Unmöglich. Das ist unmöglich! Beinahe renne ich die Treppen nach unten hinab und stürze gewissermaßen hinaus ins Freie. Ich muss sofort diesen Deppen von der Wilden Jagd finden.
Ich muss selbst aussehen wie ein Volldepp, während ich durch die Stadt laufe und immer wieder die Nase in die Luft recke auf der Suche nach diesem unverkennbaren Geruch der Wilden Jagd: Wie ein kalter Luftzug, ein eisiges Messer, metallisch, blutig, böse. Ich kenne diesen Geruch, ich muss ihn nur finden. Vom Gasthaus führt eine dünne Spur weg, doch sie verliert sich auf dem Markt, wo mit Gewürzen und Parfums aller Art gehandelt wird. Und die ganzen Leute erst. Wie soll ich hier eine Spur verfolgen? Je länger ich auf dem Marktplatz so tue, als würde ich mir Waren ansehen, desto dümmer komme ich mir vor. Ich werde die Spur nicht wiederfinden.
Plötzlich halten alle still. Verwundert sehe ich mich um. Nein, nicht nur die Leute halten still, auch das Feuer der Fackeln, die Fahnen im Wind...als hätte jemand die Zeit angehalten. Nur ich bewege mich, bin von diesem merkwürdigen Zauber ausgenommen.
„Was zum..." Suchend sehe ich mich nach der Quelle dieses Zaubers um. Sie , oder besser gesagt er, ist schnell gefunden. Da hockt ein Kerl auf dem nächsten Vorsprung eines Hauses, leichtfüßig springt er herunter.
„Hallo, Geralt! Kennst du mich noch?"
„Ja." presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor,"Gaunter O'Dimm."
Er verbeugt sich überschwänglich. „Genau der. Stets zu Diensten, alter Freund."
„Wir sind keine Freunde."
Er lacht. „Noch immer so sympathisch wie damals, als ich dir half, Yennefer zu finden."
Yennefer. Ein Stich in meinem Herzen. Was will dieser O'Dimm von mir? Den kann ich gerade überhaupt nicht gebrauchen.
„Sag, Geralt. Du brauchst Hilfe, oder?"
„Ich brauche keine Hilfe von dir."
Wieder lacht er laut, hält sich den Bauch. „Na und ob du das tust! Der Mann der Wilden Jagd ist schwer zu finden, oder?"
„Jetzt sag bloß, du weißt, wo er ist."
„Nein, aber ich kann dir helfen, ihn zu finden."
Da mir nichts anderes übrig bleibt, da ich ihn tatsächlich ums verrecken nicht ausfindig machen kann, stimme ich also zu.
„Allerdings erwarte ich eine Gegenleistung von dir. Als Dank für meine Hilfe sozusagen."
„Und was wäre das für eine Leistung?"
„Begleite mich zu Olgierd von Everec."
Ich stutze verwundert. „Der Typ mit dem Monsterproblem? Was willst du von dem?"
„Ah sagen wir einfach, er hat noch Schulden bei mir. Du könntest nützlich dabei werden, diese einzutreiben."
„Was du nicht sagst."
Grinsend geht O'Dimm dann an mir vorbei, ruft mir über die Schulter zu:"Wir treffen uns morgen um Mitternacht an der Kreuzung unter den Weiden. Ich erwarte dich!"
Mit den Worten ist er weg. Einfach um die nächste Ecke gebogen. Ich laufe hinterher, sehe um die Ecke, doch da ist nichts. Die Zeit steht noch immer still. Suchend sehe ich mich um. Das kann doch nicht wahr sein. Soll das etwa seine Hilfe sein? Er gibt mir so viel stillstehende Zeit, bis ich diese scheiß Duftspur aufgenommen habe? Ich soll so lange suchen und dabei verrückt werden, bis die Zeit weiter läuft? Der will mich doch verarschen!
„O'Dimm!" rufe ich, doch er ist und bleibt fort.
Wütend knurrend setze ich meine Suche fort. Der Typ ist ja 'ne tolle Hilfe. Gut das ich sowieso vor hatte, zu Olgierd von Everec zu gehen, sonst müsste ich den Typ auch noch gezwungenermaßen dahin begleiten.
Genervt stiefele ich zum Rosmarin und Thymian zurück, doch schon auf dem Weg dahin bemerke ich einen eisigen Luftzug und wirbele herum. Da war der Mörder! Ich presche ihm hinterher. Er jagt wie ein Irrer durch die Stadt, ich habe Mühe, überhaupt hinterher zu kommen.
Doch je länger ich renne, desto schneller werde ich. Ich bin dank Professor Moreaus nicht nur stärker sondern auch schneller geworden. Stück für Stück komme ich näher heran an den Mörder, der durch die stillstehende Zeit rennt und packe ihn schließlich am Kragen, reiße ihn hoch und wirbele ihn durch die Luft auf den harten Steinboden. Ächzend kommt er auf, ich höre einen Knochen knacken.
In derselben Bewegung ziehe ich mein Schwert und halte es ihm an die Kehle.
„Wenn ich du wäre, würde ich mich jetzt lieber nicht bewegen. Es sei denn, du hast mir nichts mehr zu sagen, Bastard. Dann beenden wir das ganz schnell." sage ich kühl.
Der Mörder lacht. Es ist ein Kerl, ähnlich gebaut wie ich, doch das Bad der beiden Turteltauben könnte auch er gut vertragen, er sieht aus als hätte er seit mindestens einem Jahr nicht mehr gebadet.
„Du denkst, ich gehöre zur Wilden Jagd, ja? Dummer Hexer. Die Wilde Jagd ist ausgelöscht, vernichtet, wegen euch. Ich bin nur noch übrig, weil ich Zireaels Gabe studiert habe. Ich habe nie an den Kämpfen teilgenommen, ich war besser beschäftigt. Letzten Endes bin ich beinahe so mächtig wie Eredin selbst es wahr, denn ich reise durch die Zeit."
Deswegen konnte ich ihn nicht finden. In seiner Welt steht die Zeit still, er teleportiert sich gewissermaßen an jeden Ort, zu dem er will, indem er die Zeit stillstehen lässt und dann faktisch nur eine Sekunde später am Zielort angelangt. Wenn er die Zeit anhält, nimmt er sich aus dieser selbst raus, er ist also eigentlich gar nicht anwesend. Von daher auch keine Spur, die sich verfolgen ließe.
„Du bist ein Mörder." sage ich, zornig umfasse ich mein Schwert fester. Bereit, ihm die Kehle aufzuschlitzen.
„Und du nicht, Hexer? Ich habe in meinem ganzen Leben eine Person getötet, und das war diese schöne Zauberin. Und du? Wie viele hast du auf dem Gewissen?"
„Das ist mir egal. Ich bin Hexer."
„Eine schlechte Rechtfertigung."
„Du hast mir genommen, was ich geliebt habe."
„Dann habe ich mein Ziel erreicht. Wir sind quitt, Hexer. Jetzt führe dein verdammtes Handwerk aus."
Er hat ja Recht. Es fällt mir verdammt schwer, das zuzugeben, aber er hat Recht. Yennefers Tod war seine Rache an mir, ich habe Eredin getötet. Aber ich bleibe kalt. Warum auch Gnade zeigen? Trotz allem ist Yennefer fort, für immer.
„Sag mir, wo ihre Leiche ist." verlange ich.
„Wo ist Eredins?" entgegnet er.
Ich schlitze ihm die Kehle auf. Das hat keinen Zweck. Ich weiß nicht, wo Eredins Leiche ist, und er wird mir sicherlich sowieso nicht sagen, wo Yennefers ist.
Sobald er tot ist, läuft die Zeit weiter. Vor mir liegt eine blutende Leiche, ich verschwinde.
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Die Seelen der Hexer
Hayran KurguSeit der Kampf mit der Wilden Jagd vorbei ist, zweifelt Geralt immer öfter daran, dass Ciri wirklich in Sicherheit ist. Ängste weichen dem Gefühl, endlich sei alles gut für alle Beteiligten. Der Hexer macht sich auf um stärker zu werden, noch mehr a...