POV Delian
Delian sah seine kleine Freundin überrascht an. „Warum solltest du mich nicht verdient haben, Alexis? Das ist doch absurd!" Sie sah betreten zu Boden. „Nun ja, weil... du bist viel zu gutmütig für mich..." Kopfschüttelnd trat er an sie heran. „Alexis, hör auf etwas solches zu sagen! Du hast mich verdient! Mehr als viele andere..." Sie drehte sich von ihm weg.
Delian sah, dass sie wegsah. „Komm, lass uns raus gehen. Das habe ich dir doch gestern versprochen..." Sie nickte traurig und lief träge auf den Gang hinaus. „Alexis, warte...", sagte er etwas lauter als beabsichtigt. Sie schüttelte den Kopf, mit einem Satz stand er neben ihr. „Falsche Richtung, Domina minima...", hauchte er belustigt. „Komm schon, hör auf so niedergeschlagen zu sein. Und hör vor allem auf, so etwas von dir zu geben." Sie seufzte ergeben und wandte sich zu ihm um. „Ist ja schon gut...", erwiderte sie schmollend und drückte sich haltsuchend an ihn. Er legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie langsam in Richtung des Ausgangs.
„Weißt du, es ist nicht schlimm, an sich selbst zu zweifeln, Alexis. Aber du musst dich auch wieder fangen können und du musst irgendwann zugeben, dass du nicht eine totale Versagerin bist.", erklärte Delian sanft, nachdem die beiden eine Weile schweigend durch den Säulengang und Garten des Hauses gelaufen waren. Er steuerte auf das große Ausgangsportal zu. Weiterhin schwiegen sie, schließlich überwand sich das Mädchen zu antworten. „Aber ich bin eine-" Er legte seinen Zeigefinger auf ihre sich bewegenden Lippen. „Sssht. Hör auf so etwas zu sagen." Sie wollte soeben wieder etwas erwidern, da Delian einfach weiter sprach. „Das bist du definitiv nicht. Hör endlich auf so zu denken!"
Sie hob seinen Finger von ihren Lippen. „Du kennst mich lange nicht so sehr, wie ich es tue...", erwiderte sie erbost. In dem Jungen zog sich etwas zusammen. Sie konnte und durfte sich nicht dauernd derart niedermachen. Das war nicht das, was er wollte, das sie tat. Für ihn war sie eine wundervolle Person, die von Gott geliebt wurde, eine Person, die wie jeder Mensch Gottes Kind war. Wärme stieg in seiner Brust empor, eine unwiderrufliche, beklemmende Wärme, die ihn stehen bleiben ließ. „Was ist los?", fragte sie leise und verwirrt.
„N-nichts...", stieß er mit einem klammen Gefühl in der Brust aus. Sie strich ihm besorgt über die Wange. „Hör einfach auf mir immer zu widersprechen, okay?"
Delian nickte, das beklommene Gefühl wollte nicht aus seiner Brust. Aus eigener Initiative drückte sie sich gegen seine starke Brust, blieb stehen, sodass sie nicht weiter gehen konnten. Sie bemerkte einen leicht glasigen Blick in seinen Augen. „Delian, hör bitte auf mich so anzusehen...", flehte sie, doch ihre verzweifelte Stimme drang nicht bis zu ihm vor, nur leise, als ob sie gegen einen Wattebausch gesprochen hätte. Seine Unterlippe zitterte, er hörte die Stimme seines Vaters in seinen Kopf.
„Es ist nicht das Durchhaltevermögen, das uns stark macht, Sohn. Die Stärke wird in Gefühlen gemessen. Deshalb denke niemals, du wirst alleine. Denn wir werden immer für dich da sein, selbst wenn wir einmal nicht mehr seien sollten..."
Und dann hatte er auf des Jungen Herz getippt, während er sich gleichzeitig wieder dem jäten der Felder zugewandt hatte.„Geht es dir gut?" Stille. Er vernahm ihre gleichmäßigen Atemzüge, gleich in der Nähe seines Halses. In der Mittagshitze Roms war dies eine willkommene Abkühlung. Nach einigen Minuten, in einen er die Worte in einem Mantra in seinem Kopf abgespielt hatte, schüttelte er den Kopf, räusperte sich kurz. „Ja, natürlich. Ich... meine gendarme sind bloß abgeschweift.", erwiderte er schnell und drückte die jüngere aus dem Weg, nahm ihre Hand und zog sie mit sich nach draußen, hinter die Tore des Hauses, in welchem sie aufgewachsen war.
Erleichtert nickte sie, schloss die Tür hinter sich ein weiteres Mal. „Lass mich dir etwas zeigen, Delian...", sagte sie mit einem frechen Lächeln auf den Lippen. Dann ging sie mit ihm eine Straße, die bergab führte, aus dem Wohnviertel der Wohlhabenden des Palatins hinab, auf die Straßen zum Forum Romanum. Reges Treiben erschwerte das vorwärts kommen auf dieser Via, Alexis und Delian mussten sich fest an den Händen nehmen, um sich nicht zu verlieren. Irgendwann mündete der Weg auf einen großen Platz, bin imposanten Gebäuden umsäumt.
Delian sah sich staunend um. Hierher hatte sie ihn noch nicht geführt, obgleich das Forum der Mittelpunkt der Welt war. „Alexis, das ist..." Sie unterbrach ihn. „Unglaublich, nicht wahr?" Er nickte überwältigt.
Nur am Rande seines Blickfelds bekam er mit, wie sich der Platz füllte. „Und es kommt besser, weißt du?
Für heute sind im Colosseum Gladiatorenkämpfe ausgelegt." Er sah sie mit großen Augen an, blickte genau in ihr hübsches, von schmunzeln verzogenes, Gesicht. „Brot und Spiele, richtig?", sagte sie vergnügt, umfasste seine Hand fester und zog ihn mit sich zum Triumphbogen des Cäsar, neben dem sich das imposante Gebilde, welches für zweihunderttausend Besucher Platz bot, in die Luft erhob. Ein staunender Laut verließ seine Lippen, Delians Augen tanzten in ihren Höhlen, er wollte nichts verpassen. Zu viele Eindrücke stiegen in seinem Kopf empor, es war ihr ein Rätsel, wie er sie alle verarbeitet sollte.„Gefällt es dir?", fragte sie lächelnd. Er wand ihr seinen Blick zu. Wortlos vor staunen nickte er, dass sie ihn zu diesem Ort mitgenommen hatte, fand er ungemein nett. „Weshalb tust du das, Alexis?", fragte er nach einiger Zeit leise, so leise, dass es beinahe im Lärm der Menschen unterging. „Was tue ich?", fragte sie verwirrt. Er machte einen Schritt auf sie zu. „Du bist so nett zu mir, so anders als dein... dein Vater es ist. So anders, als Nagini es ist..." Sie runzelte überrascht die Stirn, fragte sich insgeheim, wie er auf diesen Gedanken kam. „Du zeigst mir deine Welt, das hätte der Rest deiner Familie und die anderen Sklaven niemals getan...", fügte er hinzu. Doch sie antwortete noch immer nicht, starrte ausdruckslos auf ein Gebäude in der Ferne. „Wenn wir Worte hätten, um zu beschreiben, wie Träume sich anfühlen, wenn wir ein Gedächtnis hätten, um sich an Träume zu erinnern, wenn wir die Leidenschaft spürten, um unsere Träume wahr zu machen, wie wären unsere Leben dann?"

DU LIEST GERADE
Pugna et Ama!
Historical FictionBritannien, 44 vor Christus. Die Römer fielen in das Land ein und unterwarfen das Volk. Zu den unterworfenen gehörte unter anderem Delian, ein Junge der dadurch seine gesamte Familie auf grausame Weise verlor und nach Rom auf den Sklavenmarkt versc...