Es war okay

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Es war so schnell so viel schief gelaufen, dass es eigentlich kaum zu fassen war.
Ezra machte es ganz krank, wenn er daran dachte, was mit Alderaan geschehen war. Manchmal - wobei, momentan wohl eher meistens - war seine Gabe viel mehr ein Fluch als ein Geschenk. Er erinnerte sich in jedem Detail daran, wie es sich angefühlt hatte, als der Planet zerstört worden war. Wir könnte er auch nicht. So viel Schmerz und Leid. Lebewesen starben, ständig und überall, und das war der Kreislauf des Lebens, aber das war etwas ganz anderes gewesen. Für einen Moment war es gewesen, als habe jemand ihn zerrissen, und dieses Gefühl des Lochs in seiner Brust, dass diese vor ihrer Zeit aus dem Leben gerissenen Bewohner des Planeten verursacht hatte, schmerzte auch jetzt noch. Und das war nicht mal das schlimmste an der Sache. Nein... viel schlimmer war, dass er, seit sie vom Todesstern erfahren hatten, jede Nacht den gleichen Traum hatte. Geonosis.
Und damit eine bittere Wahrheit. Dass er es hätte wissen können. Dass das alles nicht hätte passieren müssen, und dass es zwar nicht ausschließen, aber auf alle Fälle unter anderem seine Schuld gewesen war, dass es passiert war. Er hätte es vielleicht verhindern können. Genau wie er Lothal hätte verhindern müssen.
Er war selbstsüchtig gewesen. So unglaublich selbstsüchtig, dass er seinen Planeten hatte brennen lassen. Dass er die Rebellion hatte bezahlen lassen. Und das alles, weil er Kanan nicht verlieren konnte.
Diese Visionen, die er gehabt hatte... Feuer, das Kanan umschloss... das hatte er nicht ertragen können. Und je häufiger das Gespräch auf die Lothal-Mission gekommen war, desto deutlicher waren die Visionen geworden. Der Entschluss, der darauf folgte, war unfassbar selbstsüchtig gewesen. Er hatte aufgehört, Lothal zur Sprache zu bringen. Das Ergebnis war ein brennender Planet gewesen... von Lothals einst so weiten Ebenen waren heute nur noch Feuer und Asche übrig. Außerdem hatten die auf Lothal produzierten TIEs den Tod einer Menge Rebellen herbeigeführt.
Er wusste, dass es seine Schuld war. Aber hätte er seine Entscheidung rückgängig machen können... er war sich nicht sicher, ob er es getan hätte. Kanan war am Leben. Er und Hera waren so unglaublich glücklich miteinander. Ihre kleine Tochter würde bald eine große Schwester sein. War das nicht etwas gutes? Was machte es schon, wenn er dafür ein wenig zerfiel?

