Ein rhythmisches Piepen durchdrang meinen Kopf. Irgendwie war mir komisch. Ich fühlte mich so, so leer, auf eine komische Art und Weise. Ich konnte nicht genau sagen, was es war, aber es war da und es fühlte sich seltsam an. Mein Hals kratzte und fühlte sich voll an. Irgendetwas steckte in ihm und löste einen krankhaften Würgereiz aus. Ich hustete, bis das Gefühl verschwand. Jetzt durchdrangen auch Stimmen mein Gehör und ich begann zu blinzeln. Grelles Licht stieß mir direkt in die Augen. Wo zur Hölle war ich? Über mir erschien das Gesicht eines Mannes. Er hatte einen weißen Kittel an, also war er vermutlich Arzt, also war ich vermutlich in einem Krankenhaus. Ich hustete und beugte mich über. Noch im selben Moment hielt mir jemand ein Becher Wasser an den Mund, woraus ich einen kräftigen Schluck nahm. Ich blickte nach links, zu der Person, die mir den Becher gegeben hatte. Julian saß, mit Tränen in den Augen auf einem Stuhl neben meinem Bett und lächelte mich an. Ich erwiderte das Lächeln, ehe ich mich wieder auf den Arzt konzentrierte, der die ganze Zeit auf mich einredete. „Wie geht es ihnen, Frau Tuchel?" „Mir ist ganz komisch..." „Was meinen Sie?", Julian nahm meine Hand und drückte sie leicht. „Ich weiß nicht, ich fühle mich so leer...", der Arzt guckte zu Julian und dann wieder zu mir. Seine Miene verdunkelte sich. „Frau Tuchel, sie lagen knapp zwei Wochen im Koma, nachdem sie eine Notoperation durch standen haben. Es sah lange Zeit sehr kritisch aus, aber dank der Erstversorgung von Señor Mbappé und Señor Kimpembe haben sie es überstanden, auch wenn sie einige Verluste zu beklagen haben..." Verluste? Worauf wollte er hinaus? Was meinte er? Ich guckte verwirrt Julian an, welcher leicht weinte, sich jedoch die Tränen wegwischte. „W-welche Verluste?", fragte ich zaghaft und in diesem Moment spürte ich, was fehlte. Mein Bauch war um einiges kleiner und vor allem war er leer. „Frau Tuchel, Ihnen-" „Was ist mit meinem Sohn? Wo ist mein Sohn?" „Carly, lass ihn ausreden, bitte!", Julian drückte meine Hand fester. „Frau Tuchel, Ihnen wurden drei Mal in den Bauch geschossen, wobei ihr Sohn ums Leben kam. Er hat nichts gespürt. Es tut mir unendlich leid, Frau Tuchel!" Mir liefen nun auch die Tränen runter. Mein Sohn war bei einem Terroranschlag gestorben, während er in mir drin war. Und ich hatte überlebt. Diese komische Leere kam von ihm, der nicht mehr da war, wo er hätte sein sollen. Ich drehte meinen Kopf weg und zog meine Hand aus Julians. Ich wollte alleine sein. Ich wollte keinen sehen. „Gehen Sie bitte! Du auch Julian!" Julian schniefte und erhob sich. Ich hörte ihn noch „Ich liebe dich..." murmeln, ehe er den Raum verließ. Kaum war ich alleine, brach ich in ein bitterliches Weinen. Ich dachte an nichts. Ich weinte einfach. Ich weinte, bis meine Tränen versiegten und es nicht mehr zu ließen. Ich schlug die Decke beiseite und starrte auf meinen flachen Bauch. Es klebten drei kleinere Pflaster und ein langes auf ihm. Der lange schmerzte am Meisten, wenn man draufdrückte.Einerseits wollte ich alleine sein, andererseits brauchte ich seelischen Beistand. Ich guckte mich im Zimmer um. Es war ein Einzelzimmer auf der Intensivstation, so viel konnte ich