Teil 4

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Als er mich bemerkte, sah er auf. Er hielt in seiner Hand ein kleines Messer und in der anderen einen Stock, welcher er schnitzte. „Wie ist dein Name?", frage ich ihn. „Manuel, Herr", kam es von ihm. Seine Stimme war wie Musik in meinen Ohren. „Schön dich kennen zulernen. Mein Name ist..." „Ich kenne sie. Sie sind Prinz Patrick." Mit den Worten stand der Bursche auf. Er war größer als ich und immer noch genauso dreckig wie am gestrigen Tage. Ich war verblüfft darüber, dass er sich erlaubte mir ins Wort zufallen. „Was wollen sie von mir?", fragte Manuel mich. „Haben sie gestern das Brot gestohlen?", fragte ich zurück. „Gut möglich. Anders kommt man nicht an essen in diesem Königreich, wo sich niemand um das Volk schert." Er steckte sein Messer, welches er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, weg. Gestern noch wirkte er so Klein und zerbrechlich und heute war er aufmüpfig. Vielleicht hatte der Schein nur getrübt.

„Genau deshalb bin ich hier", erklärte ich mich. „Ich war gestern das erste Mal hier im Dorf und habe die Not der Leute erkannt. Gerade du hast mich darüber aufgeklärt, was für Umstände hier herrschen." Manuel verschränkte seine Arme und schaute mich mit einem unverständlichen Blick an. „Sie wollen uns helfen? Wie das? Euer Vater kümmert sich nur um das Aussehen aber nicht um die Leute selbst. Viele sterben an Krankheiten oder Hungersnot. Und ich denke nicht, dass der König daran was ändern will." Er hob gestikulierend seine Arme. Ich verstand seine Wut. Dann sah er mich finster an und trat bedrohlich auf mich zu. „Wegen dem König ist mein Vater verstorben. Ich bin ganz alleine nur, weil das Volk eurer Familie egal ist."

Ich verspürte für einen kurzen Augenblick Angst, doch ich sah in seinen Augen seine gebrochene Seele. „Wo lebst du jetzt?" Auf meine Frage trat er wieder zurück und ich fühlte, wie ich wieder frei Atmen konnte. „Nirgends." Kleinlaut sah er zu Boden. „Ich kann dir helfen", meinte ich. Ich wusste nicht, ob es eine gute Idee war einem fremden so unter die Arme zu greifen. Jedoch hatte ich Mitleid. „Wie wollen sie mir helfen?", fragte Manuel zurück. Ich nahm meinen Lederbeutel von meinem Gürtel ab und öffnete ihn. Gefüllt war er mit einigen Talern. Ich nahm fünf heraus und streckte meine Hand, gefüllt mit ihnen, zu Manuel. „Etwas Geld für Essen und einen Schlafplatz." Manuel schaute auf meine Hand mit gerunzelter Stirn. „Ihr Ernst?" Wieder sah er auf. Skeptisch war sein Blick. „Nehme das an. Ich kann nicht viel tun, weil ich nur der Prinz bin. Aber auch so eine kleine Tat stimmt mich fröhlich. Und ich denke, dich auch." Ich schmunzelte Manuel an, als er zaghaft die Taler aus meiner Hand nahm. „Danke ihnen." „Wo finde ich dich tagsüber?", wollte ich dann noch wissen. Manuel steckte gerade das Geld in die Tasche seiner Lumpen. „Mal hier, mal dort." Er lächelte mich verschmitzt an. Ich musterte den dreckigen Jungen. „Finden werde ich sie." „Das werden wir beide ja dann sehen." Grinsend drehte sich Manuel um und ging pfeifend davon. Ich sah ihm nach, bis sein Antlitz im Dunkel der Gasse verschwand.

Ich griff mir an den Kopf. Ich hatte einem fremden doch gerade eine Menge Geld geschenkt. Es fühlte sich gut an, jemanden eine Freude zu machen. Doch ich wusste ja nicht, wofür er es verwendete. Er hätte ja auch Lügen können. Aber sein unsauberes Erscheinungsbild würde doch nicht Lügen?

Ich schlenderte zurück zu meinem Pferd und Leibwächtern, die schon sehnsüchtig auf mich warteten. Als sie mich Erblickten, stand Claus von einem Stein auf, der am Wegesrand lag. „Wo waren sie so lange?" fragte Michael mich. „Ich habe jemanden gesucht und gefunden. Wir haben hier dann alles Erledigt und können zurück zur Burg." Ich griff das Zaumzeug von meinem Pferd, stellte mein Fuß auf den Steigbügel und schwang mich auf sein Rücken. „Okay, Herr." Meine drei Begleiter schritten neben mir her, zurück nachhause.

Unerklärliche Liebe / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt