ZÜMRA
"Wo die Einsamkeit aufhört, da beginnt der Markt; und wo der Markt beginnt, da beginnt auch der Lärm der großen Schauspieler und das Gewirr der giftigen Fliegen."
Friedrich Nietzsche
„Ich habe heute aus Verzweiflung etwas gemacht, wofür ihr mich wahrscheinlich verurteilen würdet", las ich wieder in Azads Notizbuch. „Ich habe euch auf meinem Körper verewigt", wie ein Blitz traf mich dieser Satz und ich dachte verzweifelt nach, ob ich jemals ein Tattoo auf Azads Körper wahrgenommen hatte. „Die Platane mit der Schaukel aus deinem Garten ziert meinen rechten Unterarm, Dede", die Skizzen der Tattoos neben den niedergeschriebenen Worten erleichterten mir die visuelle Vorstellung. „Anneanne, erinnerst du dich daran, dass ich dich meinen Berg zum Anlehnen genannt hatte? Im Andenken an dich habe ich mir einen Berg auf Höhe meines Herzen tätowieren lassen", die EKG-Kurve, die durch den Berg verlief, verschönerte die an sich wunderschöne Idee nochmals. „Fatih, ich habe einen Spruch gefunden, der uns perfekt beschreibt und habe ihn an meinem rechten Handgelenk verewigt. We only part to meet again... So ist es doch, oder?", Azads Verzweiflung war aus den Zeilen herauszulesen und bereitete mir eine Gänsehaut.
„Bevor ihr mich verurteilt: ich habe heute Nacht wieder von eurem Tod geträumt, gegen Mittag haben wir uns dann mit meinem Vater gestritten. Und am Abend hat mir Leyla freudig erzählt, dass sie und Can zusammengekommen sind. Der Schmerz in meiner Brust war unermesslich, die Stiche der Tattoos haben mir den seelischen Schmerz für einen Moment genommen. Auch die Idee euch für immer bei mir zu haben war so attraktiv, so dass ich mit einer Schnapsidee beim Tätowierer aufgetaucht war."Die Klingel hielt mich vom Weiterlesen ab und seufzend erhob ich mich von meinem Sessel. Bisasam, der die ganze Zeit über auf meinem Schoß zu schlafen versuchte, stand mit meiner Bewegung ebenfalls auf und folgte mir in den Flur. Durch die Sprechanlage konnte ich die Person an der Tür nicht identifizieren und hoffte inständig, dass mir nichts peinliches widerfahren würde.
„Überraschung", zogen die Ünal-Schwestern das Wort in die Länge und grinsten mich über beide Ohren an. Fragend blickte ich sie an und brachte sie zum Kichern. „Wir haben den Auftrag bekommen, dich unter Menschen zu mischen. Wir müssen für eine Verlobung einkaufen", fing Mislina an und streifte sich die Schuhe von den Füßen ab. „Und wir haben beschlossen, dass du mit uns in die Stadt kommst" , fuhr Mihriban fort und machte es ihrer Schwester nach.
„Azad?", fragte ich, um sicher zu gehen, wer ihnen den sogenannten Auftrag gegeben hatte, und bekam nur noch zustimmendes Nicken der Mädels. „Oh mein Gott, das ist ja eine süße Katze", rief Mislina erfreut und kniete sich auf den Boden und strich Bisasam über den Rücken. Leise murrend gab er ihr zu wissen, dass ihm ihre Berührungen gefielen. „Mädels, das ist Bisasam mein neuer Mitbewohner", grinste ich und blickte mein Baby an. „Und Schatz, das sind Mihriban und Mislina", sprach ich zu meinem Kater und nahm ihn auf den Arm. Er hatte sich in den letzten paar Tagen so sehr an mich gewöhnt, dass er immer wieder versuchte auf meinen Schoß zu kommen. „Ihr könnt euch gerne etwas zu trinken holen, die Küche ist gleich hier", ich zeigte in die Richtung meiner Küche. „Ich mache mich kurz fertig", erklärte ich, setzte Bisasam auf dem Boden ab und verschwand hinter der Tür meines Schlafzimmers.
Gekleidet in einer schwarzen Jeans, einem grauen Oversized-Hoodie und einer Jeansjacke verließ ich mein Zimmer und lief ins Wohnzimmer, wo ich die Mädels zurückgelassen hatte. „Schön siehst du aus", lächelte Mihriban und stand dabei auf.„Bisasam, ich bin jetzt ein wenig draußen", flüsterte ich meinem Kater zu und strich ihm nebenbei über den Rücken. Nachdem ich mich von meinem Kater verabschiedet hatte, zogen wir uns unsere Schuhe an und liefen zum Aufzug um anschließend in die kalte Novemberluft zu treten.
Die Bahnfahrt mit den Mädels verlief unterhaltsam, sie eröffneten ständig neue Gesprächsthemen, sodass wir die zwanzigminütige Fahrt in gefühlten fünf hinter uns hatten.
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Fels in der Brandung
Teen FictionZwei zerstörte Seelen, die aufeinandertreffen. Die sich gegenseitig heilen. Zümra und Azad. Man sagt Liebe sei das Aufeinandertreffen von zwei Seelen, die gegenseitig all ihre guten und schlechten Seiten akzeptieren und bereit sind alles füreinander...