Primrue Mellark 2 | Kapitel 2

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Ich ging in das Haus, obwohl es komplett dunkel war. Natürlich schlief Cato schon aber ich wusste nicht wo ich sonst hin sollte.

Leise schloss ich die Tür hinter mir und schlich in die Küche.

Komplett durchnässt setzte ich mich an den Küchentisch und starrte vor mich hin. Es dauerte nicht einmal lange, bis im Flur das Licht anging. Cato kam, bewaffnet mit Kleidung und Handtüchern schweigend herein. Nur mit Boxershorts bekleidet, ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Auch mir fiel dies schon meistens nicht einmal mehr auf. Die ersten male, die ich nachts in seinem Haus aufgetaucht war, war ich, wie ein kleines Mädchen, rot angelaufen aber mittlerweile nicht mehr. Entweder weil ich festgestellt hatte, dass ich kein kleines Kind mehr war oder einfach weil ich merkte, dass es mich nicht störte.

Ohne etwas zu sagen, warf er mir das Handtuch über den Kopf. Vorsichtig legte er die Sachen, die einfach nur eins seiner Shirts waren, über den Stuhl neben mir. Da ich mich immer noch nicht bewegt hatte, begann er meine Haare trocken zu rubbeln. Erst durch seine Berührung fand ich wieder die Kraft, meine Arme selber zu heben. Für eine Sekunde berührten sich unsere Finger, bevor er seine weg zog und wieder ging. So war das nun schon seit Monaten. Wie eine Art Ritual zwischen uns. Wenn ich Alpträume hatte, sagte ich meinen Eltern, dass ich raus musste. Irgendwann landete ich immer hier und egal wie leise ich war, Cato bekam es mit. Er brachte mir immer trockene Kleidung und Handtücher. Je nach Tageszeit war es auch einfach mal ein Wasser oder etwas zu essen, wodurch wir uns angewöhnt hatten, oft gemeinsam zu essen. Ich wollte zu hause nicht von meinen Eltern ängstlich angeschaut werden, aber auch nicht alleine sein. 

Genau wie er. 

Also hatten wir zweckmäßig begonnen zusammen zu essen und irgendwann auch angefangen wieder Witze zu reißen. Mittlerweile waren diese Tage oft das Einzige, was mich lebendig fühlen ließ.

Hätte irgendjemand vor circa fünf Monaten, als ich Cato kennen gelernt hatte, zu mir gesagt, dass er in kurzer Zeit der Ankerpunkt in meinem Leben wird, hätte ich ihn ausgelacht.

Cato hatte als Mentor in meinen Hungerspielen teilgenommen. Da nicht mehr wirklich viele ehemalige Sieger da waren, wurde es als unfair bezeichnet, wenn wenige Distrikte Vorteile hatten. Also durften nur Angehörige von ehemaligen Tributen und Siegern Mentoren werden. Sie hatten sich freiwillig gemeldet und zwölf waren von ihnen ausgesucht wurden. Cato, der eigentlich aus Distrikt Zwei stammt, war einer davon. Sein Vater hatte an den gleichen Spielen, wie meine Eltern, teilgenommen und war von meiner Mutter getötet wurden. Zweiter sein bedeutete bei den Hungerspielen eben auch nur, dass man gestorben ist. Zwar als letzter, aber trotzdem Tod. Cato hatte, auch dank einer geistig kranken Mutter, eine schwere Zeit gehabt und wollte irgendjemandem die Schuld dafür geben. Meine Eltern waren dafür perfekt. Als er als unser Mentor gezogen wurde, war ich mir nicht einmal mehr sicher ob Haymitch und ich es überhaupt noch in die Arena schaffen oder er uns vorher umbringen würden. Wie sich herausstellte waren wir uns aber gar nicht so unähnlich. Wir versuchten beide damals unsere innere Wut, hinter einer äußeren Fassade zu verstecken. Jetzt nach den Spielen, war uns beiden einfach klar geworden, dass unser Leben, welches wir bis jetzt geführt hatten, für uns verloren war. Jeder von uns beiden, suchte nach dem Sinn seines Lebens.

Ich übernahm das Abtrocknen selber, da ich mittlerweile nicht nur Gänsehaut hatte, sondern auch fror. Immerhin ein Zeichen, dass ich noch nicht gestorben war. Kurz nach den Spielen, hatte ich dies als ein Dauergefühl, dass ich mir nicht einmal mehr sicher war, ob ich überhaupt noch lebte oder mein Körper einfach nur zu Dickköpfig war aufzugeben. Mittlerweile hatte ich dieses Gefühl nur noch an schlimmen Tagen oder Nächten. Wie heute...

Ich schälte mich aus meinen nassen Sachen und zog Catos Shirt über. Der frische Duft erinnerte mich sofort an meinen Mentor und beruhigte mich.

Fertig umgezogen folgte ich Cato in den ersten Stock des Hauses. Aufrecht sitzen beobachtete er mich vom Bett aus, als ich ins Zimmer ging und auf mein kleines Sofa zusteuerte.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt