Alice: How long is forever?
White Rabbit: Sometimes, just one second.
- Lewis CarrolEine Woche später hatte ich immer noch nicht mit Lyn geredet. Irgendwie hatte sie chronisch keine Zeit für mich. In den Pause hang sie mit Kyle und den Jungs herum, nach der Schule machte sie sonst was. Jedenfalls vermisste ich sie und zerbrach mir den Kopf, warum sie sich nicht mehr bei mir meldete. Dafür hatte ich Nummern mit Beth getauscht, manchmal traf ich sie in der Bücherei und wir hatten auch einige Kurse, in denen ich neben ihr saß. Ich biss mir leicht auf die Lippe und schrieb die letzten Notizen von der Tafel an. Wenige Momente später klingelte es auch schon zur Mittagspause.
Endlich ich war erlöst!
Entspannt mischte ich mich unters Schülervolk und wich Ellenbogen aus, was in der High School so gut wie immer unvermeidlich war. Ich steuerte geradewegs auf meinen Spind zu und sah Lyn dort stehen. Sie lehnte gegen den Spind daneben und schien zu warten. Ich verlangsamte meine Schritte und blieb dann etwas unschlüssig neben ihr stehen.
"Ehm hey", meinte sie und strich sich eine Locke hinters Ohr. Sie tat ja gerade so, als hätten wir uns Wochen nicht mehr gesprochen und nicht nur eine. Klar, ich war enttäuscht gewesen, dass sie mich auf der Party einfach links liegen gelassen hatte, doch hatte ich es ihr nicht wirklich gesagt, was sie ja auch nicht wissen musste. Ich mochte keinen Streit.
"Hey Lyn, wie war die Woche so?", fragte ich sie, öffnete meinen Spind und legte meine Bücher rein. Mein Blick glitt zu ihr, während ich den Spind wieder schloss und mich mit der Schulter dagegen lehnte. Lovelyn sah mich an und kniff kurz die Augen zusammen, als hätte sie ein Recht genervt zu sein.
"Wieso hast du dich nicht gemeldet?",fragte sie gerade heraus und verschränkte die Arme vor Brust.
"Ich habe mich nicht gemeldet? Du dich auch nicht, Lyn", erwiderte ich ruhig und schaute sie immer noch an. Ich musste langsam los. Der Flur leerte sich immer weiter.
"Naja, eine Freundschaft kommt ja wohl nicht nur von eine Seite. Ich habe halt viel mit Kyle gemacht", sagte sie dann lächelnd und biss sich auf die Lippe um ihre Freude zu unterdrücken.
"Ich muss mit dir auch noch reden. Und zwar genau wegen Kyle, Lovelyn. Ich meine es wirklich ernst und wollte dir das schon bei der Party sagen. Er ist nicht gut für dich", platzte ich heraus und mied dann für einige Momente den Augenkontakt, ehe Lyn die Stimme erhob.
"Wie meinst du das bitte? Ich bin doch glücklich mit ihm und das ist einfach unglaublich, dass das so gut bei uns läuft. Ich hatte das niemals erwartet. Warum machst du mir das Glück jetzt kaputt?", fragte sie und zog ihre Augenbrauen gereizt zusammen. Dabei wollte ich ihr doch nur helfen. Schon wieder fühlte ich mich schlecht. Erst habe ich es ihr nicht direkt erzählt und jetzt zerstör ich also ihr Glück.
Zögernd sah ich sie an und biss mir auf die Unterlippe. Sie machte eine Kopfbewegung, die mir bedeutete, dass ich mal anfangen sollte zu reden. Ich atmete einmal durch.
"Er ist nur wegen einer Wette mit dir zusammen."Stille. Sie sah mich einfach nur an und schien wie in eine Art Starre verfallen zu sein. Ich schaute ihr vorsichtig in die Augen und versuchte den Kloß in meinem Hals los zu werden, der sich durch die ganze Anspannung gebildet hatte. Lyn schnaubte plötzlich amüsiert an und warf die Hände in die Luft.
"Ich glaub's nicht. Willst du mich jetzt ernsthaft verarschen, Heaven? Bist du etwa eifersüchtig darauf, dass ich einmal glücklich bin?!", warf sie mir vor und lachte ungläubig auf. Lovelyn stemmte die Hände in ihre Hüfte und sah mich fassungslos an. Meine Kehle schnürte sich zu.
"Eifersüchtig? Ich will dich beschützen, Lyn. Du bist mir einfach wichtig und ich kann's nicht mit ansehen, wenn jemand mit dir spielt", erwiderte ich etwas impulsiver und ballte meine Fäuste ganz leicht. Lovelyn schüttelte nur grinsend den Kopf.
"Gib es doch wenigstens zu. Glaubst du nicht, ich sehe nicht, wenn du mich und Kyle angeschaut hast oder immer auf den Partys warst du doch immer abseits und hast mich angeschaut. Ich kann mir das echt nicht geben, Heaven. Du bist sowas von selbstsüchtig!", rief sie wütend und schulterte ihre Tasche noch einmal ehe sie zum Ausgang ging.
Ich fühlte mich hundeelend. Das wollte ich ja nicht. Natürlich hätte ich mich melden können. Ich könnte mich selbst schlagen. Warum hatte ich nicht daran gedacht mich bei ihr zu melden? Ich presste meine Lippen fest aufeinander, um meine Tränen zurück zu halten und kniff dabei auch meine Augen kurz zusammen. Ich war müde für alles Verantwortung zu tragen und immer wieder dafür einstecken zu müssen. Ich hatte die Nase gestrichen voll mich um alles zu kümmern und das nicht nur bei meinen Freunden. Auf einmal fühlte ich mich einfach ganz klein und allein. Doch ich musste stark bleiben. Ich ließ mich an den Spinden runter sinken und starrte gegen den Boden. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und überlegte krampfhaft, was ich machen konnte.
Vielleicht sollte ich Lyn für einen geraumen Zeitpunkt einfach in Ruhe lassen und einfach abwarten, ob sie sich irgendwann abgeregt hatte. Ich leckte mir über meine Lippen und stand dann langsam wieder auf. Manche Menschen schafften mich echt.
Eigentlich würde ich jetzt nach Hause fahren, da mein Bus jetzt aber schon abgefahren war, würde ich diese Stunde nun wohl oder übel auf den nächsten Bus warten müssen. Ich spazierte immer noch niedergeschlagen zur Schulbibliothek und setzte mich dort in meine Lieblingsecke. Davor hatte ich mich noch mein Lieblingsbuch geholt und machte mir Kopfhörer in die Ohren. Ich machte Lindsey Stirling an. Ihre Musik faszinierte mich irgendwie und ich konnte auch gut dazu lesen oder generell Dinge tun.
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"Hey du, wach auf", brummte eine männliche Stimme und rüttelte nicht gerade sanft an meiner Schulter. "Wegen dir werde ich noch gekündigt. Die Bibliothek hat schon seit einer halben Stunde geschlossen", zischte er.
Verschlafen schaute ich auf und sah in das Gesicht eines braunhaarigen Jungens, der mich mehr genervt als freundlich anschaute. Ich sah auf mein Handy und riss die Augen auf.
"Verdammt, mein Bus", rief ich und wurde auf der Stelle rot, als ich realisierte, wie laut ich gerade war. Er musterte mich aus seinen sturmgrauen Augen und grinste leicht spöttisch. Blitzschnell stand ich auf und schob mich an ihm vorbei, ehe ich den Flur entlang rannte zur Bushaltestelle."Man sieht sich, Lyns Schatten", rief der fremde Junge mir hinterher und lehnte lässig an einem Regal. Das er sich nicht irgendwie weg bog oder sonstiges war echt ein Wunder. Ich wollte damit nicht behaupten, dass er fett war. Die Regale waren ganz einfach steinalt.
Gerade noch rechtzeitig kam ich an der Bushaltestelle an und seufzte leise, als ich dann im Bus. Früher hatte mich immer Lyn mitgenommen. Waren die Zeiten nun vorbei?
Eine halbe Stunde später hielt der Bus ein paar Straßen weiter von meinem zu Hause. Ich stieg als einzige aus und suchte erstmal noch an der Haltestelle meine Kopfhörer. Zu meinem Missfallen stellte ich fest, dass sie nicht mehr da waren. Heute konnte der Tag echt nicht noch schlimmer werden. Ich hatte sie in der Bücherei vergessen, verdammt.
Missmutig ging ich die fünf Minuten ohne Musik und schloss komplett entnervt die Haustür auf. Drinne war es ruhig. Schon wieder so kalt und einfach nur leblos. Ich ließ meine Tasche fallen und kam dann ins Wohnzimmer, wo meine Mom gerade neues Wasser in die Blumen machte, da ihr die Blumen ja so wichtig waren. Als ich rein kam, drehte sie sich um und hatte nicht wie immer diesen entschuldigenden, warmen Blick in ihren Augen, sondern eher einen wütenden ja fast schon wütenden Ausdurck.
"Setzen", meinte sie nur. Ich setzte mich prompt und war wie vor den Kopf gestossen. Was war passiert? Seit wann zeigte meine Mom so etwas wie Wut? Ich war so verwirrt, dass ich erstmal gegen unser Familienbild starrte, wo wir alle noch glücklich waren. Wir Vier.
Meine Mom kam wieder rein und setzte sich mit kühler Miene hin.
"Erklär mir das", meinte sie und reichte mir einen Brief.
Adressiert an meine Familie. Ich sah sie zögernd an und hatte nicht die geringste Ahnung, was zum Teufel eigentlich los war. Nur, dass heute definitiv nicht mein Tag war, lag wohl auf der Hand.---
Viel Spaß beim Lesen!
Eure silntdreamr
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It could be so easy
Подростковая литератураEs könnte alles so einfach sein, wenn da nicht diese Angst wäre. Wenn da nicht diese reine Existenz ihrer selbst wäre. Ohne jegliches Leben, ohne jegliche Gründe, um das Leben zu lieben. Wenn da nicht das gewaltige Loch in ihrer Brust wäre, dass sie...