Krankenwagen und Litfaßsäulen

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,,Taaatüüüütaaataaaaa!"

Die Sirene lässt meine Ohren klingeln und ich schaue erleichtert dem Krankenwagen hinterher, der gerade um die nächste Ecke biegt.

Nachdem Frau Kalivet elegant wie ein Brett umgekippt ist, haben erst mal alle erschrocken eingeatmet und Sprüche wie ,,Omg!" ,,Ist sie tot?" ,,Sie blutet ja!" ,,Ruft die Polizei, den Krankenwagen!" und anderes intelligenzhaltiges Zeugs von sich gegeben.

Ich sag nur #Facepalm. Und zwar mitten in your face.

Solche Leute sind meine Klassenkameraden; die haben manchmal echt 'nen Schaden. Als ob man von so einem leichten Stoß gleich stirbt. Aber gut, ich kann nur das oben genannte wiederholen.

Herr Micael rief dann aber wirklich den Krankenwagen an, da Frau Kalivet sich lange nicht mehr gerührt und auch sonst kein gesundes Lebenszeichen (jaja sie hat geatmet...) gezeigt hatte. Der kam sofort angebraust und hat unsere nun nicht mehr ganz so fromme Lehrerin inspiziert. Oder untersucht, wenn man's leicht haben will.
Also natürlich nicht der Wagen selbst, der war dann doch etwas klobig, sonder die Helfer, die er beinhaltete. Diese meinten, dass ihr außer einer gebrochenen Nase und einer leichten Gehirnerschütterung nichts fehlte.

Na Gott sei Dank. Für den angeblichen Tod einer Lehrerin, und wenn sie noch so anstrengend sein mag, möchte ich doch nicht verantwortlich sein.

Die Helfer meinten aber, dass sie Frau Kalivet lieber mitnehmen möchten, um zu untersuchen, ob sie nicht doch irgendeinen gefährlichen Schädelbruch oder sonst was hat.

Ärzte halt.

Sie hievten Frau Kalivet auf eine Trage und marschierten durch die Klassentür, die ihnen Herr Micael nun aufhielt.

Joa, ich würd' mal sagen, Applaus! Hätte er das nicht einige Minuten früher bei Frau Kalivet machen können?! Dann hätte 1. Sie ihn als Gentleman in Erinnerung behalten und 2. Ich mir keine Sorgen um meine Zukunft im Jugendknast machen müssen. Mein Kopf tut immer noch weh und panisches Denken hilft da auch nicht weiter.

Die Klasse rannte den Helfern hinterher, um auch ja nichts zu verpassen.

Was gibt es da denn schon zu sehen.

,,Los, wir müssen hinterher und erfahren wie's weitergeht!", sagte Aliro und zog mich hoch.

,,Ach danke, dass du auch mal merkst, dass ich hier liege!", bemerkte ich böse.

,,Jaja tut mir leid. Nur, du hast den Neuen so eiskalt ausgelacht, da hab ich mir gedacht, dass ich dich ein wenig liegen lassen kann."
Mit diesen ,,entschuldigenden" Worten zog sie mich hoch.

,,Aber du meintest doch, dass es sowieso schon wieder so ein blöder Junge ist. Warum...?"

,,Ist doch egal. Nach seiner Geschichte hat er mir halt leid getan. Ja auch kann einen Meinungswechsel haben. Und jetzt komm!" Sie wollte wohl den anderen hinterher und zog mich einfach mit sich.

Während diesem ganzen Trubel stand unser, noch von meinem Lachflash (pardon, Lachflashs) ganz verdatterter Joschka die ganze Zeit vor der Tafel und hatte sich die vollen 45 Minuten nicht vom Fleck bewegt.

Er würde bestimmt eine gute Litfaßsäule abgeben. Sein dämliches Gesicht würde ich aber auch zu gerne mit einem Plakat überkleben.

Als wir an Joschka vorbeiliefen, packte Aliro seine Hand und zog ihn ebenfalls mit sich. Erstaunt blickte er zu mir rüber. Ich dagegen starrte ihn wieder böse an und versuchte seine Hand aus Aliros zu ziehen.

,,Lass das!", keifte sie und packte Joschkas Hand nur noch fester. Der streckte mir die Zunge raus und ich bekam große Lust diese rauszureißen.
Allerdings musste ich aufpassen wo ich hinlief, da uns Aliro zwar die Treppen runter- und mitzog, aber ansonsten nicht auf ihre Hintermänner achtete.
So konzentrierte ich mich aufs Laufen, um nicht wie Frau Kalivet zu enden.

Inzwischen hatten wir die anderen eingeholt und rannten quer über den Schulhof, immer den Helfern hinterher.

Es hatte übrigens aufgehört zu regnen.

Der Krankenwagen war bis auf den Schulhof gefahren. Die Helfer setzten die Trage ab und einer bzw. eine (es waren eine Frau und zwei Männer) der drei öffnete die Türen des Wagens. Wir drängten uns wie bekloppte Schaulustige um den Wagen, um eine möglichst gute Sicht auf das Geschehen zu haben.

Mittlerweile hatte mich die Aufregung auch gepackt und ich hüpfte hibbelig auf und ab.

Die Frau klappte ein Metallgestell herunter, auf dem die Rollen der Trage plaziert wurden und die beiden Männer schoben Frau Kalivet langsam das Metallgestell hoch. Die Frau im Wagen packte die vorderen Griffe der Trage und zog Frau Kalivet vollends hinein.

Sie hatten sie natürlich zuerst festgeschnallt. Sonst hätte sie mit Sicherheit einen gefährlichen Schädelbruch erlitten.

Die Männer schlugen die Türen zu, stiegen dann vorne ein, schlugen ihre Türen ebenfalls zu und dann sauste der Krankenwagen mitsamt lautem Sirenengeheul davon.

Jetzt sind wir wieder an dem Punkt angekommen, an dem ich mit klingelnden Ohren mit dem Rest der Klasse über den Schulhof laufe.

,,Vielleicht überlegt es sich Frau Kalivet nochmal", bemerkt plötzlich Klara.

Dieses Mädchen sitzt wie ihr schon wisst im Klassenraum direkt hinter mir und eigentlich hab ich nichts an ihr auszusetzen.

,,Wie bitte?!" Ich sehe sie entsetzt an.
,,Willst du etwa das diese Schreckschraube zurückkommt?!"

,,Warum nicht?! Sie hat schon ganz guten Unterricht gemacht", sagt Klara gelassen.

What the fuck...?!

,,Neee ich bin froh, dass sie vorhat nicht mehr zu kommen", schaltet sich Aliro ein. Dankbar lächle ich sie an.

,,Ich nehm ihr das mit der ,,Scheißklasse" besonders übel!"

,,Der Direx hat Recht. Kinder so zu beleidigen geht echt nicht!"
Das einzig Gute was ich bisher von Joschka gehört habe. Ach, nein. Der Rausschmiss war besser.

Jetzt stehen wir auch wieder vor unserem Klassenraum. Er liegt direkt im ersten Stock und man muss nur zwei Treppen hochgehen.
Herr Micael lehnt an der Tür und guckt auf sein Handy, besser gesagt scrollt die Bilder in seiner Galerie runter wie man unschwer erkennen kann. Man sollte sich halt nie zu sehr aus der Tür lehnen!
Haha Witz verstanden? Ja? Oder Nein?

,,Der steht ja immer noch an der Tür!", raunt mir Aliro zu.

Belustigt gehe ich zu unserem Direktor, der noch gar nicht bemerkt hat, dass wir hier stehen, und tippe im auf die Schulter. Dabei schiele ich auf sein Handydisplay. Herr Micael zuckt zusammen und guckt uns verdattert an.

,,Wissen Sie, dass Sie Joschka im Kampf um die bessere menschliche Litfaßsäule Konkurrenz machen könnten?", frage ich und versuche dabei möglichst ernst zu bleiben, was bei dem Gekicher und Joschkas Schnauben hinter mir nicht sehr leicht ist.

Der Direktor lacht. ,,Nein", meint er. ,,Ich wusste gar nicht, dass es solche Kämpfe gibt."

,,Natürlich! Was soll denn die Familie Litfaß ihrer Meinung nach auf Familientreffen gemacht haben?", frage ich ebenso ernsthaft wie grad eben. Und die Klasse lacht schon wieder.

,,Sie sollten jetzt aber ihren Versuch, der Familie Litfaß beizutreten, aufgeben und auch die Milliarden von Knutschselfies auf ihrem Handy ruhen lassen. Dann können Sie nämlich aus dem Türrahmen raus und wir in unsere Klasse rein."

Herr Micael's Miene spielt Karussell. Zunächst grinst er, dann kräuseln sich seine Lippen und nun guckt er etwas grimmig drein.

,,Wenn ich nicht selbst ein kleiner Spaßvogel und der Direktor wäre, hätte ich jetzt einen Wutanfall bekommen und ,,SOFORT ZUM DIREKTOR!!!" geschrien", sagt er (wirklich) grimmig und stößt sich vom Türrahmen ab. Wir strömen zurück zu unseren Plätzen. Herr Micael schaut auf die Uhr.

,,Durch diesen ganzen Tumult konnte sich unser neuer Schüler noch gar nicht richtig vorstellen. Ihr habt noch eine halbe Stunde, dann fängt die Pause an. Deswegen vertrete ich mal eben kurz Frau Kalivet, da ich sowieso nichts anderes zu tun habe." Damit setzt er sich aufs Pult und fordert Joschka auf, sich doch nach vorne zu stellen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 09, 2018 ⏰

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Was würde ich nur ohne dich machen, Linu? Das weiß ich doch nicht, Aliro Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt