Chapter 20

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Ich lag auf der Wiese und eine Träne nach der anderen kullerte über meine Wange während ich das Telefonat mit meinen Eltern beendete und Lily anrief.
"Hey Hanna. Schön das du dich meldest. Ich dachte schon du lebst nicht mehr. Wie geht es dir? Was gibt es neues?" plapperte Lily los. Schön, dass es ihr gut geht. "Es gibt viel neues. Ich hab dir ja von dem Vorfall mit meinen Beinen berichtet. Naja jedenfalls hatte ich vorgestern mitten in der Nacht die schlimmsten Schmerzen meines Lebens. Mein Bein hat weh getan. Zuerst war ich überrascht, weil ich plötzlich was spürte, aber es war so unerträglich. Und Lukas die Sau schläft wie ein Stein. Ich habe bestimmt fünf Kissen nach ihm geworfen und ihn fast angeschrien. Ich hatte es schon aufgegeben und hab versucht einfach weiter zu schlafen, was aber nicht ging. Irgendwann war dann auch Lukas wach und dann ging alles ganz schnell. Wir sind ins Krankenhaus und mir wurden unzählige Fragen gestellt und bla bla bla. Die Ärzte haben mich so genervt. Ich wollte einfach, dass sie mir die Schmerzen nehmen. Jedenfalls haben sie mich dann operiert und..."
"Moment, halt mal die Luft an. Du wurdest operiert und kein Schwein hat mir bescheid gesagt?" unterbrach Lily mich. "Ich sitze hier, langweile mich zu Tode und stelle mir vor, wie du und Lukas den Spaß eures Lebens habt und jetzt erfahre ich das du operiert wurdest?!" Ich wischte mir über mein tränennasses Gesicht und sagte: "So leid es mir tut, aber ich war mit anderen Dingen beschäftigt als dich zu informieren. Klar Lukas und Luis hatten genug Zeit, aber ich vermute die haben sich um andere Dinge gekümmert." Lily lacht leicht. "Ja ich weiß doch. War ja auch nicht wirklich ernst gemeint, aber jetzt erzähl weiter. Die Geschichte ist spannend. Warte ich hole schnell Popcorn." Ich konnte sie fast vor meinem inneren Auge Lachen sehen. Auch ich lächelte. "Naja ich wurde operiert, weil ein Nerv in meinem Bein eingeklemmt war und ich das die ganze Zeit nicht gespürt habe. Gerade jetzt wo ich das Gefühl langsam immer mehr wieder bekomme spüre ich es halt. Jedenfalls muss ich jetzt jeden Abend irgendwelche Übungen machen die den Muskelaufbauprozess unterstützen sollen und dann muss ich zur Ergo und dann zum krönenden Abschluss eine Reha. Geil was?" endete ich. "Wie und das heißt, dass du jetzt laufen lernst?" fragte Lily nach. "Ja so in der Art. Natürlich dauert das. Erstmal fange ich an sie eigenständig bewegen zu können und dann muss ich stehen können. Und dann kommt erst laufen. Also vermutlich dauert das noch ein halbes Jahr." Ich fühlte mich wie ein Arzt der einer Patientin alles erklärt. Nur das ich selber die Patientin bin. "Oha. Respekt Mäuschen. Ich glaube ich würde dran verzweifeln. Wie fühlst du dich gerade? Wie gehst du damit um?" fragte sie. "Ich bin überfordert. Aber glücklich. Ich bin vorhin fast an Tränen ertrunken." lachte ich. "Es ist erstaunlich wie schön sich Gras anfühlen kann. Oder ein weicher Teppich. Oder..."
"... Lukas Arm wenn er dich trägt?" unterbrach Lily mich. Ich gab ein überaus komisches kichern von mir, was nicht von mir zu kommen scheint. Dann fing ich richtig an zu lachen. Auch Lily stieg in mein Lachen mit ein.
Wir redeten noch ein paar Minuten und beendeten das Gespräch. Die letzten Tränen waren endgültig versiegt und ich lag einfach da, starrte in den Himmel und lauschte dem Wind wie er durch die Blätter rauschte.

