Blitzschnell zog die Landschaft an mir vorbei und Bäume und Felder verschwammen vor meinen Augen zu einem einzelnen, großen Farbkleks. Ich blinzelte schnell und eine heiße Träne ran mir über meine Wange. Doch meine Sicht wurde nicht besser. Ich biss mir auf die Zunge und nach kurzer Zeit lag mir der metallenen Geschmack meines eignen Blutes im Mund.
Ganz ruhig, versuchte ich meine wirbelnden Gedanken zum Stillstand zu zwingen. Es wird alles gut, ganz sicher.
Ich richtete meinen Blick nach vorne und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Mr. Parker mich heimlich musterte. Seine Stirn war von besorgte Falten durchzogen und seine Lippen zu einem dünnen, geraden Strich zusammengepresst. „Alles in Ordnung, Sawyer?"
Ich musste mich beherrschen, nicht zusammen zu zucken, als er meinen Zweitnamen benutze. Ich heiße Mercy!, wollte ich sagen, ja es ihm am liebsten ins Gesicht schreien.
Doch ich verkniff mir den Kommentar und zwang mich zu einem leichten, versichernden Lächeln, welches bei genauerem Hinsehen eher einer verzogenen Grimasse glich. „Ja."
Mr. Parker nickte leicht, doch es war klar, dass niemand von uns meinen Worten Glauben schenkte. Ich bemerkte, wie die Szenerie sich veränderte und Bäume langsam Häusern wichen; grün wurde zu grau.
Der Blinker begann zu ticken und wir bogen auf eine kurze, betonierte Einfahrt ab. Der Autoschlüssel klirrte, als Mr. Parker ihn umdrehte und damit den Motor abstellte. Schnurrend wie eine alte Katze kam dieser zum Stillstand.
Mr. Parker räusperte sich und wendete sich mir zu. Seine dunkelblauen Augen schweiften mit sorgenvollem Blick über meine nassen Wangen. „Bist du bereit?", er lächelte mir aufmunternd zu. Ich antwortete mit einem leichten Nicken.
„Vergiss nicht", meinte er mit ernster Stimme. „Ab jetzt gibt es keine Mercy McCancy mehr, okay? Ich weiß, du möchtest das all hier gar nicht, aber es ist nur zu deiner eigenen Sicherheit. Ich hoffe natürlich sehr, dass dein Vater wieder aus dem Koma aufwacht. Aber du hast die Ärzte selbst gehört, das kann noch Monate dauern."
Er stockte, sichtlich um Haltung bemüht. „Wenn er überhaupt aufwacht."
Ich schluckte, erneut den Tränen nahe und sah zur Seite, da ich ihn nicht länger anschauen konnte.
Er sprach weiter. „Du gehörst ab nun zu uns, zu den Parkers, ja? Und es gilt alles daran zu setzten, dass das auch jeder glaubt. Du weißt selber, wie gefährlich diese Menschen sind. Aber hier passen wir auf dich auf, okay?"
„Okay", flüsterte ich mit gebrochener Stimme.
Eigentlich war rein gar nichts okay. Aber ich wusste, dass Mr. Parker mir nur helfen wollte. Er hatte ja recht. Mein Vater lag schließlich nicht ohne Grund im Koma. Wir beide hatten eigentlich seit einigen Jahren in Mexiko gelebt. Mein Vater gehörte einer Sonderkommission der CIA an und arbeitete an der Aufdeckung einer Gruppe der italienischen Mafia.
Im letzten Monat war ihm eine entscheidende Entdeckung gelungen, doch nicht ohne Folgen. Komplizen des verhafteten Mafia-Bosses hatten ihn noch am gleichen Tag angeschossen und seitdem lag er in einem tiefen Koma. Ich war noch am gleichen Abend von amerikanischen Sicherheitskräften aus dem Land geflogen worden.
Knapp einen Monat und viele Behördengänge später war ich nun hier; bei einem alten Schulkollegen meiner Mutter, da ich sonst keine Familie mehr besaß. Meine Mutter war an Brustkrebs gestorben als ich elf war und ich wusste von keinen weiteren Verwandten.
Mr. Parker hatte mir angeboten, in seinem Zuhause am Zeugenschutzprogramm teilzunehmen und da ich ansonsten in ein Heim müsste, nahm ich das Angebot an. Innerlich erhoffte ich zudem, vielleicht etwas über das alte Leben meiner Mutter zu erfahren.
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Touched by chaos
Teen FictionSie wurden beide gebrochen; ihr die Seele und ihm sein Verstand. Nur zusammen waren sie eins. Doch damit brachen sie jegliche Regeln. Sawyer wird von den Parkers aufgenommen: einer sechsköpfigen Familie, die unter anderem aus einem Sohn in ihrem Al...