Das versinken in andere Welten während dem zeichnen fiel mir normal nicht schwer, doch heute wurde daraus nichts, da meine Gedanken immer wieder zum Telefonat von Jannik abschweiften.
Genervt packte ich meine Stifte und den Zeichenblock und stieß mit meiner Fußspitze die Balkontür auf. Das Zeichnen gab ich auf so machte mir das echt keinen Spaß.
Ich ließ mich zu meinem Bruder im Wohnzimmer auf die Couch fallen und schaute beim Film mit. Ich kannte ihn nicht, deshalb wusste ich überhaupt nicht um was es ging doch ich war im Moment eh viel zu müde um in Gedanken einen Film mitzuverfolgen.Meine Augen wurden immer schwerer und die Stimmen vom Fernseher immer undeutlicher und verzerrter.
***
Ich wurde vom Klingeln unseres Telefons geweckt und schaute mich verwirrt um. Das hatte bestimmt seit zwei Wochen nicht mehr geklingelt und davor waren es immer nur irgendwelche Leute die unserer Mutter sprechen wollten.
Mein Bruder meldete sich am Telefon und weitete kurz darauf seine Augen. Schnell schaltete er auf den Lautsprecher.
„.....es ging wirklich nicht anders ich musste die ganze Zeit an euch denken, ob es euch auch gut geht, doch ich konnte mich wirklich nicht früher melden. Ach meine Kinder es tut mir ja so leid.", es war wirklich unsere Mutter die aus dem Lautsprecher schluchzte.
Die Tränen stiegen mir in die Augen und ich war so froh, dass es ihr gut ging, denn mittlerweile war ich mir nichtmal mehr sicher ob sie noch am Leben war.
„Wie geht es euch denn? Gehts Chloe schon besser?", fragte sie ehrlich interessiert.
„Wie soll es ihr denn besser gehen wenn wir nichtmal wussten ob du noch lebst oder sonst was und uns einfach so plötzlich im Stich lässt?!", Max antwortete unerwartet hart und barsch auf ihre Frage und ich war ziemlich überrascht über seine plötzliche Wut. Denn normalerweise hatte er seine Stimmungen gut unter Kontrolle und blieb fast immer ruhig.
„Es tut mir so schrecklich leid, aber es geht mir gut und ihr braucht euch wirklich keine Sorgen machen und lieber auf euch selber schauen, dass es euch gut geht."
Max darauf etwas lauter: „Du willst es doch nicht verstehen, oder? Wie soll es uns BITTE gut gehen wenn plötzlich unsere Mutter die normal immer alles zuhause gemacht hat abhaut ohne uns irgendwas darüber zu sagen? Und sogar ihr Handy im Schrank liegen lässt?!"
„Du hast ja recht....ich hoffe, dass ich mich öfters melden kann ich versuche es wirklich. Und so blöd es sich auch anhören mag...irgendwann kann ich es euch erklären und ich hoffe doch, dass ihr es wenigstens teilweise verstehen könnt. Doch leider ist es mir im Moment überhaupt nicht möglich was zu sagen."
„Na da sind wir ja wirklich gespannt darauf....ich hoffe wirklich für dich du meldest dich Chloe zuliebe etwas öfter als in den letzten Wochen!"
„Ich versuche es wirklich! Ich liebe euch beide so!", dann war nur noch ein knacken zu hören und die Verbindung war abgebrochen.
„Jetzt hat sie wirklich einfach so aufgelegt, was soll das denn bitte?!", regte sich Max ziemlich auf.
Die nächsten Minuten schwiegen wir vor uns um und mussten beide erst mal das Gespräch verarbeiten. Wir hatten schon fast nicht mehr damit gerechnet, dass sie sich melden wird. Und jetzt haben wir gar keine Ahnung wie wir damit umgehen sollen. Klar wussten wir jetzt dass es ihr gut geht das war schon mal eine große Erleichterung aber mehr wussten wir dann auch nicht. Max hatte später noch versucht die Nummer herauszufinden doch sie hatte die Nummer unterdrückt, was eh eigentlich schon klar war.
Wochenlanges warten, schweigen, trauern, zittern und plötzlich ein Anruf der alles ändern soll? Das dachte ich zumindest bis jetzt immer, doch jetzt frage ich mich was er verändert haben soll? Dass man sich wieder die ganze Zeit Gedanken machen muss wo sie wohl sein wird und warum?
Aber ich denke, dass sie sich das Telefonat auch anders vorgestellt hat. Ich denke sie dachte wirklich, jetzt wo wir wissen dass es ihr gut geht hat sich die Sache erledigt. Doch so leicht ist das nicht. Nichtmal für Max.......und sie wissen beide, dass ich mit solchen Veränderungen gar nicht klar komme. Aber dann lass ich mich mal überraschen wann sie sich das nächste mal melden wird.Ich klappte mein Tagebuch zu, verstaute es an seinem Platz ganz hinten im Nachttisch und versuchte mich durch das hören meiner Lieblingsband etwas zu beruhigen.
Eine Stunde später saß ich wie am vorherigen Tag im Auto meines Bruder. Auf dem Weg zur Therapeutin. Ich war nervös, da ich Angst vor der Diagnose hatte. Oft ist es leichter in Unwissenheit zu leben als der Wahrheit direkt ins Gesicht zu blicken.
Mit zitternden Beinen stieg ich die Treppe zur Eingangstür hinauf, atmete ein letztes mal tief durch und drückte die schwere Holztür nach unten.
"Hallo Chloe, du kannst schon mal in meinem Büro platz nehmen ich bin gleich bei dir.", erklärte mir Frau Heine freundllich.
Froh darüber, dass mir die unangenehmen Wartezimmersituation wenigstens einmal erspart blieb ging ich zögernd den langen Gang bis zu ihrem Büro nach hinten. Im Moment kam ich noch nicht so gut zurecht, dass mein vorheriger Therapeut nicht mehr hier war, denn durch die Zeit hatte ich mich endlich etwas ihm gegenüber öffnen können.
Angespannt setzte ich mich auf den Stuhl gegenüber des großen Schreibtisches, der übersäht mit Ordnern und Mappen war.
"Oh entschuldige bitte die Unordnung, aber ich habe heute erst die ganzen Akten meiner Patienten bekommen und bin gerade erst mit dem einordnen fertig geworden.", entschuldigte sie sich während sie auf ihrem Stuhl platz nahm und den großteil der Ordner auf den Boden beförderte.
Nach kurzem herumkramen durch die unzähligen Mappen fand sie die richtige und schob die restlichen auf die Seite. Währenddessen versuchte ich mir meine Anspannung nicht anmerken zu lassen und wischte vergeblich den Schweiß meiner Hände an meiner Hose ab. Frau Heine blickte kurz zu mir auf und hatte mir die Anspannung doch angemerkt: "Du brauchst nicht nervös sein, egal welches Ergebnis bei den Tests herausgekommen ist, wir können an allem arbeiten und keine Erkrankung bleibt für immer. Zusammen arbeiten wir daran wie du lernen kannst damit umzugehen."
Ich versuchte den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken und nickte leicht.
"Also durch die Beantwortung vieler Fragen und dem ausfüllen einiger Tests konnten wir herausfinden, dass du starke Angststörungen hast, wie eine Panikstörung mit Agoraphobie und eine soziale Phobie. Außerdem hast du mittlerweile eine schwere Depression, weswegen wir auch noch eine weitere Therapiemöglichkeit wählen werden."
Im Büro wurde es ganz still ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte und allein, dass meine Depression schwerer wurde machte mir schon zu schaffen und ich fragte mich was die anfangs so unangenhmen Therpiestunden denn gebracht haben sollen. Als ich auf die Mappe vor der Therapeutin starrte, sah ich aufgegliedert die Diagnosen der Tests. Unter dem Wort Depressionen sah ich noch einen Unterpunkt.
-Svv
Es war mir klar, dass sie wusste das ich mich selber verletzen würde, doch ich fragte mich warum sie es gerade eben nicht erwähnt hatte. Schließlich hatte sie mir ja auch die verschiedenen Angststörungen die ich habe gesagt.
"Gut, du fragst dich jetzt bestimmt wie es jetzt mit der Therapie weiter gehen wird. Die Angststörung ist normal durch eine kognitive Verhaltenstherapie gut behandelbar und du wirst schnell lernen wie du in Angstsituationen handeln musst und wie du mit den Panikattacken zurecht kommen kannst. Natürlich braucht das ganze auch Geduld dein Körper ist schließlich ja keine Maschine. Die Depressionen würden wir jetzt zusätzlich zu Verhaltenstherapie noch mit einem Antidepressiva behandeln. Dadurch müsste es dir in 3-4 Wochen schon etwas besser gehen. Trotzdem musst du in der Therapie gut mitarbeiten, da nur beides zusammen die gewünschte Besserung bringt."
Erschlagen von den vielen Informationen und Veränderungen auf einmal nickte ich wieder nur stumm und die restlichen Minuten erklärte sie mir noch einige Dinge, die wir in den Therapiesitzung bearbeiten werden. Außerden gab sie mir das Rezept mit, mit dem ich ab morgen beginnen sollte. Sie klärte mich noch über die möglichen Nebenwirkungen auf, wie zum Beispiel Schwindelgefühle, Übelkeit, Gewichtszunahme, Schwitzen und Kopfschmerzen.
Das konnte die Hoffnung auf eine schnellere Verbesserung der Depression schon ziemlich zerstören....
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Verlass mich nicht!
Novela JuvenilMit dem Tod geht jeder anders um, doch wenn man mal wirklich in der Situation ist bricht die ganze Welt für einen zusammen. Wofür lebt man noch? Macht es noch Sinn irgendetwas zu tun? Diese Fragen stellt sich Chloe, die vor kurzen ihren besten Freu...