11.Kapitel

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Er schluckt hart und in seinen Augen sammeln sich Tränen. So schnell, dass ich gar nicht richtig mitbekomme, dass er vor Freude weint. Bevor ich noch was sagen kann, fällt er mir um den Hals und küsst mich so stürmisch, dass ich beinahe nach hinten umfalle. Doch ich kann mich fangen, halte ihn fest und erwidere den Kuss liebevoll und leidenschaftlich.

„Wieso hast du dich so lange nicht gemeldet? Ich hatte solche Angst, dass du mich nicht mehr sehen willst und ich vielleicht nur ein Abenteuer für dich war", fragt Louis atemlos, als er sich von mir löst und mustert mich. „Willst du mir nicht doch sagen, was du machst?"

Mist, ich wusste, dass er mir diese Fragen stellen wird.

„Louis, das kann ich dir nicht sagen. Tut mir leid", antworte ich ehrlich und streiche ihm übers Gesicht. „Wieso nicht?"

„Weil ich nicht will, dass du in Gefahr bist."

Sofort lässt er mich los und runzelt misstrauisch die Stirn: „Moment mal. Wenn ich in Gefahr geraten könnte, dann steckst du doch schon wieder in etwas Kriminellem drin. Ich dachte, du würdest jetzt endlich versuchen, das hinter dir zu lassen."

„Louis, es ist nicht so, wie du jetzt vielleicht denkst", sage ich schnell und tatsächlich stimmt es dieses Mal sogar. Es sieht so aus, als wäre ich wieder auf der falschen Spur, aber das bin ich nicht. Ich bin nur auf geheimer Mission und er darf es nicht wissen.

„So? Und wieso kannst du es mir nicht sagen?"

„Weil ich dich liebe und ich dich beschützen will", sage ich leise und mache einen Schritt auf ihn zu, doch Louis stampft mit dem Fuß auf und schreit: „Alle wollen sie mich beschützen. Du, mein Onkel, alle wollen nur mein Bestes und ich soll bloß nicht zu viel wissen! Ich bin kein kleines Kind mehr, Harry! Verdammt nochmal." Wütend reißt er sich von mir los, dreht sich um und stürmt den Flur entlang davon.

„Louis, verdammt!", rufe ich und hetze ihm hinterher.

Ich bin schnell und ich habe mittlerweile eine ziemlich gute Ausdauer, aber Louis kennt sich in diesem Haus wesentlich besser aus und so ist es kein Wunder, dass er mir voraus ist und ich es kaum schaffe, ihn einzuholen. Er fegt um die Ecken, an filigranen Tischchen vorbei auf denen teure Vasen stehen und ich muss mich sehr anstrengen, diese nicht einfach über den Haufen zu rennen. Schließlich knallt eine Tür direkt vor meiner Nase zu, doch ich kann sie wieder aufstemmen, bevor es Louis gelingt, den Schlüssel im Schloss zu drehen.

Wütend starrt er mich an, als ich schnaufend vor ihm stehe und leicht den Kopf schüttle. „Würde es dich zufriedener stellen, wenn ich dir verspreche, es dir zu sagen, sobald ich sicher bin, dass es dich nicht in Gefahr bringt?", schlage ich vor und sehe mich schon mit Menzies herum diskutieren.

Das kann ja was werden.

Oberste Geheimhaltung ist das Gebot des MI5 und ich will Louis einweihen.

Wunderbar.

Der Kleine denkt kurz darüber nach, die Stirn noch immer wütend angespannt und kaut auf seiner Zunge herum, dann nickt er knapp und schnauft: „Na von mir aus."

„Gut. Ich verspreche dir, dass ich es dir sage. Wirklich. Aber noch ist nicht der richtige Moment dafür." Ich breite die Arme aus. „Hast du mich wieder lieb?"

„Nein", gibt er beleidigt zurück und dreht sich weg. Sein Mundwinkel zuckt allerdings, das kann ich selbst von hier aus sehen. „Na gut, wenn du nicht willst", seufze ich theatralisch und drehe mich um, „dann gehe ich eben wieder. Mal sehen, was ich so mit meinem Tag anfange..." Leise öffne ich die Tür und zähle im Kopf bis Drei.

Thin Ice • Buch II (Two Hearts Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt