Warnung

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Sie blickte durch den Spion ihrer Tür und sah, wie eine bronzehäutige Frau ihre Zigarette weg schnippte und anschließend zur Tür blickte. Annika entriegelte das Sicherheitsschloss und öffnete die Tür einen Spalt.

„Arbeitest du?", fragte sie und erhielt ein amüsiertes Kichern als Antwort. Die Frage war hinfällig, dennoch konnte sie nicht vorsichtig genug sein. Wenn Alessandra vor ihrer Tür stand, war das kein Zufall.

Sie öffnete nun vollends und machte der Attentäterin platz. Die Italienerin betrat mit einem Kopfnicken das kleine Kellerloch und kaum zwei Schritt weiter, stand sie schon im Wohnzimmer. Annika kam ihr sogleich hinterher und setzte sich wieder auf ihren Sitzsack. Alessa sah sich etwas um und als sie neben ihr platz genommen hatte, sagte sie, „Immer noch ein schäbiges Drecksloch."

„Aber es ist mein schäbiges Drecksloch.", erwiderte der Schatten nur und schlürfte geräuschvoll aus ihrer Tasse.

„Alessandra, du altes Vollmantelgeschoss. Sag, wie geht's dir?", wollte Mic wissen und lehnte sich interessiert nach vorn. Sie winkte ab und antwortete, „Wie soll es mir schon gehen? Ich töte Menschen und schwimme dafür im Geld. Ich fühle mich wie ein Fisch im Wasser." Dann fixierten ihre braunen Augen Daniel. Sie musterte den Jungen intensiv und kam nicht umhin, sogar ihre Augen zu aktivieren, um jedes kleinste Detail an ihm feststellen zu können.

„Du musst der Halbgott sein." Es mochte wie eine Feststellung sein, doch ließ der kühle drohende Ton Daniel erschauern. Der Junge hatte sich noch immer nicht von der Offenbarung erholt, da kam schon wieder etwas neues auf ihn zu. Er wischte sich mit seinem Ärmel die letzten Tränen aus den Augen und presste sich an Mics knochigen Körper. Der Gott hatte seinen Arm immer noch um seine Schultern gelegt und blickte ihn ausdruckslos an. Lediglich die Flammen, welche noch immer einen leichten Blaustich hatten, verrieten seinen Gemütszustand.

Der ehemalige Gott der Unterwelt ließ seinen feurigen Blick zu Alessandra schweifen und sprach, „Wenn du hierher gekommen bist, um Ärger zu machen, muss ich dich warnen. Du weißt, wie es das letzte Mal ausgesehen hat."

Alessandra verengte leicht ihre Augen und setzte ein raubtierhaftes Lächeln auf. „Wenn ich wirklich arbeiten würde, glaubst du dann ernsthaft, ich würde hierher kommen und mich zu euch setzen?"

„Das zwar nicht, aber du warst schon immer gefährlicher als deine Kollegen. Oder sollte ich sagen hinterlistiger und falscher?", erwiderte Mic und seine Stimme glich am ehesten dem Geräusch eines langsam berstenden Grabsteins.

„Charmeur." Alessandra überschlug ihre Beine und Daniel konnte nun die dünnen Waden- und Fußprothesen sehen. Sie hatten einen eleganten Boden und waren mit Ätzungen und Gravuren verziert. Darüber hinaus machten sie nicht den Eindruck, als ob man damit nicht wirklich laufen konnte und dennoch hatte die Frau nicht einmal das Gleichgewicht verloren. Ein Umstand, welcher wohl jahrelange Übung mit sich brachte. Deswegen hatten ihre Schritte kaum ein Geräusch gemacht und er hatte das Klicken fälschlicherweise mit hochhackigen Schuhen verglichen, wie jene die seine Mutter oft trug. Oder seine Ziehmutter, wie er sich in Gedanken korrigierte und sein Gesicht wieder einen schwermütigen Ausdruck annahm.

„Ich bin hierher gekommen, um euch zu warnen. River-Range hat ein hohes Kopfgeld auf euch ausgesetzt und der Auftrag lautet, dass ich euch fangen und in die Zentrale bringen soll. Wo du", ihr Blick glitt zu Annika, „wahrscheinlich ausgepresst werden sollst und du", sie sah nun wieder zu Daniel, „zu etwas werden sollst, dass die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Betrachtet diese kleine Geste als meinen Schuldenausgleich.", fügte sie noch gönnerhaft hinzu und holte aus ihrem Busen ein kleines silbernes Etui heraus. Sie zog eine der darin befindlichen Zigaretten heraus und zündete diese mit ihrem Zeigefinger an.

Götter des Neon #Mirroraward18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt