Prolog

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Ihr scheinbar lebloser Körper war übersät von Blut. Über ihren ganzen Leib zogen sich tiefe Wunden wie von Messerstichen, die ozeanfarbenen Augen geschlossen. Ihr schulterfreies, langes weißes Kleid war nun fast ganz in dunkelrot getränkt.
Ein Herz mit Teufelshörnern war in ihre Stirn geritzt.

Der riesige, niederschmetternde, blutrote Mond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche des Sees wieder.
Am schilfbewachsenen Ufer lag sie, eine Blutlache um ihren regungslosen, bleichen Körper, die Haarspitzen ins kalte Wasser getaucht.
Das Geräusch des Schilfs, welches sich langsam im Wind bewegte und der Wolf, der dem Mond sein Klagen entgegenheulte, erinnerte ihn an das grausame Geräusch der beängstigenden Ruhe zwischen verschiedenen Foltermethoden.

Er stand regungslos vor ihr, seine Augen vor Schreck und Unbehagen geweitet, die Pistole in der geballten Hand haltend. Starr sah er hinab auf ihren scheinbar toten Körper, welchen er versucht hatte zu retten.
Dann fasste er sich wieder und sein Atem verlangsamte sich. Er wendete den Blick von ihr und richtete ihn auf den großen, roten Mond.
Wieso?, dachte er, wieso schon wieder? Und warum?
Er senkte seinen Blick wieder auf die Stelle, wo das Mädchen gelegen hatte, doch sie war nicht mehr dort.
Blitzschnell fuhr er herum und starrte in den Wald, die Pistole bereit.
Wachsam. Doch mit dem was dann geschah, hatte er nicht gerechnet.

Zwei Knochenhände, von Sehnen und Muskeln überzogen, packten ihn von hinten und zerrten ihn hinunter, in die Tiefe des Sees.
Die Ereignisse erfolgten so schnell hintereinander, dass er für einen kurzen Augenblick verwirrt war. Doch dann begriff er und erstarrte. Er starrte das Wesen vor ihm, welches ihn hier hinunter gezogen hatte, mit aufgerissenen Augen an.
Wie ein Mensch wirkte das Ungeheur. Wie ein menschliches Wesen, dem man die obersten Hautschichten abgezogen hatte und der langsam am verwesen war. Ihm fehlte der rechte Ringfinger und es hatte seine Augen geschlossen.

Alles war finster. Der Mann suchte vergebens mit den Augen die Umgebung ab, nach irgendetwas an dem er sich hätte orientieren können. Aber ihn umgab nur das beunruhigende Schwarz, der Tiefe. Wie ein schwerer, bedrückender Mantel hüllte es ihn ein und bot ihm keinen Platz zum atmen.
Er wagte es nicht seinen Kopf nach oben zu wenden, da er nicht wusste wie die Gestalt vor ihm reagieren würde.
Sein Blick wanderte über das Gesicht des Wesens. Ein langer, schmaler Strich zog sich über dessen ganzen Körper.
Seine Augen tasteten den Hintergrund ab. Und auf einmal erblickte er das lange, weiße Kleid des Mädchen, hinter der Gestalt auf dem Grund des Sees liegend.
Er erschrak und machte eine Bewegung nach hinten. Das Wesen riss die Augen auf.
Diese glutroten, feurigen Augen bohrten sich, wie ein Speer, in den Menschen. Erst jetzt bemerkte dieser, dass er keinen Sauerstoff mehr hatte.
Seine Lunge war zusammengezogen. Er rang nach Luft, aber der schwarze Mantel um ihn ließ ihn nicht atmen.
Die Gestalt vor ihm musterte den Mann aufmerksam. Es wollte sehen, wie er am Sauerstoffmangel ersticken würde.
Doch dann schloss der Mensch die Augen und sein ganzes Leben zog an ihm vorbei. Wie er schon so oft mit seiner Flinte geschossen und Tiere getroffen hatte. Wie das Blut aus dessen Wunden spritzte und sich auf dem Erdboden verteilte...
Doch nun drang ein anderes Bild in seinem Kopf ein. Das Bild und des schwarzhaarigen, ungefähr zwanzigjährigen Mädchens und ihr Schreien und wimmern, vernahm er plötzlich ganz deutlich. Ihm wurde Übel bei dem Gedanken, dass es seine Schuld gewesen war, dass sie sterben musste. Schon damals machte er sich schreckliche Vorwürfe, warum er abgedrückt hatte. Natürlich konnte er nicht ahnen, dass jenes Reh, welches er ursprünglich erlegen wollte, schneller war als sein Reflex und dass diese junge Frau nun auch noch im Fluss dahinter baden musste.
Alles ein Unglück. Ein tragischer Unfall. Aber dass der Freund des schwarzhaarigen Mädchens so reagieren würde, hätte er nie erwartet.
Nun gut der muskulöse, durchtrainierte Schlägertyp war schon als die Polizei ihm erzählte, dass ein unvorsichtiger Jäger seine Geliebte umgebracht hatte, nicht sehr erfreut über diese Nachricht und dass er, als er den Jäger sah, sofort auf diesen losgegangen war, war vermutlich auch verstandlich gewesen. Aber dass er... dass er so weit gehen würde. Nur um seine Frau rechen würde, der Frau des Jägers eiskalt einen Dolch in die Brust zu rammen und sie danach an ihren Wunden verbluten lassen würde..., damit hat niemand gerechnet.
Es schmerzte ihn bei dem Gedanken an seine Frau...

