„Bakar Dubois! Bitte melden Sie sich umgehend beim Schuldirektor", kam es aus der Lautsprecheranlage des Klassenzimmers 22A gerufen. Alle drehten sich zu Bakar um. Wissend stand sie auf und packte ihre Schulmaterialien in die Tasche, die mit vielen verschiedenen Farben gepunktet war, und verließ schweigend den Raum. Sie dachte darübernach, was der Schuldirektor wohl von ihr wollte. Vorsichtig klopfte sie an. „Treten Sie ein!", rief er nach einer Sekunde aus dem Büro. Es kostete Bakar einige Überwindung die Klinke dann auchwirklich runter zu drücken, weil sie nicht wusste, ob sie etwas falsch gemacht habe. Der Raum war, im Gegensatz zu den meisten anderen Räumen der Schule, mit viel Holz versehen. Das ist einer der letzten Teile der Schule, die noch älter sind, alle anderen wurden über die Jahre abgerissen. An dem Schreibtisch saß der Schuldirektor – Er trug einen blauen Anzug und ein weißes Hemd darunter – zusammen mit einer anderen Person. Als sich diese Person zu Bakar umdrehte wurde klar, dass es ein Mädchen in ihrem Alter war. „Mademoiselle Dubois, schön das Sie jetzt hier sind.",sagte er und wies sie an sich neben das Mädchen zu setzten.
„Das ist Léona Rousselle. Sie ist aus Straßburg hergezogen und ich möchte, dass Sie sie ein wenig hier einführen. Ihre Stundenpläne ähneln sich sehr, weshalb ich Sie dafür ausgewählt habe."
Sie drehte sich zu Bakar und lächelte ihr ins Gesicht. „Schön dich kennenzulernen.", sagte sie. Etwas zögerlich nickte Bakar und stimmte ihr zu. „Gut, das wäre dann alles. Sie haben für heute erst-einmal frei, Immerhin ist Mademoiselle Rousselle erst seit einigen Stunden hier, sie könnte bestimmt ein wenig Ortskundigkeit gebrauchen." Die beiden Schülerinnen verabschiedeten sich von ihrem Direktor und gingen dann raus. „Mein Name ist übriges Bakar,", sagte sie zu der Neuen Schülerin, „Aber meine Freunde nennen mich Bac!" Léona nickte. „Darf ich dich 'Bac' nennen?",fragte sie. Bakar wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte. Sie wusste nicht, warum sie das gesagt hatte, denn sie hatte eigentlich kaum Freunde, keine in Tradau. „Ja, okay.", sagte sie darauf. Schweigend gingen sie die Straße entlang.
„Das ist das Café VieBon. Ich arbeite hier ab und zu, um mir etwas dazu zu verdienen.", erklärte Bakar. Léona schien nicht sehr begeistert davon, Bakar auch nicht.
„Eigentlich wäre ich lieber in Straßburg geblieben. Da sind meine Freunde und meine Familie, abgesehen von meinem Vater", sagte Léona nach ein paar Momenten Stille. „Warum bist du dann hier?", die beiden bogen von der Hauptstraße ab, auf eine noch kleinere Straße. Die Häuser sahen alle sehr trostlos aus, ganz anders als die Schule imNorden der kleinen Stadt. Hier war alles herruntergekommen, jedes zweite Haus war vernagelt und man konnte darin nicht wohnen. Dafür war es billiger hier zu leben als in Bordeaux. „Mein Vater wollte schon immer lieber auf dem Land leben und hat hier ein kleines Geschäft gekauft, das bald auf machen wird.", Léona fühlte sich sehr unwohl. Vielleicht lag es daran, dass sie erst hier her gezogen war, oder es lag an Bakar. Diese hoffte, dass es an dem ersten Punktlag. „Weißt du warum uns der Monsieur Directeur zusammen getan hat?" „Nein. Aber er trifft keine Entscheidung ohne einen Grund."
Die beiden gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Je weiter sie sich von der Hauptstraße entfernten, umso schöner und besser wurden die Häuser. Die Häuser wurden auch neuer. „Hier wohne ich.", sagte Bakar irgendwann und bog auf einen Vorgarten ein, „Meine Mutter ist Lehrerin an derSchule, deshalb können wir uns das hier leisten." Das Haus wirkte fast schon erdrückend groß, es hatte eine Terrasse, die einmal um das ganze Haus führte, und mehrere Stockwerke. Im Gegensatz zu den meisten anderen Häusern im Ort, war dieses Haus viel moderner und hatte große Fensterwände, was eigentlich untypisch für die Region war.Es schien ebenfalls nicht älter als höchstens ein paar Jahre zusein. Léona wünschte sich, auch in einem solchen Haus zu leben. Ander Haustür angekommen fragte Bakar ob sie noch mit hinein käme,wegen den Schulsachen. Léona bejahte das.
Bakar erklärte, dass ihre Eltern gerade beide arbeiten wären und führte Léona direkt in ihr eigenes Zimmer, das im zweiten Stock war. Sie erklärte, es sei eines der größten Zimmer des Hauses. In dem Zimmer waren viele Spiegel, Bakar betrachtete sich kurz darin und wand sich dann zum Schreibtisch um. Ziemlich in der Mitte des Raumes stand auch ein Bett. Die Bettwäsche war mit einem Foto von Bakar und ihren Eltern bedruckt. Auf dem Foto auf dem Kissen war auch noch ein Junge, der nicht die schwarzen Haare der Familie hatte. „Wer ist das?", fragte Léona und zeigte auf das Kissen. Bakar schaute kurz auf und widmete sich dann wieder ihrem Schreibtisch. „Er ist mein Freund gewesen, aber wir haben uns getrennt.", sagte sie gequält. Sie gab Léona einen Ordner, der sehr voll wirkte. Es war selbstverständlich, dass das die Schulsachen waren. Léona bedankte sich. „Kann ich noch ein bisschen hier bleiben? Ich möchte nicht nach Hause...", sagte sie dann.
Bakar schaute sie verständnislos an, dachte aber dann, dass sie vielleicht endlich eine Freundin in Tradau hätte haben können. „Ja klar." sagtesie nur und entschuldigte um kurz den Raum zu verlassen. Ein paar Minuten später kam sie wieder und hatte die blaue Schuluniform ausgezogen und sich anstatt dessen andere, etwas lässigere Klamottenangezogen. Léona wusste noch immer nicht richtig, wie sie sich verhalten sollte. Die beiden kannten sich auch erst seit etwa 30 Minuten. „Hattest du in Strasbourg auch einen Freund?", fragte Bakar, sichtlich interessiert. „Nein",Léona schüttelte Kopf, „Ich möchte auch keinen Freund haben. Bisher haben mich Jungs eigentlich nur genervt." Die beiden saßen sich auf das Bett und fingen an sich über das Leben in Straßburg, beziehungsweise in Tradau zu unterhalten.
Nach längerer Zeit, die beidenlachten von Herzen, sie hatten sich ein wenig angefreundet, fragte Bakar warum Léona nicht nach Hause wollte. Plötzlich waren beide still. Léonas Miene wurde sofort dunkler, die eben noch glückliche und fröhliche Stimmung war plötzlich weg und wurde durch einentraurigen Blick von Léona und einen leidenden Blick von Bakar ersetzt. „Es tut mir Leid, ich hätte das nicht fragen sollen."„Da hast du recht, aber gefragt ist gefragt. Mein Vater ist hier nicht nur mit mir, sondern auch mit meiner neuen Stiefmutter hergezogen. Ich mag sie nicht und sie mag mich nicht. In Straßburg war das viel einfacher. Wenn er mit ihr zu tun hatte, hatte er Rücksicht auf mich genommen und war immer bei ihr. Jetzt, wo wir gemeinsam leben, geht das natürlich nicht mehr, sich aus dem Weg gehen. Ich sollte jetzt gehen." Léona schien plötzlichwieder nicht mit Bakar reden zu wollen. Sie nahm wortlos ihreSchultasche und den Ordner und ging aus dem Raum. Sie wollte weg, soschnell wie möglich, das merkte man, auch Bakar. Sie versuchte nichtLéona aufzuhalten und ließ sie gehen.
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(1129 Wörter)
Und so beginnt die Geschichte. Es folgt Background-Trivia, dass wahrscheinlich nicht in der Story gesagt wird. Falls doch: Spoilers ahead! - Ihr wurdet gewarnt!
"Bakar Dubois" - Bakar ist ein Baskischer Mädchenname, der "die Alleinige" bedeutet. Dubois ist ein typischer Nachname der wwl. "von Holz" bedeutet. Meistens wird dieser noch in Verbindung mit anderen Nachnamen verwendet z.B. "Vilain Dubois" (Bauer vom Holz). Im Englischen wird dieser Name oft mit 'Wood' übersetzt, hier also zu "Peasantry Wood" Das ist dann natürlich eher ein Ortsname
"Tradau" - ein fiktionaler Ort im Süden von Bordeaux.
"Léona Rousselle" - Léona ist eine francophonierte Variante von Leonie und bedeutet so viel wie "Löwin" oder "Löwenherrscherin". "Rousselle: Ein typisch Französischer Name ohne bekannte Bedeutung. Der Name wird aber oft mit dem französischen Renaissance Komponisten François Roussel in Verbindung, der die früheste Listung dieses Namen hat.
"Straßburg und Strasbourg" - Die verschiedenen Schreibweisen werden benutzt um z.B. Sprachliche Unterschiede darzustellen. In Straßburg selbst wird der Name deutscher Ausgesprochen als in (hier:) Bordeaux. Deshalb wird Léona immer die deutsche Schreibweise nehmen und Alle anderen, sofern diese nicht auch von Außerhalb sind, die französische.
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Bakar Dubois
Teen FictionBakar lebt im Süden Frankreichs in der Nähe von Bordeaux. Sie geht auf eine Privatschule, auf die eines Tages auch Léona kommt. Diese ist gerade aus Straßburg gekommen und muss damit klar kommen, über 1000 km von ihrer Familie und ihren Freunden we...