Kapitel 12

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Kevin war jetzt seit 5 Minuten weg und zwischen Julian und mir herrschte ein peinlich bedrücktes Schweigen. Keiner von uns wusste, wie er sich verhalten oder was er sagen sollte. Aber Kevin hatte Recht. Wenn ich Julian eine Chance geben wollte, musste ich ihn kennen lernen, also machte ich den ersten Schritt: „War es eigentlich einfach für dich, einfach aus Deutschland und deiner Heimat zu gehen? Und dann auch noch in ein anderes Land, mit einer Sprache, die du nicht sprichst?" „Ähh... Also eigentlich war in dem Moment alles besser, als Wolfsburg. Und die Basics konnte ich. Ich hatte schließlich 4 Jahre Französisch, auch wenn ich eher schlecht war. Aber das schwerste war meine Familie. Ich bin nämlich ein totaler Familienmensch, musst du wissen, aber in Wolfsburg konnte ich nicht bleiben und deswegen hat meine Familie mich auch sehr unterstützt und mir beim Umzug geholfen. Und Kevin war natürlich auch eine große Hilfe für mich, wenn ich etwas nicht verstanden habe, hat er es mir erklärt." „Kevin ist schon ein toller Kerl. Seine Freundin muss echt glücklich mit ihm sein..." „Na ja, seine Freundin ist ehrlich gesagt, eine totale Zicke und zu nichts zu gebrauchen, Model halt. Die regen mich am meisten auf, diese dürren, zickigen Möchtegern Models. Ich finde, gerade Mädchen, die nicht dem Modelideal entsprechen und einfach natürlich sind, haben eine enorme Ausstrahlung." Irgendwie fühlte ich mich geschmeichelt, denn ich hatte definitiv keine Modelmaße. Ich würde nicht sagen, dass ich mollig war, aber ein paar Fettpölsterchen hatte ich schon und die haben mich in meiner Jugend auch echt fertig gemacht.

Ich wollte immer dünn und „perfekt" sein, hab ständig Diäten gemacht, wodurch ich nur noch mehr enttäuscht wurde, da sie immer den Jojo-Effekt mit sich brachten. Ich fühlte mich wertlos und nutzlos und schottete mich deswegen ganz von den anderen ab. Erst als Erik in mein Leben trat, hat sich meine Sichtweise komplett geändert. Er hat mich ermutigt und mir gezeigt, dass man nicht „perfekt" sein musste, sondern einfach ehrlich. Einfach Spaß haben und sein Leben leben. Sein englischer Freund, Cody, meinte immer: „Beauty comes from the inside" und er hatte vollkommend recht. Egal wie man aussieht, welche Kleidergröße oder Marke man trägt oder wie viel man wiegt. Ist man mit den richtigen Leuten zusammen zählt nur der Charakter. Und dann entstehen echte Freundschaften, die das ganze Leben einfach enorm bereichern, wie meine Freundschaft mit Erik. Wir hatten den gleichen Humor und Charakterzüge, wodurch wir viele Gemeinsamkeiten teilten und einfach ein unbesiegbares Team wurden.

„Wow... du wirst echt immer sympathischer. Ich meine heutzutage sieht man fast nur noch Fußballer, die mit Models zusammen sind und nie eine, die mal ein bisschen mehr auf den Rippen hat." Julian und ich redeten noch eine ganze Weile über dieses Thema und die gleiche Meinung verbündete uns irgendwie. Als es dann spät wurde, entschlossen wir uns noch etwas spazieren zu gehen. Es war schon etwas frischer und die Straßen von Paris waren wie leer gefegt. „Du zitterst ja total! Willst du meine Jacke haben?", fragte Julian etwas unsicher und ich nickte nur verlegen. Er zog seine Jacke aus, und legte sie um meine Schultern. Man roch die gut. „Danke", war das einzige, was ich in dem Moment von mir geben konnte. Als er mir die Jacke umlegte, sah er mein Durm-Trikot. „Du bist wohl Erik Durm Fan. Ich könnte dir seine Nummer geben, wenn du willst. Er hätte bestimmt nichts dagegen!" Ich musste heftig auflachen: „Die habe ich schon! Erik ist schließlich die wichtigste Person in meinem Leben und er bedeutet mir sehr viel." „Ist er... also seid ihr... ein Paar?" „Erik und ich? Nein, haha. Erik ist seit vielen Jahren, mein bester Freund und hat mir aus der einen oder anderen schweren Zeit geholfen, wofür ich ihm echt dankbar bin." „Oh man bin ich blöd. Das hätte ich mir auch denken können. Manchmal bin ich ein echter Fisch, was sowas angeht." Wir schlenderten lachend weiter durch Paris' Straßen, als er plötzlich meine Hand griff und seine Finger mit meinen verschränkte. Er lächelte mich unsicher an. Ich war total überfordert. 'Nein! Bitte nicht jetzt! Ich will ihn nicht enttäuschen! Das würde alles kaputt machen, aber ich konnte ihm jetzt auch keine Hoffnung geben. Es geht alles so schnell! ', sagte ich in Gedanken hektisch zu mir selbst. „Sorry ich kann das nicht. Noch nicht...", sagte ich leicht verlegen zu Julian und zog meine Hand aus seiner. Ich sah wie enttäuscht er war und wusste, dass er sich die Schuld gab. Wir liefen trotzdem weiter, schwiegen aber wieder. „Julian.... Ich... Es liegt nicht an dir. Wirklich. Aber ich kann dir einfach noch nicht sagen, warum. Ich muss damit erstmal selber klarkommen. Gib mir Zeit, dich besser kennenzulernen und gib mir Zeit, mich selber kennenzulernen. Du bist ein toller, sympathischer und lustiger Typ, aber im Moment kann ich das einfach nicht. Es liegt wirklich nicht an dir, also mach dir bitte keine Vorwürfe!" „Na gut, aber denk ja nicht, dass ich aufgeben werde. Du bist jetzt wie der Pokal im WM-Finale, den ich unbedingt haben wollte, und auch alles dafür getan habe! So schnell wirst du mich nicht los!", schmunzelte er. Julian brachte mich noch nach Hause und umarmte mich lang und herzlich, ehe ich durch die Tür ging und er aus meinem Sichtfeld verschwand.

In guten, wie in schlechten Zeiten (Julian Draxler FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt