77|eine einfache Umarmung

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Kenan hatte keine Gefühle.
Reue erst recht nicht.

~

Es war spät Abend und es regnete unglaublich.
Offiziell hatte sich der Sommer nun verabschiedet, denn die Blätter fielen schon von den Bäumen.

„Gute Nacht!", rief Baran in den Flur. Ich cremte mein Gesicht ein und sah durch meine offene Zimmertür in den beleuchteten Flur.

„Nacht!", rief ich zurück.

„Geht schlafen!", rief unser Vater aus seinem Zimmer.

„Tun wir doch!", rief Baran zurück.

„Antworte mir nicht!", rief mein Vater zurück.

„Cem halt die Klappe, schrei nicht in mein Ohr!", keifte meine Mutter. Ich schüttelte belustigt den Kopf und schaltete im Flur das Licht aus. Es donnerte sehr laut und ich zuckte auf. Schnell ging ich in mein Zimmer auf meine Balkontür zu und drückte sie zu.

Früher hatte ich Angst.
Heute nicht mehr, aber heute Abend war es schon heftig. Ich liebte den Regen wirklich, aber das war schon heftig. Es hagelte und blitzte. Dazu dieser unglaublich laute Donner.
Ich kuschelte mich in mein Bett und griff unter mein Kissen. Plötzlich bekam ich etwas zu greifen und zog es hinaus. Ich knipste mein Nachtlicht an und sah auf das schwarze Shirt in meiner Hand.
Kenans Shirt.

Augenverdrehend warf ich es quer durchs Zimmer und knipste das Licht wieder aus.

Ich sollte es ihm mal zurückgeben.
Also.. Emin geben und er konnte es ihm geben.

Es donnerte erneut und ich zuckte hoch.
Oh verdammt es war unglaublich laut. Wieso hatte ich nun Angst? In der Grundschule hatte ich Angst, aber dann hörte es auch auf. Wieso fing diese Angst jetzt wieder an?
Meine Hand zitterte und mein Herz raste, doch ich versuchte es zu überspielen und auszublenden.

Es donnerte ein zweites Mal und ein Blitz schlug irgendwo ein, da es kurz aufblitzte. Der Hagel knallte gegen mein Fenster und auf mein kleines Balkon. Ich konnte so nicht schlafen.
Das war nicht gemütlich oder beruhigend sondern einfach nur angsteinflößend und schlafraubend.

Somit kam auch das dritte Mal und ich sprang auf. Ich schaffte es nicht. Mir war unglaublich warm und ich war kurz davor ohnmächtig zu werden.
Ich hatte nun wirklich unglaubliche Angst.

Sofort verließ ich mein Zimmer und klopfte bei Baran.

„Ja?", ertönte es gedämpft und ich steckte meinen Kopf durch. Er sah verschlafen hoch. Das Fenster vor seinem Bett schaffte mir genauen Blick auf einen Blitz, der ganz weit weg einschlug.

„Ich.. äh..", gab ich unschlüssig von mir und stand verloren neben der offenen Tür, zum dunklen Flur. Er seufzte und schnappte sich ein Oberteil vom Boden, da er oben ohne schlief.

„Komm her.", winkte er mich zu sich und zog sich das Oberteil an. Ich eilte zu ihm und legte mich neben ihn. Er zog mich in seine Arme und ich umarmte ihn.

„Ich dachte du hast keine Angst mehr.", brummte er und atmete in einem regelmäßigen Abstand ein und aus. Ich sah mit aufgerissenen Augen zur dunkelblauen Wand, die nun einfach nur schwarz wirkte.

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