‚Ich lag relativ gut in der Zeit', ‚Der Tag kann echt nicht schlimmer werden'... Falsch gedacht, Kaya. Meinen normalerweise circa 20 Minuten dauernden Schulweg legte ich heute in fast 40 Minuten zurück, da der Regen immer schlimmer wurde und ich deswegen die meiste Zeit von Überdachung zu Überdachung gesprintet bin, was mir letztendlich nichts gebracht hat, da ich trotzdem komplett durchnässt im Unterricht bei Ms Murphy angekommen bin. Fucking awesome.
„Ms Anderson, haben sie sich auch mal entschieden am Unterricht teilzunehmen?" fragte die alte Schabracke mit einem sarkastischen Unterton. Ich konnte sie nicht ausstehen. Sie hatte durchfallorangene Haare, die sie immer in einem Vogelnest zusammengebunden auf dem Kopf trug, den Gesichtsausdruck einer Hexe, einen Buckel und trug immer Sandalen mit Wollsocken, egal ob es nun Sommer oder Winter war. Zudem war sie nur ungefähr 1,58m groß und Kettenraucherin. Sie könnte echt als Model arbeiten.
Für die Warnaufkleber auf den Zigarettenschachteln.
„Eine Dusche haben sie auch schon genommen, wie ich sehe." Einige Schüler kicherten. Ich verstehe solche Leute nicht, ich meine, was ist an dieser Aussage so lustig? Und eine besser Mitarbeitsnote gibt es deswegen bestimmt auch nicht. „Wenn sie sehen, dass ich komplett durchnässt bin, sollten sie eigentlich auch gesehen haben, dass es draußen wie aus Eimern schüttet, Ms Murphy. Eigentlich hätte ich von einer scharfsinnigen Person wie Ihnen erwartet, eins und eins zusammenzählen zu können, anscheinend habe ich mich da jedoch gewaltig geirrt." Gab ich ohne lang nachzudenken zurück, woraufhin die Alte mich geschockt anschaute und es totenstill in der Klasse wurde. Nach einer halben Ewigkeit hatte sie sich wieder gefangen und ihr fiel tatsächlich kein besserer Konter als „Sie sollten ihre Lehrkräfte respektvoll behandeln, so ein Verhalten dulde ich nicht! Das gibt einen Klassenbucheintrag für zwanzigminütiges Zuspätkommen und unangemessenes Verhalten gegenüber mir, plus 2 Stunden Nachsitzen direkt nach ihrer letzten Unterrichtsstunde." ein. Mit hochgezogenen Augenbrauen bewegte ich mich zu meinem Sitzplatz in der hintersten Reihe und kassierte viele anerkennende aber auch einige spöttische Blicke von meinen ‚Mitschülern', oder wie ich sie gerne bezeichne, ungebildete, stinkende Halbprimaten. Und da frag mich mal einer warum ich keine Freunde hab. Als ich mich hinsetzte, flüsterte mir meine Banknachbarin, die sonst auch nicht mit mir sprach, „Du bist lebensmüde" zu. „Da hast du vollkommen recht" sagte ich trocken, da ich diese Aussage todernst meinte. Sie drehte sich beleidigt wieder weg von mir, anscheinend hätte sie meinerseits einen netteren Umgang erwartet. Pft, immer diese eingebildeten, aufmerksamkeitsgeilen Schnepfen. Ich versuchte mich den Rest der Stunde zu konzentrieren, was mir wirklich schwerfiel da mich der komische irische Akzent meiner Englischlehrerin jede Stunde aufs Neue zur Weißglut trieb.Der Rest des Tages verlief einigermaßen normal, was so viel wie ‚es ist so langweilig dass man sich am liebsten die Kugel geben würde' heißt. Am Ende des Tages schleppte ich mich zurück zum Klassenzimmer, um am (wie ich finde) unverdienten Nachsitzen teilzunehmen. Wenn man sich schon mit mir anlegt muss man auch mit Konsequenzen rechnen, egal ob man einer der vorhin erwähnten Halbprimaten oder John fucking Cena ist. Ich musste wegen meines „frechen und respektlosen Verhaltens" öfters nachsitzen, was mich nicht wirklich störte, da ich eh nach der letzten Stunde noch freiwillig in der Schule blieb um meine Hausaufgaben zu machen. Ich musste danach arbeiten und der direkte Weg von der Schule aus lohnte sich einfach mehr als nochmal nach Hause zu gehen.
Als ich vom Klingeln der Schulglocke erlöst wurde, machte ich mich schnell auf den Weg aus dem stickigen Klassenzimmer in die Flure um meine Sachen in meinem kleinen Spind zu verstauen, was sich nicht grade als leicht erwies da sich alle Schüler durch die Gänge schubsten um möglichst schnell aus dieser Hölle zu verschwinden. Kann man denen echt nicht übelnehmen. Kurz vor den Spinden war mein Glück flöten gegangen und ich stieß volle Kanne frontal mit jemanden zusammen.
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Please (don't) Save me.
Teen Fiction17 Jahre alt, durchschnittliche Schülerin, nicht gerade beliebt, äußerlich ein unscheinbares Mädchen, innerlich von Depressionen und Schuldgefühlen zerfressen. Dieser Satz beschreibt Kaya wohl am Besten. Ärzte und Psychiater kommen für sie nicht in...