Der Flur des Jungenwohnheims war nicht besonders hell beleuchtet. Das Jungenwohnheim glich dem der Mädchen wie ein Ei aufs andere, es war nur viel dreckiger.
Die Wände waren mit allen möglichen Sprüchen beschmiert. Der Boden wies einige seltsame Flecken auf, über die Sam erst gar nicht nachdenken wollte. Trotz des Pullovers fröstelte sie leicht - jemand hatte die Fenster offengelassen.
Es stürmte immer noch. Sam seufzte. Hoffentlich würde das Wetter bald umschwingen. Warrens Zimmer lag genau wie ihres ziemlich am Ende des Ganges, direkt gegenüber ihres Lieblingsmitschülers - Nathan Prescott.
Sam hatte schon oft genug Warrens Gejammer ertragen müssen. Anscheinend nahm der Prescottjunge nicht ganz soviel Rücksicht auf seine Mitbewohner wie er sollte.
Sam lachte über ihre eigenen Gedanken. Nathan Prescott nahm auf niemanden Rücksicht. In seiner Vorstellung gab es nur ihn. Ihn und sein Ego. Langsam schritt sie durch den Gang. Samantha ging hier nicht zum ersten Mal entlang.
Sie traf sich häufig mit Max und Warren in seinem Zimmer. Aus dem einfachen Grund, dass dieser eine alte Couch besaß. Sie wurde von den dreien Bethy genannt, und war vor einem Jahr auf einem Garagenflohmarkt erworben worden.
Trotzdem war dieses Mal etwas anderes. Die Luft schien elektrisiert zu sein. Sam fröstelte erneut. Was stellte dieses seltsame Wetter nur mit ihr an? Stürme gab es in Arcadia Bay oft, erwünscht waren sie jedoch nicht.
Als sie Warrens Zimmer erreicht hatte, schaute sie ohne es zu merken nach rechts. Nathans Zimmertür stand sperrangelweit offen. Sam zuckte zusammen, und blickte sich schnell um. Er musste hier irgendwo sein.
In seinem Zimmer war er nämlich nicht, und er würde wohl kaum weggehen, ohne die Tür wenigstens zuzumachen. Oder würde er das vielleicht doch? Sam fiel es sehr schwer ihn einzuschätzen.
Konnte er wirklich so arrogant sein? Sam schüttelte den Kopf. Sie traute Nathan Prescott vieles zu, aber er war niemals so selbstsicher und arrogant, als dass er sein Zimmer unabgeschlossen hinterlassen würde in dem Wissen, dass niemand etwas klauen würde.
Schnell vertrieb sie diesen Gedanken aus ihrem Kopf. Warum machte sie sich überhaupt über soetwas Gedanken? Doch... Warum sollte sie keinen Blick in sein Zimmer riskieren? Immerhin sah die offene Tür ziemlich einladend aus.
Und letztendlich war er ja dann selbst Schuld. Vom Flur aus wirkte Nathans Zimmer düster und unheilvoll.
Auf einmal tauchte am Rand ihres Blickfelds ein blauer Fleck auf. Sam drehte ihren Kopf.
Der blaue Schmetterling. Faszniniert legte sie den Kopf schief, und beobachtete, wie die schillernde Kreatur in nathans Zimmer flog. Okay, das reichte. Sie musste sofort in dieses Zimmer. Der Schmetterling war immer noch ein Mysterium für sich.
Ein faszinierendes Geschöpf. Doch es war immer noch Nathan Prescotts Zimmer. Und das könnte sie ihr Leben kosten. Ohne es zu merken machte Sam einen Schritt in die Richtung des Zimmers.
Sie biss sich unschlüssig auf die Lippe. Es war einfach zu verlockend. Samantha war schon als Kind sehr neugierig gewesen. Deswegen waren Geburtstagsüberraschungen für sie auch immer eine Qual gewesen.
Die Rothaarige näherte sich der offenen Zimmertür noch ein bisschen näher, bis sie halb im Türrahmen stand. Die Rollläden wurden heruntergelassen, weshalb Sam nicht wirklich viel erkennen konnte. Auch den Schmetterling sah sie nicht.
"Die Neugier ist der Katze Tod, wusstest du das denn nicht?" Erschrocken drehte sie sich um. Nathan Prescott lehnte wenige Meter entfernt lässig an einer Wand, und beobachtete sie. Wo war der denn hergekommen?
Sam erschauderte. Der Schmetterling war vergessen. Nathan blickte sie so intensiv an, dass es Sam nicht wundern würde, wenn seine Blicke sie durchlöchern würden. Noch so ein typisches Nathan-Ding.
Der eingebildete Junge schaffte es mit einem Blick, dass sein gegenüber sich völlig unterlegen fühlte. Sam hasste diesen Blick. Sie beobachtete, wie der Prescottjunge sich von der Wand abstieß, und sich ein paar schritte näherte.
Sams Blick glitt zu Warrens Tür. Diese war nur wenige Schritte von ihr entfernt. Sie widerstand dem Drang, sofort wegzurennen, oder zumindest ein paar Schritte zurückzutreten. Dann sah die Jugendliche wieder zu Nathan. Sie konnte nicht erkennen, was in ihm vorging.
Ihre Mutter hatte ihr früher immer gesagt, sie hätte ein besonderes Talent. Sam konnte in den Augen jedes einzelnen Menschen erkennen, was dieser fühlte. Als wären die Augen eine Tür zur Seele eines Menschen. Sam wusste, wie man diese Tür öffnete.
Doch Nathans blieb ihr verschlossen. Sie musterte ihn weiter. Er war nicht weniger angespannt als sie, das bemerkte Samantha. Wie ein Jäger der seiner Beute auflauert, schoss es ihr durch den Kopf.
Ihr Puls beschleunigte sich als sie sah, wie Nathan noch einen Schritt auf sie zu machte. "Niemand", Nathans Stimme war scharf und erlaubte keinen Widerspruch. Sie war das komplette Gegenteil von dem spöttischen Ton, den sie zuvor gehört hatte.
"Hat das Recht, sich in meine Sachen einzumischen. Auch du nicht, Samantha." Sam zuckte zusammen. Nicht nur, dass sie eigentlich niemals mit samantha angesprochen wurde... woher zur Hölle kannte Nathan Prescott ihren Namen?
Auf Blackwell, vor allem in den Kreisen, in denen sich Sam aufhielt, gab es ungeschriebene Regeln. Eine davon, auch die wichtigste, um an der Schule zu überleben, hatte sie soeben gebrochen. Sobald Nathan Prescott deinen Namen kannte, du aber nicht zu seinem Freunden zähltest, warst du praktisch schon verloren.
Nathan Prescott interessierte sich nicht einfach so für irgendjemanden. Wenn doch, dann hatte das einen Grund, welcher nie gut war. "Das wird nicht noch einmal, passieren, oder?"
Sam blickte weiter in seine Augen. Sie schienen fast schwarz. Sie erinnerten Sam an die Nacht. Dunkel, kalt, und undurchbringbar. Irgendwas an diesem Anblick ließ sie erschaudern. Vielleicht hätte sie wegschauen sollen.
"Oder?" Sam nickte schnell. Warum tat sie das? Alles in ihr schrie danach, ihm vor die Füße zu spucken. Leider war sie nicht mal halb so mutig wie sie sich wünschte. Nathan trat noch ein Stück näher.
Oh Gott, dachte sich Sam. Ich werde sterben. Wahrscheinlich versteckt er in seinem Zimmer die Leichen derer, die einen Blick darein geworfen haben. Und ich werde die nächste sein. Die Rothaarige spürte seinen Atem in ihrem Gesicht. Sie spürte die Wärme auf ihrer Haut. Sam schauderte.
Nathan war ihr nah - sehr nah.
So, das war das letzte Kapitel bevor die Sommerferien beginnen (jaja ich komm aus Baden-Württemberg). Das nächste Kapitel wird dann erst am 15. September erscheinen. Danach gibt es jeden Samstag ein Kapitel (vielleicht auch jeden Mittwoch und Samstag).
Angel_in_life
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Focused [Nathan Prescott FF]
FanfictionSamantha besuchte die Blackwell Academy in Arcadia Bay schon seit langem. Auch sie hatte von Nathan Prescott gehört, von ihm und den Geschichten, die sich um ihn rankten. Und das waren keine guten. Bis jetzt hatte sie seine Nähe gemieden. Bis jetzt.