feststellen. Neben mir entdeckte ich einen roten Knopf, auf den ich aus Instinkt draufdrückte. Keine drei Sekunden später betrat eine Schwester das Zimmer. „Was kann ich für sie tun? Ist alles in Ordnung?" „Können sie bitte Herrn Julian Draxler reinholen?" „Aber sicherlich!", sagte sie und kurze Zeit später betrat mein Freund das Zimmer. Während er auf mich zukam, rückte ich ein Stück beiseite, damit Julian sich neben mich setzten konnte. Ich streckte meine Arme aus und Julian schloss mich fest in seine Arme. Er hielt mich einfach fest und gab mir halt. Sein Herzschlag hatte, wie schon so oft davor, eine erstaunlich beruhigende Wirkung auf mich. „Wie geht es dir?", ich drückte mich ein Stück von ihm weg, schaute ihn an und wartete auf eine Antwort „Jetzt, wo du wieder wach bist, könnte es mir nicht besser gehen! Das waren die schlimmsten zwei Wochen in meinem ganzen Leben! Ich bin so froh, dass du wieder bei uns bist! Was hätte ich nur ohne dich gemacht?" „Was ist genau passiert und wie geht es den anderen?", ich wollte alles wissen, auch wenn es mir das Herz zerreißen würde. Julian erzählte mir, dass es ein Terroranschlag war, wobei 200 Menschen ums Leben kamen. Die Spieler stünden alle unter Schock und hätten erstmal Trainingsfrei. Einige mussten zum Psychologen und brauchten ärztliche Betreuung. Und dann kam er zu einem Thema, wo ich am liebsten wieder ins Koma gefallen wäre. „Julian, kannst du meinem Vater bescheid sagen, dass ich wach bin?" Ich guckte den braunhaarigen an. Er senkte seinen Blick, seine Augen füllten sich wieder mit Tränen und er musste heftig Schlucken. „Juli? Was ist los? Was ist passiert? Sag mir nicht das..." Julian nickte schuldbewusst. „Nein, nein, nein! Du kannst mir nicht sagen, dass mein Vater bei dem Anschlag ums Leben gekommen ist!" Er schniefte und wischte sich die Tränen weg. „Es tut mir so unendlich leid!" Ich blickte ihn an, in der Hoffnung, er würde Spaß machen, obwohl das kein Thema zum scherzen war. „Wie? Wie ist er gestorben? Und wann?" Julian konnte nicht mehr, dass sah ich, aber ich musste es wissen! Ich wiederholte mich in einem lauterem Ton, was sehr kräftezehrend war, denn ich war noch sehr schwach. „Man Carly! Er wurde erschossen! Die Täter sind aufs Spielfeld gerannt, wo er noch mit einigen Spielern war und da er der Erste war, wurde auf ihn geschossen. Die Jungs haben dann noch versucht, ihn zu reanimieren, aber ohne Erfolg...", Julian weinte und war mit den Nerven komplett am Ende. Er sagte noch etwas, aber ich hörte nicht hin. Mein ganzes Leben hatte sich in gefühlten Sekunden um 360 Grad gedreht. Ich hatte zwei meiner Jungs verloren... An einem verdammten Tag hatte ich meinen Sohn und meinen Vater verloren... Mein Kopf ratterte vor Gedanken; mir wurde schlecht und schließlich wieder schwarz vor Augen; ich hatte mein Bewusstsein zum zweiten Mal verloren.
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In guten, wie in schlechten Zeiten (Julian Draxler FF)
FanfictionCarlys Vater, Thomas Tuchel, tritt seinen neuen Job als Cheftrainer bei Paris Saint-Germain an und Carly entschließt sich, mit ihm nach Paris zu ziehen. Neue Leute, neue Stadt, neues Leben, erhofft sich die 21-Jährige.Wäre da nicht dieser Fußballer...