", wirft Erika ein. „Ich dachte, er wäre so abgehauen. Juli, sowas musst du uns doch sagen. Sowas können wir doch bei der Polizei melden. Das war mutwillig, vielleicht wollten sie das Pferd sogar stehlen! Genauso was ist doch schon öfters hier im Landkreis passiert."
„Und was soll die Polizei machen, Omama?", erwidert ihre Enkelin aufgebracht. „Die interessiert es doch einen Scheißdreck, was mit den Tieren ist, solange die nicht auf die Hauptstraße donnern!"
„Ausdruck, Juliane", meint ihr Großvater streng, wird jedoch von Juli ignoriert.
„Ist doch wahr, Opa! Wenn sie Flashlight mutwillig verletzt hätten, wäre es nur eine Sachbeschädigung gewesen. Aber er ist doch kein Objekt!"
„So ist unser deutsches Strafgesetzbuch nun mal aufgebaut, Juliane", versucht es ihr Opa erneut. Juliane macht eine kurze Pause in ihrem Redeschwall und schaut ihren Großvater böse an.
„Wir hätten eine Anzeige gegen Unbekannt aufgeben können. Vielleicht noch wegen unbefugtem Betreten unseres Geländes, aber das war es auch. Und diese Ochsen von Dorfscheriffs hätten sich doch eh nicht weiter dafür interessiert und es wäre nie ein Täter gefasst worden. So wie bei den anderen Fällen. Das waren bestimmt irgendwelche Halbstarken, die sich für besonders mutig hielten. Vielleicht sogar dieser Theo von Bessemanns, der macht doch nur solchen Mist."
„Wir wollen hier mal keine zu schnellen Schlüsse ziehen, Fräulein", unterbricht sie Erika und wirft ihr einen strengen Blick zu. „Theo ist ein schwieriges Kind, aber kein Straftäter." Juli lacht laut auf.
„Die Graffitis an der Mauer von Bauer Haase sagen aber was ganz anderes, Omama. Und das weißt du auch!" Damit verfallen alle wieder in tiefes nachdenkliches Schweigen. Ich nehme wieder einen Schluck von meinem Tee.
„Äh, kann ich eben das Telefon benutzen?", frage ich zaghaft und Erika schüttelt sofort den Kopf.
„Wir fahren dich nach Hause, Brooklyn, keine Sorge." Sie lächelt mich freundlich und ich erwidere es so gut es mir möglich ist.
„Deine Eltern würden den Weg hier hin wahrscheinlich eh nie finden." Juliane nimmt sich einen der Kekse und dreht ihn zwischen ihren Fingern.
„Kann ich verstehen, bei dieser Toplage des Grundstücks", erwidere ich und wir müssen beide widerwillig anfangen zu grinsen.

Mit Herz und Huf - GefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt