CHAT 52

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Jimins Idee war wagemutig, tollkühn und... äußerst dumm gewesen.

Ich hatte bereits bei seiner ersten, groben Erklärung ein flaues Gefühl im Magen gehabt – und dieses hielt bis jetzt an, knetete meinen Magen durch wie rohen Teig, während ich unruhig auf dem Sofa saß und unaufhörlich mit meinem Bein wippte. Namjoons prüfender Blick entging mir keinesfalls; er sollte hierbleiben und dafür sorgen, dass ich keinen Dummheiten unterliegen und somit den ach so perfekten Plan nicht durchkreuzen sollte. Bei dem Gedanken daran sog ich gierig nach Luft für meine Lungen und wandelte so den analytischen, wachsamen Blick des Älteren in eine Mischung aus Sorge und stummes Beileid.

Was genau Jimins Idee war? Nun... sollte dieser berüchtigte Feuerteufel tatsächlich keine bestimmten Ziele aufweisen und nur den ermorden, der das Handy bei sich trug (was für einen Serienmörder tatsächlich Sinn ergeben könnte, leider Gottes), so würde man diesen Fluch seiner Ansicht nach einfach von mir abwälzen können. Er wollte mich also beschützen. Und ich, der all diese grauenhaften Gegebenheiten so lange schon für sich behalten konnte, hatte schon immer genau diese voraussehbare Situation damit verhindern wollen. Dass jemand sein Leben für mich riskierte.

Und es war das erste Mal, dass ich dermaßen innig hoffte, eine meiner Theorien, zumindest diese eine würde sich als falsch herausstellen. Als ein Denkfehler. Dass noch immer ich in Gefahr war, ich in dreißig Minuten das Zeitliche segnen und in einer Stunde mit der Asche eins werden würde – doch wie mehr ich über diese Theorie nachdachte, desto logischer erschien sie mir, und desto mehr sorgte ich mich um Jimins Wohlergehen.

Wieso musste das alles auch so Sinn ergeben, verdammt! Wieso musste diese Theorie so vieles erklären und belegen; wieso füllte sie die Lücke in diesem gottverdammten Puzzle? Wieso ergab nun plötzlich Sinn, dass der Mörder lediglich durch das Mobiltelefon den Kontakt zu seinen Opfern aufnahm? Dass er die Opfer immer rechtzeitig fand? Dass die Opfer keine Zusammenhänge hatten, außer den Besitz eines Mobiltelefons? Dass es kaum Verdächtigte in ihren Umkreisen gab? Weshalb war dies alles so unfassbar logisch, ergänzte sich so schrecklich gut... weshalb bloß?

Natürlich konnten wir den Mörder nicht durch Befragungen entlarven, fanden keine überlappenden Eckpunkte oder Ähnlichkeiten, wenn er doch keine zwanghafte Verbindung zu den Opfern haben musste. Wenn er sie ganz willkürlich auswählte, ihm egal war, wer sein Opfer werden würde. Das Opfer musste lediglich ein Handy besitzen, und das taten im einundzwanzigsten Jahrhundert doch ohnehin so gut wie alle.

„Ihm wird schon nichts passieren, Kleiner", hörte ich plötzlich Namjoons dunkle Stimme auf mich einreden und warf ihm einen knappen missvergnügten Blick zu, um ihm meine Meinung über seine Zustimmung zu Jimins irrwitzigem Plan möglichst gnädig beizubringen. „Sieh mich nicht so an", meinte er daraufhin und verschränkte seine Arme hinter seinem Nacken, als er sich so langsam wie die Ruhe selbst von der gelblichen Tapete löste, einige Schritte auf mich zukam. „Das alles hier ist schließlich auf deinem Mist gewachsen."

„Ich wollte verhindern, dass er dahinter kommt", antwortete ich also ohne nachzudenken und lehnte mich unbewusst vor. „Er hätte mich das selbst regeln lassen sollen, ich hätte-"

„Du hättest den Tod mit offenen Armen begrüßt, um niemanden in Gefahr zu bringen. Mit diesen Worten hat mich Jimin davon überzeugt, mich hier einzumischen."

„Seine Idee ist verrückt!" Ich atmete tief durch und fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare. Diese Idee war so unfassbar dumm! Sie konnte nur schief gehen! Mit einem Mal begann mein Herz rascher zu schlagen, mein Puls raste so unheimlich schnell, dass ich ihn in meinen Ohren rauschen hörte und bevor ich selbst es registrieren, geschweige denn verhindern konnte, verlor ich meine Beherrschung von der einen Sekunde zur anderen komplett. „Ihm wird etwas zustoßen!" Ich stand auf, meine zitternden Hände zu Fäusten geballt und blickte einem überraschten Untergrundleader mit feurigen Augen entgegen. „Er kann doch nicht das Handy nehmen, in eine gottverlassene Gasse ziehen und einfach mal schauen, ob er vor dem nächsten Regen noch angegriffen wird! Das ist der reinste Selbstmord! Er wird-"

Remember me ♛ VKook「50% Texting」 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt