8.Kapitel

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*Layla*
In die Knie, Rolle, Strecksprung, auf die Seite,... "Rechts weg, nicht links, Layla! Konzentriere dich. Von vorne, los!" Seit bereits fünf Stunden jagte mich Eleanor so durch die Halle, doch ich war nicht bei der Sache. Dauernd geisterten mir die letzten zwei Tage durch den Kopf. Milans Nachricht, die Entführung, der Gefühlsausbruch auf der Gasse, die Flammen um mich bei Grace und schlussendlich Milans ausdrucksloses Gesicht, die Augen starr zur Decke gerichtet. Und ich hatte es getan. Ich hatte einen Light Fighter getötet. Das war gegen die Vorschriften. Warum bestrafte mich niemand? Warum wurden mir nicht die Kräfte entzogen, warum wurde ich nicht in Stücke gerissen und den Geiern zum Mittagessen verfüttert wie üblich? Stattdessen tauchte irgendeine Gucci bitch auf und behauptete, sie wäre vom Fighterrat. Und dann noch die Anführerin. Ich glaubte ihr kein Wort, ich kannte den Fighterrat. Und sie war definitiv nicht dabei. Sie alle waren düster gekleidet, zurückgezogen, redeten nur, wenn es nötig war. Niemals hätten sie jemanden wie Cristina überhaupt eines Blickes gewürdigt. Und eines war ja einmal total offensichtlich: Diese Frau war auf einem Machttrip. Und stand auf unserer Seite. Die erste Priorität des Fighterrates war Parteilosigkeit, wovon Cristina wohl nur träumen konnte. "Layla, was zur Hölle ist nur los mit dir?" Ich wollte nicht darauf antworten, ich konnte nicht. Stumm schaute ich auf den Boden, was Eleanor noch mehr entrüstete. "Du sollst mich anschauen, wenn ich mit dir rede! Hast du deine Manieren verloren? Du kannst dir keine Konzentrationspausen leisten, Layla. Wenn du das Gefühl hast, lieber einem Light Fighter nach zu trauern, ist da die Tür. So kann ich dich nicht gebrauchen." Entschlossen schritt Eleanor zum Ausgang. Schon wieder konnte ich meine Gefühle nicht unterdrücken. Tränen stiegen mir in die Augen, in mir brodelte alles. Alles nur wegen Milan und seinem Mr. Psycho. "Eleanor warte. So hab ich das nicht gemeint ii... ich... ich will bei dir bleiben. Ich bringe das hin, versprochen! Aber ich flehe dich an, lass mich bei dir bleiben." Die selbstbewusste Frau war stehen geblieben, ich versuchte, meine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen, monoton zu wirken, denn das war meine einzige Möglichleit, Eleanor davon abzuhalten, mich raus zu schmeissen. Eine unangenehme Stille verbreitete sich im Raum, ausdruckslos blickte Eleanor mich an. "Zeig es mir", waren Eleanors einzige Worte, mit denen sie mir ein Messer in die Hand drückte und ging.
Ich atmete tief durch. Gerade noch davon gekommen. Aber wie konnte ich nur so naiv sein und denken, Eleanor würde mich damit verschonen. Ich wusste, was das Messer bedeutete. Ich würde das hinbringen. Mein ganzes Leben hatte ich nichts anderes getan, es gehörte zu meinem Tagesablauf. So wie andere assen, studierten, schliefen, tötete ich eben. "Es ist keine grosse Sache. Du gehst hin, lauerst und erstichst. Das wars", redete ich mir selbst Mut ein. Ich schaute auf das Messer in meiner Hand und strich sanft über die scharfe Klinge. Vor dem Griff spürte ich einen Widerstand und stutze. Beim näheren Hinsehen bemerkte ich einige Einkerbungen. Sie ergaben einen Namen: Katy M.
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Es handelte sich bei diesem Opfer nicht um irgendein Kind, sondern um die beste und einzige Freundin an der Schule von Grace. Das Zeichen war nicht übersehbar. Sie hatten es erfahren. Eleanor wusste von meinem Kontakt zu Unwissenden, wie wir die Menschen ohne übermenschliche Kräfte nannten. Grace war ab jetzt in Gefahr. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis mir der Auftrag ihres Todes in die Hände gelegt wurde und eines war klar, wehren hatte nur meinen eigenen Tod zur Folge und retten würde dies Grace auch nicht, denn wenn ich es nicht tat, dann mein Nachfolger.
Ich konnte ihren Tod jedoch etwas nach hinten schieben, indem ich mich an die Anforderungen von Eleanor hielt. So hätte ich zudem eine Chance, Grace zu sehen und zu warnen. Denn Eleanor liess mich seit den letzten Tagen nicht mehr ohne Auftrag aus dem Haus, die Eingänge wurden streng überwacht und mein Handy hatten sie zerstört.
Ich ging in mein Zimmer, holte meine schwarze Jacke und wollte schon die Zimmertür hinter mir zumachen, als mein Blick zum Spiegel schweifte. Ich durfte das niemals offen zugeben, aber ich fühlte mich schuldig. Milan hatte mich verändert, mich verletzbar gemacht. Aber seltsamerweise empfand ich es nicht als negativ, Emotionen wahrnehmen zu können. Eher befreiend. Als mir klar wurde, was mir durch den Kopf ging, schüttelte ich entgeistert den Kopf. Ich musste diese Gedanken wegbringen, sie hatten einen schlechten Einfluss auf mich als Shadow Fighter. Ich durfte nichts fühlen, wenn ich tötete, ansonsten würde es sowohl für mich als auch für das Opfer eine riesige Qual. Ich löste meinen Blick vom Spiegel, indem ich soeben mein verletzliches Ich erblickt hatte, schloss die Tür hinter mir und klappte das GPS auf, das Eleanor mir zu meinem neunten Geburtstag geschenkt hatte. Darauf war jeweils immer die gesuchte Person abgebildet, womit es ein leichtes Spiel wurde, das Opfer zu finden. Dazu bekam ich normalerweise immer einen Ordner mit allen nötigen Informationen zu der Person. Ihre Ängste, mit wem sie unterwegs waren, ihren Terminkalender etc. Bei Katy war jedoch keiner dabei. Wofür auch, ich kannte sie durch Grace' Erzählungen gut genug und das wusste Eleanor. Ich zoomte die Karte auf dem GPS heran, um genau deuten zu können, wo sich Katy gerade befand. North Hallon Street. Na dann mal los. Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht und vergrub meine Hände, welche jeweils ein Schmetterlingsmesser umgriffen, in meine Jackentaschen. Keine Ahnung ob das heute gut laufen würde. Als ich in der gegenüberliegenden Strasse der North Hallon Street ankam, hörte ich bereits Stimmen. Nicht irgendwelche. Vertraute Stimmen, ihre Stimmen.
Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Ich würde das hinbringen.
Leise schlich ich den Hauswänden entlang.
Ich spähte um die Ecke und sah, wie sich Grace und Katy gerade von einander verabschiedeten und in verschiedene Richtungen davon liefen. Jetzt oder nie. Ohne weiter nach zu denken zog ich meine Kapuze übers Gesicht, rannte lautlos auf Katy zu, hielt ihr meine eiskalte Hand vors Gesicht stach ihr mein Messer in den Rücken. Was ich dann sah, war das Schrecklichste, Schmerzhafteste, was ich jemals vor Augen bekommen hatte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 28, 2020 ⏰

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