Es klopfte an der Tür. Die Person, die davor stand, wartete aber gar nicht erst auf eine Antwort, bevor sie eintrat.
„Ezra?" Er hob den Kopf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Es war Sabine. Ihre Haare hatten seit einer geraumen Zeit wieder ihre Naturhaarfarbe und er war sich nicht sicher, ob er sich je an den Anblick gewöhnen würde. Aber er verstand, warum sie es tat. In der letzten Zeit hatte sich so viel verändert. Sie war so wenig noch sie selbst, wie er es noch warm und bei dem Gedanken kamen ihm wieder die Tränen. Auch wenn sie Fehler gemacht hatte... sie hatte all das nicht verdient. „Du hast geweint", stellte sie fest und setzte sich neben ihn.
Ihre Stimme war sanft. Es war nicht das erste mal, dass sie ihn so fand. Auch umgekehrt war es schon vorgekommen. Und er war der einzige Mensch, bei dem es ihr nichts ausmachte, wenn er sah, dass sie weinte.
„Ich-", versuchte er zuerst, zu widersprechen, aber ohne sehr großen Erfolg.
Das tat er anfangs häufig - es lag nicht daran, dass er ihr nicht vertraut hätte. Er wollte ihr bloß nicht zusätzlich zu ihrem eigenen Schmerz auch noch seinen aufhalsen. Sie unterbrach ihn sofort.
„Ich bin nicht blind, in Ordnung? Wir haben beide unser Päckchen zu tragen, aber glaub ja nicht, dass ich dir nicht mit deinem helfe, nur weil du stur bist. Du hilfst mir mit meinem schließlich auch, da ist das nur fair, meinst du nicht?" Dann nahm sie seine Hand. Es war für sie nicht schwer, zu erraten, woran er dachte. Weshalb er geweint hatte. Ihre Stimme beruhigte ihn, und das Prickeln von seiner Hand in ihrer lenkte ihn ein bisschen von dem Schmerz in seinem Kopf ab... von den Erinnerungen und den Schuldgefühlen und all den Toden, die gerade jetzt über Scarif passierten, und die er leider viel zu deutlich spürte. Wäre er nicht so am end gewesen, wäre er selbst geflogen... aber so abgelenkt, wieder war, hätte er sich damit bloß selbst umgebracht, und das letzte, was er wollte, war seinen Freunden... seine Familie, die er um jeden Preis beschützen wollte, durch seinen Tod Schmerz zuzufügen. Dann sprach Sabine weiter und riss ihn aus seinen Gedanken, wofür er unendlich dankbar war. „Ich weiß, dass es nicht okay ist. Dass es nie okay sein wird. Aber ich bin da, in Ordnung? Ganz egal was kommt." Er zwang sich zu einem Lächeln. „Nicht so, Ez. Schmerz hinter einem falschen Lächeln zu verstecken funktioniert nicht. Nicht bei jemandem, der dich schon so gut und so lange kennt wie ich. Man muss auch manchmal weinen dürfen. Es einfach in dich hinein zu fressen macht dich am Ende wesentlich mehr kaputt als es einfach rauszulassen. Glaub es jemandem, der immer den falschen Weg gewählt hat."
Sie lächelte ihn an, aber jetzt liefen auch ihr Tränen über die Wangen. Sie ertrug es nicht, ihn so zu sehen. Die Mandalorianerin wusste, dass er sich für vieles die Schuld gab, auch wenn es nichts ändern würde. Zaghaft rieb sie mit ihrem Arm über seinen, um ihn schließlich in eine feste Umarmung zu ziehen. Manchmal war es einfach wichtig, zu wissen, dass jemand da war, der einfach zuhörte und einem Halt gab. Und so weinte er eine Weile lang einfach nur stumm, den Kopf an ihren Hals gedrückt, und es störte sie überhaupt nicht. Sie war so, so unendlich froh, dass er nach allem, was passiert war, überhaupt noch bei ihr war. So oft waren sie schon so kurz davor gewesen, einander zu verlieren... aber es war nicht passiert, irgendwie hatten sie das alles durchgestanden. Und sie hoffte so sehr, dass sie das hier auch überstehen würden. Die Schuldgefühle, den Todesstern, den Krieg. Ezra hatte so viel durchgemacht... nach allem, was passiert war, verdiente er es, endlich wieder glücklich zu sein.
Zaghaft strich sie ihrem immer noch völlig aufgelösten Freund über die Haare.
„Danke. Dafür, dass du da bist", sagte er schließlich leise und umarmte sie, so fest es mit seinen zitternden Fingern ging.
„Jede Entscheidung hat Konsequenzen", flüsterte sie sanft. „Man trifft nicht immer die richtigen Entscheidungen. Aber wenn du etwas falsch machst, werde ich immer da sein, um dir wieder hochzuhelfen, damit du weitermachen kannst. Das verspreche ich dir."
„Was würde ich bloß ohne dich machen?", fragte er und seufzte.
Eigentlich wollte er das lieber gar nicht wissen. Er wollte sich keine Galaxis vorstellen müssen, in der er die Crew der Ghost nicht getroffen hatte.
„Wahrscheinlich jede Menge Blödsinn", erwiderte sie, während sie sich aus der Umarmung löste und tatsächlich konnte er ein klein wenig lächeln, als sie das sagte.
Wieder fuhr sie ihm durch die Haare, die ganz schön gewachsen waren, wie sie feststellte. Jetzt waren sie fast wieder so lang wie als sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
Danach saßen sie noch eine ganze Weile auf der Koje. Er hatte inzwischen seinen Arm um sich gelegt. Beide waren sich nicht sicher, ob sie den nächsten Tag überleben würden... aber wenn sie es nicht taten, waren sie in ihren letzten Stunden zusammen.
Sie beide waren durch den Krieg zerbrochen. Sie hatten Fehler gemacht, schreckliche Dinge getan und würden nie wieder die Menschen sein, welche sie vor dem Krieg gewesen waren. Dafür war viel zu viel passiert. Und es tat so unendlich gut, sich mal nicht verstellen zu müssen. In diesem Moment, in dem sie beieinander waren, war es okay, dass nichts okay war.

A/N: Okay, meine erste Anfrage ist damit umgesetzt, ich hoffe sie gefällt euch. Ich werde die Geschichten, die aus Anfragen entstanden sind, der Einfachheit halber immer den Personen widmen, von denen der Vorschlag stammte.
In jedem Fall hoffe ich, dass euch die Geschichte gefallen hat.

LG, Snips

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