Irgendwann schloss ich die Augen und schlief ein.
Wenig später wurde ich wieder wach als eine Person sich neben mich legte. Ich blinzelte um mich an die Helligkeit zu gewöhnen und drehte dann den Kopf um zu sehen wer sich neben mich gelegt hat. Lukas lag da, die Augen zu und inhaliert die frische Luft. Ich lächelte und zog mich näher zu ihm und legte meinen Kopf auf seine Brust. Er legte seinen Arm um mich und ich lauschte seinem Herzschlag, der unnormal schnell war. Auch seine Atemzüge waren unregelmäßig. "Alles okay bei dir?" fragte ich Lukas. "Ja, wieso?" stellte er die Gegenfrage. Ohne ihn anzusehen wusste ich, dass er die Augenbrauen hochgezogen hatte. "Naja... Du atmest unregelmäßig und dein Herz schlägt unnormal schnell..." antwortete ich. "Ja, aber das hat nichts mit meinem gesundheitlichen Zustand zu tun" nuschelte er. "Aber wie geht es dir?" fragte er schnell weiter, sodass ich nicht weiterfragen konnte. Auch wenn ich die Antwort auf meine eigene Frage schon wusste, wollte ich es nochmal aus seinem Mund hören.
"Mir geht es gut. Jap. Es geht mir sehr gut." Ich liege hier mit dem Mann meiner Träume und alles scheint gut zu laufen. Warte! Hab ich das gerade wirklich gedacht? "Ich bin glücklich wenn du glücklich bist." sagte Lukas und lächelte zufrieden. "Weißt du, ich hab mir gedacht, dass wir vielleicht... naja..." Er überlegte kurz bevor er weiter sprach. "Ein Kumpel von mir ist Christ und geht in eine freikirchliche Gemeinde ganz in der Nähe hier und da morgen Sonntag ist, hat er gefragt ob ich vielleicht mal vorbei kommen will und du bist auch herzlich eingeladen. Naja ich weiß nicht wie du zum Glauben stehst, aber ich würde einfach aus Neugier mal hingehen. Ich mein wenn du nicht willst, dann müssen wir auch nicht, aber" er sprach nicht weiter. "Wir können gerne hingehen. Ich bin christlich erzogen worden und bin deshalb mit dem Glauben vertraut. Ich war aber schon lange nicht mehr in einer Gemeinde." sagte ich. "Ich hatte noch nie wirklich viel mit Glauben und Gott und so zu tun, aber jetzt interessiert mich das irgendwie. Also ich meine, was ist wenn all das was in der Bibel steht wahr ist. Rein logisch betrachtet würde es für mich keinen Sinn machen ein dickes Buch mit Lügen voll zupacken. Ich glaube, dass es wirklich etwas oder eher jemanden gibt, der einfach eine viel Höhere Macht hat." Ich nicke langsam. Er scheint sich wirklich Gedanken dazu gemacht zu haben.
Ich wollte gerade etwas sagen, als Birgit raus kam. Als sie uns so liegen sah schmunzelte sie und ich nahm meinen Kopf von Lukas' Brust. Es fühlte sich so an als würde jetzt irgendwas fehlen. "Kommt ihr zwei rein? Das Essen ist fertig." sagte Birgit und verschwand auch gleich wieder. Lukas lächelte mich an, stand auf und hob mich hoch. Ich spürte seinen Arm in meiner Kniekehle. Es war ein schönes Gefühl und ein kribbeln durchzog meinen ganzen Körper. Ich weiß nicht ob das an der Freude liegt, weil ich etwas spüre oder an Lukas.

Nach dem Essen setzten wir uns auf den Steg und hielten unsere Füße ins Wasser. Das lauwarme Wasser entspannte meine verkrampften Füße und ich wackelte glücklich mit den Zehen. Je öfter ich das machte, desto leichter viel es mir.
Das war so ein Moment, an dem ich gerne Gedanken lesen gewollt hätte. Es herrschte Schweigen, aber kein unangenehmes. Wir sahen der Sonne beim Untergehen zu und genossen die Atmosphäre.



Kiss me (Lukas Rieger FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt