Der letzte Moment

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Sie stand da. Alleine. Sich fragend, wie es je so weit kommen konnte.

War sie denn nicht glücklich?

Die letzten Monate, sie waren wohl die Besten ihres Lebens. Miles. Nur schon den Namen zu denken tat verdammt weh. Wie alles, was einen glücklich machen kann, einen noch mehr verletzt.

Hin und her gingen ihre Gedanken. Ihre Eltern. Wie sehr sie sie doch liebte, und wie sehr sie sie doch hasste. Denn sind sie nicht Grund für ihre Pein? Hat nicht alles bei ihnen angefangen? Nie gut genug, einfach alles was sie machte war falsch. Und sie wollte besser sein, wollte die Beiden stolz machen, doch schaffte es nie. Jeder Fehlschlag, sie möchte nicht daran denken, verspürte die Schmerzen von gestern Abend immer noch.

In der Schule, sie versuchte es, wirklich, doch nichts gelang. Freunde hatte sie da keine. Nd alle Bemerkungen, sie waren wie Messerschnitte. Das Herumgestosse, diese Tage an denen ihre Sachen spurlos verschwand und nur Lachen zu hören war, sie finden heute ihr Ende. Niemand würde sich wieder über ihre Figur beschweren, über Knochen, die heraustraten, nein, das wird vorbei sein.

Niemand würde sich mehr Gedanken über sie machen, niemand würde sie vermissen. Dessen war sie sich gewiss. Und doch, für einen kurzen Augenblick, tauchte Miles in ihren Gedanken auf. Er, von dem sie mal dachte er würde sie vermissen, sie aufhalten wollen. Er, den sie so sehr geliebt hat, immer noch liebte, wie keinen Andern. «Ihm bin ich auch egal», dachte sie. Denn er hat sie verlassen. Vergessen das Versprechen, dass er immer bleiben würde. Seine Freunde, die mich hassten, verspotteten, waren ihm wichtiger. Und er machte mit. Sie war nur ein Spiel für ihn, das hat er selbst gesagt. Und all das, nach all den Monaten, brachte das Fass endgültig zum überlaufen.

Und so stand sie nun hier, auf dem höchsten Hochhaus der Stadt. Der Abgrund vor ihr.              

Und sie sprang.

Sie hörte die Schritte nicht, als sie anfing zu fallen. Bemerkte die Hand nicht, die sie noch versuchte aufzuhalten. Alles was sie spürte waren ihre braunen langen Haare, die im Wind herumflatterten. Das letzte was sie hörte ihr Name. Und noch bevor der Schock einsetzen konnte, kam der Aufprall.

«Lia!», er weinte, «Nein, nein, nein, nein, bitte sei nicht weg. Es tut mir leid, bitte nicht.» Der braunhaarige Junge, welcher nun auf dem Dach war, sank zusammen. Aus seinen dunkelbraunen Augen sprach die Verzweiflung. Es tat ihm alles so leid, er wollte das nicht, doch hat er sie im Stich gelassen. Er war wütend, frustriert. Gerade in diesem Augenblick hasste er sich mehr als je zuvor. Er fragte sich, was er alles hätte besser tun können. Eine Liste formte sich in seinem Kopf. Eine Liste, was er alles hätte tun sollen. Und diese Erkenntnis war es schlussendlich, die ihn umbrachte. 

Der letzte Moment - Eine KurzgeschichteWhere stories live. Discover now