Seufzend strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Obwohl die Sonne bereits aufgegangen war, lies die dichte graue Wolkendecke ihr Licht nicht vollständig durchscheinen. Meine Vorhänge waren allerdings sowieso noch zugezogen. Bevor ich den Lichtschalter betätigte fuhr ich mir mit den Fingern kurz über die Schläfen. Warum machte ich mir eigentlich die Mühe, es würde im Endeffekt nichts bringen.Reiß dich zusammen und sei nicht so negativ! Doch jedes Fünkchen Positivität verschwand, als ich mein verschlafenes Gesicht im Spiegel betrachtete. Mich hätte es nicht gewundert, wäre dieser zerbrochen. Vor Frustration stöhnte ich auf und stütze mich am Waschbecken ab, dessen Farbe wohl mal weiß gewesen war. Putzen und aufräumen sollte ich vielleicht auch mal wieder.
Das gelbe Licht ließ die Rötungen in meinem Gesicht noch stärker hervortreten. Meine braunen Haare hatten sich selbständig gemacht und standen nach allen Seiten ab. Ich versuchte sie mit meinen kalten Händen glatt zu streichen, doch der Versuch scheiterte kläglich.
Ich lugte aus dem Badezimmer und sah das einladende Bett ein letztes Mal sehnsüchtig an. Vielleicht war die Bettdecke ja noch ein wenig warm. Ich könnte es mal ausprobieren. Normalerweise hätte ich mich wieder ins Bett gekuschelt, aber heute ging das nicht. Heute wollte ich schön aussehen, oder wenigstens ansehnlich.
Ergeben griff ich zu der einzigen Bürste die ich besaß und begann den langwierigen Prozess meine Haare in Form zu bringen. Unzufrieden starrte ich meine Reflektion im Spiegel an. Zwei müde Augen starrten zurück. Gestern Abend hatte ich mich äußerst mutig gefühlt und mir ernsthaft eingebildet, dass sei eine gute Idee. Doch im Moment fühlte ich mich ziemlich verletzlich, als könnte ich sofort in Tränen ausbrechen, wenn mir jemand sagte, dass meine Frisur mir nicht stehen würde. Jetzt heißt es einfach durchziehen.
Zögernd griff ich zu einer alten Wimperntusche, die ich seit einem Jahr nicht mehr benutzt hatte und öffnete sie mit klammen Fingern. Da sie schon ein bisschen vertrocknet war, fielen einige schwarze Fussel auf den kalten Fließenboden. Leise verfluchte ich mich dafür keine Socken angezogen zu haben. Mit ungeübten Handbewegungen tuschte ich mir meine Wimpern, bis ich einigermaßen zufrieden mit dem Ergebnis war. Ob ich mich traute damit rauszugehen, darüber konnte man sich später auch noch Gedanken machen.
Ich weiß viele Leute werden nicht verstehen, was mein Problem ist. Um ehrlich zu sein, weiß ich das selbst nicht so genau. Ich war es einfach nicht gewohnt mich für irgendjemanden hübsch zu machen und hatte Angst, dass Leute mich anstarren und über mich lachen würden, was eigentlich keinen Sinn macht, da ich nicht gerade interessant war. Alles was ich tat war durchschnittlich. Ich war nicht unbedingt glücklich darüber, außergewöhnlich wäre ich manchmal schon gerne. Allerdings war es um einiges besser als besonders herauszustechen und aufzufallen.
Mein Leben war alles andere als perfekt, doch zufrieden war ich allemal. Bis sich vor ungefähr einem Monat alles änderte. Er trat in mein Leben und warf alles über den Haufen, obwohl wir kaum ein Wort gewechselt haben. An diesen Moment werde mich allerdings immer erinnern: Als er mich einmal gefragt hat, wo denn die Kaffeemaschine stände. Das war jetzt vielleicht keine große Sache, für mich allerdings schon. Ich habe kaum ein Wort über die Lippen gebracht. Meine Wangen färbten sich rot als ich daran zurückdachte. Warum war ich nur immer so verdammt komisch. Er musste mich für völlig bescheuert halten. Außerdem habe ich in die völlig falsche Richtung gedeutet. Er hat sie dann allerdings doch noch gefunden, glaube ich.
Um nicht noch röter zu werden, konzentrierte ich mich auf mein Gewand. Wahrscheinlich würde ich es bereuen, aber heute griff ich nicht wie sonst zur Hose, sondern zu einem grauen Rock, den ich einmal mit meiner besten Freundin Anna gekauft hatte, aber niemals getragen habe. Heute würde ich mich endlich überwinden. Nachdem ich mir noch eine weiße Bluse übergezogen hatte, sah ich mich in den Spiegel und war mehr als verunsichert. Vielleicht sah es gar nicht so schlecht aus, aber was werden die anderen denken. Was wird er denken?
Kurz durchatmen. Jetzt gibt es kein zurück mehr.
Mein Blick fiel auf die Uhr meines Handys und - wer hätte es gedacht - ich hätte bereits vor zwei Minuten losgehen sollen. Ich schnappte mir meine Tasche und einen grauen Blazer und stürzte ins Freie. Vielleicht war der Zug noch nicht losgefahren. Ich rannte, wie jeden Morgen, so schnell ich konnte die bereits überfüllten Straßen entlang. Es war eine 50/50 Chance, dass der Zug noch da sein würde, wenn ich am richtigen Bahnsteig ankam. Heute musste ich doch wenigstens ein bisschen Glück haben. Ich hatte es.
Hektisch drückte ich den Knopf der U-Bahn bis dieser grün wurde und die Tür sich öffnete. Die Menschen standen dicht gedrängt auf engen Raum und ich versuchte eine Position einzunehmen die niemanden am Aussteigen hinderte. Wahrscheinlich sah ich völlig zerstrubbelt aus, aber dennoch: Ich hatte es geschafft! Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Mein Blick richtete sich auf die Scheiben der Bahn. Die Stadt zog an mir vorbei und ich genoss das Gefühl der Schnelligkeit und das Wackeln des Gefährts auf den Schienen. Draußen war der Himmel immer noch grau, mit dem Unterschied, dass nun Wassertropfen ihren Weg auf die Erde fanden. Es hatte zu regnen begonnen. Gott sei Dank, war ich darauf vorbereitet. Ich fischte meinen Regenschirm aus der Tasche, darauf vorbereitet, bei der nächsten Haltestelle aus der Bahn zu stürmen und schnell zur Arbeit zu kommen. Oder besser gesagt ich wünschte ich würde meinen Regenschirm aus meiner Tasche fischen. Er war nicht da. Hektisch kramte ich erneut herum, doch es hatte keinen Sinn. Er lag zuhause auf dem Tisch.
Wie in Trance sah ich die Tür der U- Bahn langsam aufgehen. Keine Zeit zum Nachdenken. Kurzentschlossen stürmte ich aus dem Gefährt und hielt meine Arme schützend über meinen Kopf. Ich hatte den Regenguss eindeutig unterschätzt. Es schüttete in Strömen, Meine Tasche war noch immer offen und ich versuchte sie während des Rennens zu schließen.
In der Ferne erblickte ich bereits das rettende Bürogebäude und rannte entschlossen weiter. Es war ein Wunder das ich nicht stürzte, sondern das Hochhaus unverletzt, allerdings völlig durchnässt erreichte. Ich wischte mir das Gesicht und meine Haare mit einem Taschentuch ab und ging einigermaßen gefasst durch die große Glastür.
Ich gab mir große Mühe selbstbewusst zu wirken, obwohl ich mich gerade ganz anders fühlte. Bemüht selbstverständlich grüßte ich die Empfangsdame. Als sie mich freundlich ansah, veränderte sich ihr Blick schlagartig. Sie schien mir etwas sagen zu wollen, ließ es dann aber. In Gedanken versunken lief ich weiter und hoffte ich war nicht zu spät. Doch, es sollte sich gut ausgegangen sein, ich sollte in der Zeit liegen. Wie konnte ich auch den verdammten Regenschirm liegen lassen. Immer genau das, was ich unbedingt mitneh-.
Doch weiter kam ich nicht mit meinen Gedanken. Ich stieß mit jemandem zusammen der es wohl auch eilig hatte. Meine Tasche fiel zu Boden. Er entschuldigte sich nicht, sondern hob nur die Tasche auf und hielt sie mir wortlos hin. Ich hob langsam den schmerzenden Kopf. Als ich sein Gesicht erblickte stockte mir der Atem. Seine dunklen Augen ruhten auf meinen. Die Intensität seines Blickes war kaum auszuhalten. Nervös senkte ich den Kopf. Es war kaum zu glauben, welche Auswirkung seine alleinige Anwesenheit auf mich hatte.
„Ähm, ich denke Sie haben da etwas im Gesicht" Seine Stimme war tief und rau. Er zeigte mit seinem langen Finger auf mein rechtes Auge und ließ mich dann verwirrt und aufgewühlt stehen. Doch erst nachdem er mir die Tasche in die feuchte Hand gedrückt hatte.
Ich riss meine Augen ruckartig auf. Mir wurde schlagartig etwas Entscheidendes klar:
Meine Wimperntusche war in keinster Weise wasserfest.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hellow! ^^
Das ist die erste Geschichte, die ich veröffentliche und ich bin ehrlich gesagt ziemlich aufgeregt!
Danke an alle, die das erste Kapitel gelesen haben! Ich würde mich echt über Kommentare und Kritik freuen! (๑→ܫ←)Habt noch einen schönen Tag/ Nacht! ☼☽
PS: Bitte macht mich auf Rechtschreibfehler aufmerksam..;-;