Doch die folternden Augen der Gestalt, die die ganze Zeit über auf ihm geruht hatten, öffneten sich ein Stück mehr und begannen den Menschen interessiert zu mustern. Plötzlich wirkten diese nicht mehr so schmerzhaft, sondern sogar eher ein wenig angenehm.
Das Wesen kam immer näher auf den Jäger zu. Es erfasste mit seinen, von Sehnen und Muskeln überzogenen, Knochenhänden den Hals des Mannes, der immer noch gedanklich bei seiner ermordten Frau war.
Dem Jäger war es nun vollkommen gleich, ob er ersticken oder von der Gestalt getötet werden würde, die ihm, wie er meinte, diese Bilder puälend vor Augen hielt.
Die Gestalt des verwesenden Menschens streckte den Hals des Jägers und fletschte die spitzen, aschgrauen Zähne. Es musterte den Menschen und die Augen des Wesens verängten sich erneut.
Dann plötzlich rammte es seine gebeckten, messerscharfen Zähne in den Hals des Jägers, direkt in dessen Luftröhre. Blut spritzte aus der Wunde und verteilte sich im Wasser. Die Gestalt schloss ihre glutroten Augen und biss noch tiefer in das Fleisch.

Der Jäger bemerkte den Schmerz nicht einmal. Er hatte mit seinem Leben abgeschlossen und sehnte sich danach seine Geliebte, nach all den schmerzhaft langen Jahren, wieder zu sehen. Ihr in die funkelnden, grün-grauen Augen zu schauen und ihre roten Lippen auf seinen zu spüren. Zu lang hatte er schon nicht mehr an sie gedacht.
Die verwesende Gestalt genoss es, dass der Jäger sich nicht wehrte, sondern sein Schicksal hinnahm; anders wie bei seinen zuvorigen Opfern. Doch es zögerte, welches Ende der Jäger erhalten solle. Welcher grausame Tod er zu spüren bekäme...

Der Mond stand nun höher über dem See. Sein Schein glitzerte auf der Wasseroberfläche, drang durch das eiskalte Wasser hindurch und warf den Schatten des Mannes auf den Grund des Sees.
Die Gestalt der verwesenden Person hinterließ hingegen jedoch keinen Schatten.
Plötzlich wandte es seinen Kopf der Spiegelung des Blutmondes auf der Oberfläche des Wassers zu. Dadurch riss er den Jäger aus seinem Traum.

Das Wesen vernahm ein Gespräch von zwei Männern hunderte Meter vom See entfernt wahr.
Der Jäger konnte weder sehen noch hören was die Gestalt bemerkt hatte und er begann sich zu fragen, wie es etwas vernommen hatte, denn an dem Punkt, wo sich normalerweise Ohren befanden, waren nur zwei ausgemergelte, blutrote Löcher und dort herum die Andeutung eines Ohrs, welche schon vor langer Zeit abgeschnitten wurden.

Der schmerzende Blick der Gestalt traf den Jäger so plötzlich, dass dieser in kurze Schockstarre verfiel. Diesen Moment nutzte das Wesen aus und drückte, mit beiden Zeigefingern fest auf die Schläfen des Jägers, der sogleich in sich zusammen sackte und gelähmt war.
Die verwesende Gestalt packte den Menschen an den Schultern und zog ihn an das Ufer des Sees, dorthin wo zuvor das Mädchen im weißen Kleid lag.
Das Wesen schnitt, mit einer messerscharfen Klinge, die aus dessen kleinem Finger der linken Hand ragte, eine tiefe Wunde durch die Bauchdecke des Jägers.

Mit diesem Blut malte es das Zeichen, welches der Jäger auf der Stirn des Mädchens bemerkt hatte -ein Herz mit Teufelshörner- auf die ausgebleichte Stirn des Menschens und verschwand.


A/N:

Heyy heyy, hat euch die Geschichte gefallen? Ich würd mich voll über nen Feedback freuen. Weil es sein könnte, dass ich vielleicht weiterschreib und deswegen erstmal schauen möchte wie gut der Prolog ankommt.
Lg

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 13, 2019 ⏰

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