25 | Der erste Satz [S]

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Ihr Lieben,

Vielen Dank erst einmal für eure ganzen Kommentare zu dem letzten Kapitel. Ich liebe es, mich mit euch auszutauschen, denn dadurch lernt man noch einmal so viel mehr über das Schreiben und andere Sichtweisen, was sicherlich für alle von uns vorteilhaft sein kann.

Heute kommen wir zu einem wahrscheinlich etwas kürzeren Kapitel, denn es wird sich bloß um einen Satz drehen. Nicht irgendeinen Satz eurer Geschichte natürlich, sondern einen der beiden Wichtigsten. Nämlich den allerersten Satz überhaupt, der in eurem Buch geschrieben wird.

Der erster Satz einer Geschichte ist zweifelsohne ein besonderer, ist er doch in der Lage, eure Leser neugierig zu machen und zum Lesen anzuregen, während er schlimmstenfalls auch das Gegenteil erreichen kann. Ist er nicht ansprechend genug, neigen einige Leser dazu, die Geschichte wieder zu verlassen, ohne überhaupt in die Wunder eurer Story einzutauchen. Unterschätzt also bitte nicht die Macht des ersten Satzes.

Ein erster Satz hat unbewusst eine solch große Wirkung, die ihr euch immer wieder ins Gedächtnis rufen müsst.

Nehmen wir beispielsweise Harry Potter, dessen allererster Satz lautet: „Mr und Mrs. Dursley im Ligusterweg Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar." (Joanne K. Rowling: Harry Potter und der Stein der Weisen). Kein gewöhnlicher Satz, aber auch irgendwie kein außergewöhnlicher, dachte ich immer. Doch dann habe ich Harry Potter auf Spanisch begonnen und sobald ich auch nur die ersten drei Wörter gelesen habe, hat mein Gehirn den Satz automatisch auf Deutsch ergänzt. Er hat also genau das erfüllt, wofür ein erster Satz stehen soll: Er ist mir im Gedächtnis geblieben, jahrelang.

Wenn man Google besucht, dann kann man unweigerlich den ersten Satz jedes Klassikers herausfinden, was widerum zeigt, wie viel Bedeutung diesen allerersten Wörtern zugesprochen wird.

Während es mir erstaunlicherweise sehr leicht fällt, letzte Sätze zu schreiben, stellt mich der allererste Satz bei jeder neuen Geschichte doch wieder vor neue Herausforderungen. Denn es ist eine so große Hürde, die Leser zu begeistern und ich bin sicherlich niemand, der die Weisheit darüber gänzlich begriffen hat. Doch im Folgenden werde ich einfach das Erzählen, was mir persönlich wichtig ist. Wie immer gilt natürlich: Keine Allgemeingültigkeit.

Für mich zählt zu dem ersten Satz übrigens meistens genau genommen nicht nur ein einziger Satz, sondern die ersten Sätze, die man nutzen kann, um den Leser zu fesseln. Der Beginn einer Geschichte, um es allgemeiner zu fassen.


Wie genau sollte ein erster Satz also aussehen?

Wichtig ist natürlich, dass es nicht den ersten Satz gibt, denn das wäre auch langweilig. Jede Geschichte gleich starten zu lassen, wird die Neugierde und Spannung sehr schnell wegwischen. Viel wichtiger ist es somit, dass der erste Satz perfekt zu der Geschichte passt. Er hat eine Hauptaufgabe: Die Neugierde des Lesers zu wecken und ihn zum Weiterlesen zu bringen.

Wenn ihr also nach eurem perfekten ersten Satz sucht, dann denkt euch in die Geschichte ein, versucht euer Genre zu verstehen und eure Leser zu fesseln. Stellt euch immer die Frage, welches Gefühl der erste Satz auslösen soll und welche Stimmung er in den Lesern weckt. Schreibt probeweise ein paar Sätze zur Auswahl auf, bis irgendwann der eine kommt, der euch wie der Blitz treffen wird.

Ich muss ehrlicher Weise gestehen, dass mich die meisten ersten Sätze berühmter Klassiker, die ich zur Recherche dieses Kapitels gelesen habe, in keiner Weise angesprochen haben. Sie hätten mich nicht zum Weiterlesen bewegt, sicherlich doch einen anderen Teil der Bevölkerung. Und ich denke, dass das sehr viel aussagt. Ich lese für gewöhnlich nicht gerne Klassiker, dementsprechend bin ich auch nicht die Zielgruppe der Autoren gewesen. Daraus kann man schlussfolgern, dass euer erster Satz zu eurem Genre und auch der Targetgroup passen muss. Schreibt nicht einfach einen berühmten ersten Satz um, weil das erstens Plagiat ist und zweitens wahrscheinlich total unpassend für eure Geschichte endet – Ihr tut euch damit keinen Gefallen.

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