„Hey, weißt du, was ich dir noch erzählen wollte?", fragte Judy mich herausfordernd. Wie üblich plauderte sie mich den ganzen Nachmittag zu, aber es war okay, schließlich war ich gut mit ihr befreundet. Wenn sie jetzt allerdings erwartete, ich könnte ihre Gedanken erraten, lag sie falsch. „Keine Ahnung."
„Du hast mir doch mal ein Foto von dem Neuen an eurer Schule gezeigt", begann Judy und ich nickte. Niklas Bouvier wohnte erst wenige Wochen in der Stadt und war bereits nach den ersten Schultagen zum Mädchenschwarm geworden. Er war cool, beliebt und gutaussehend.
Ich hatte mich darüber geärgert, dass alle nur noch von ihm sprachen. Inzwischen war er nur noch selten das Thema. Als ich Judy nach meinen ersten Erzählungen ein Foto von ihm zeigen musste, hatte sie nur gemeint, dass die Mädchen recht hatten.
„Niklas war sein Name, richtig?", sprach Judy weiter. Wieder nickte ich nur und beobachtete die beiden Jungen, die sich vor uns einen Übungskampf boten. Sie waren ganz passable Kämpfer. Der etwas Größere versuchte gerade, den anderen auf dem Boden zu halten, aber er entwischte.
Am Ende jedes Trainings mussten ein paar vor den Augen der anderen kämpfen. Ich hasste das, weil ich mich so beobachtet fühlte, aber angeblich konnten wir alle etwas lernen.
„Mimi?", fragte Judy. „Hörst du mir überhaupt zu?"
„Was? Ja, klar", antwortete ich automatisch. Judy kaufte mir das natürlich nicht ab und erzählte erneut: „Ich hab heute oben bei den IT-Räumen einen gesehen, der sah total wie dieser Niklas aus."
Ich schenkte Judy keinen Glauben. „Du hast dich sicher getäuscht."
„Kann schon sein, aber wenn nicht?" Judy musterte mich mit ihren klaren, blauen Augen. Ich bezweifelte ihre Aussage stark. Jemanden aus der normalen Schule hier im Betrieb zu treffen, war so unrealistisch. Die einzige Möglichkeit wäre, dass Niklas wie wir zu einem Geheimagenten ausgebildet werden würde, allerdings konnte das nicht sein. Dagegen sprach so viel.
Der Betrieb, ein unterirdischer Komplex im Industriegebiet, war nämlich eine streng geheime Agentenschule, die Judy und ich nachmittags nach dem normalen Unterricht besuchten.
„Du glaubst mir nicht", stellte Judy enttäuscht fest. Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern und antwortete: „Du würdest mir doch auch nicht glauben, wenn ich behaupten würde, dass dein Tom hier im Betrieb wäre."
Sofort errötete Judy und wippte unruhig von einem Fuß auf den anderen. Sie stand auf ihn, das war kein Geheimnis. Oft genug schwärmte sie von ihm. Jetzt konterte sie jedoch und fragte neugierig, weshalb ich Niklas mit ihrem Tom vergleichen würde. „Stehst du etwa auf ihn?"
„Nein", widersprach ich gleich und schüttelte den Kopf. Niklas war ein Macho, erklärte ich ihr, aber sie kicherte nur.
„Mädels! Hört auf zu quatschen", rief uns unsere Kampfsportexpertin zur Ruhe. Sie stand am anderen Ende der kleinen Turnhalle und hielt in der Hand eine Liste, auf die sie jetzt einen Blick warf, um mich dann auffordernd anzuschauen. „Mimi, du bist dran."
„Ach, ne", stöhnte ich, doch der Befehl war deutlich. Und hier wurde nicht widersprochen. Widerwillig ging zu der schlanken Frau mit dem Igelhaarschnitt, deren Codename XN war, die aber von allen Xenia genannt wurde. Dass sie wirklich so hieß, bezweifelte ich stark.
Es gab vieles, was man als Schüler nie über den Betrieb erfahren würde. Dass sich hinter der Schule noch ein richtiger Agentenbetrieb versteckte, wussten nicht viele aus meinem Jahrgang. Auch ich wusste nur sehr wenig darüber, denn meine Mutter, die hier in der Verwaltung arbeitete, hatte mir ein bisschen was verraten. Meine ganze Familie war im Betrieb beschäftigt: Mein Bruder und meine Schwester wurden wie ich zu Geheimagenten ausgebildet, während mein Vater zur Zeit auf geheimer Mission im Ausland war.
DU LIEST GERADE
Mimula Undercover
AcciónDer Alltag zwischen normaler Schule und Geheimagentenausbildung ist manchmal etwas schwierig zu meistern, besonders wenn sich der Traumtyp an die Klassenzicke ranmacht. Aber was ist noch Alltag, wenn der Vater aus einem Auslandseinsatz nicht mehr zu...