12.Kapitel

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„I must be strong
And Carry on
Cause i know i don't belong
Here in heaven"

Ich spielte die letzten Akkorde fertig und sah auf. Alle applaudierten. Ich ließ meinen Blick durch die Menge schweifen und blieb bei einem Paar grünblauer Augen stehen. Mina war hier. Mit ihm. Sie sah mich mit strahlenden Augen an, in denen ich glaubte Tränen aufblitzen zu sehen und klatschte begeistert. Neben ihr stand Ace, sah mich spöttisch grinsend an und klatschte auch langsam in die Hände. Dieser Anblick verpasste mir einen Stich ins Herz und anstatt auf sie zuzugehen, fing ich an meine Sachen zusammenzupacken. Die Menge löste sich langsam auf und viele legten mir Geld in meinen Gitarrenkasten. Ich bedankte mich bei jedem einzelnen meiner Zuhörer. Als alle gegangen waren kamen auch mein Bruder und Mina zu mir und sie legte mir einen Fünfziger in den Kasten. „Warum so viel, Mina? Das kann ich unmöglich annehmen. Bitte nimm das..." „Das Geld behältst du, keine Widerrede, Aiden. Dein Auftritt heute war einfach atemberaubend und ich war sowieso viel zu lang nicht mehr hier. Tut mir leid." unterbrach sie mich. „Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen, Babe. Wir hatten wichtigeres zu tun." sagte mein Bruder, legte ihr rein aus Provokation eine Hand an die Hüfte und zog sie näher an sich heran. Er schaute mir die ganze Zeit über direkt in die Augen und grinste. Ich hasste ihn so sehr. Aber Mina liebte ihn und dagegen konnte ich nichts tun. Er musste mir immer unter die Nase reiben, dass er so viel besser war als ich, aber das war mir immer egal gewesen. Das Einzige was ich wollte war sie. Er hatte meinen Schwachpunkt gefunden, mir sie weggenommen und musste es mir jedes Mal aufs Neue zeigen. Ich hoffte nur, dass er es Ernst meinte mit ihr und dass er sie glücklich machen würde. Falls er es auch nur wagen würde, sie auf irgendeine Weise zu verletzen, wäre mir alles egal und ich würde ihn bis an sein Lebensende leiden lassen.

Ich schaute wieder einmal weg, da sich Verzweiflung und Enttäuschung in mir breit machte und ich mir nichts anmerken lassen wollte. „Er hat recht, Mina, du musst dich nicht dafür entschuldigen, du hattest sicherlich wichtigeres zu tun." brachte ich leise hervor. „Sag sowas doch nicht, nichts ist mir wichtiger als deine Auftritte zu sehen und dich in jeder mir möglichen Weise unterstützen zu können." sie löste sich aus Ace's Griff und nahm mein Gesicht in ihre weichen, warmen Hände, sodass ich ihr ins Gesicht sehen musste. Sie strahlte mich an und sah glücklich aus.
Aber sie war nicht glücklich mit mir, sondern mit Ace.
Trotzdem redete sie so, als ob ich ihr etwas bedeuten würde. Warum tat sie mir das an? Musste sie mich noch mehr verletzen als dass sie es eh schon tat? Meine Sicherungen brannten durch. Alle meine Emotionen bahnten sich ihren Weg nach oben und ich verlor komplett die Kontrolle.

Ich nahm ihre Hände von meinem Gesicht runter und sah nur noch rot. Unterstützen?! Tu nicht so als ob ich dir wichtig wäre! Wieso tust du das? Wieso tust du mir das an, Mina?! Macht es dir Spaß, mich leiden zu sehen? Merkst du etwa nicht was ich für dich empfinde, oder verletzt du mich für extra? Was habe ich getan, um so etwas zu verdienen?! Ich liebe dich, verdammt! Aber du hast meinen Bruder als Freund, also hör verdammt noch mal auf, mir Hoffnungen zu machen und dich wie eine Schl..." in dem Moment realisierte ich, was ich da gerade fast gesagt hätte und schlug mir die Hände vor den Mund. Minas warmer Gesichtsausdruck änderte sich wegen meiner plötzlichen Lautstärke zu einem erschrockenen. Sie trat sofort einen Schritt zurück. „W-...was wolltest du gerade sagen?" sagte sie mit zittriger Stimme und in ihren Augen bildeten sich wieder Tränen. „Mina es... tut mir Leid, es ist mir plötzlich rausgerutscht, ich meinte..." stotterte ich. „Weißt du was, Aiden? Du warst für mich immer wie ein Bruder gewesen, du warst schon immer eine der wichtigsten Personen in meinem Leben und ich habe mich immer geborgen bei dir gefühlt. Ich dachte ich könnte dir vertrauen, wir haben uns versprochen uns immer alles zu sagen und nie etwas voreinander zu verheimlichen, und anstatt mir deine Gefühle zu gestehen, machst du mir Vorwürfe ich würde dir Hoffnungen machen obwohl ich mit deinem Bruder zusammen glücklich m bin und nennst mich fast eine Schlampe? Ich dachte du wärst anders als die meisten Typen, aber ich habe mich anscheinend in dir getäuscht. Ich muss mir so etwas nicht von dir gefallen lassen. Du hast mich wirklich enttäuscht und verletzt, Aiden." sagte sie schluchzend und gegen Ende hin immer lauter werdend. Ich habe sie noch nie so wütend und entsetzt erlebt. Jedes andere Mädchen hätte mir jetzt eine gescheuert, Mina jedoch war zu gutherzig dafür, sie würde nie auch nur einer Fliege was zuleide tun. Sie blickte mich ein letztes Mal fassungslos an, machte auf dem Absatz kehrt, rannte in irgendeine Richtung davon und ließ Ace und mich somit allein. Ich sackte zu Boden und mein Herz zerbrach in Tausend Teile. Verdammte Scheisse, Aiden. Was hast du nur wieder getan?!

„Bravo, Bruderherz. Ein weiterer Aspekt der uns beide voneinander unterscheidet, du kannst nicht mit Frauen umgehen." sagte er, lachte kurz leise auf, verstummte jedoch schnell wieder. Ich reagierte nicht. Er schloss die Augen und senkte kopfschüttelnd seinen Blick. „Weißt du... du hast Mina wirklich sehr viel bedeutet und sie versucht, Streite mit Menschen die ihr wichtig sind zu vermeiden und verzeiht so gut wie alles, obwohl es sie verletzt. So hatte ich sie noch nie erlebt, ich hätte von dir am Wenigsten erwartet dass du es dir so schnell so hart mit ihr verkacken könntest." Immer noch reagierte ich nicht. Nun trat er einen Schritt näher, stellte sich direkt vor mich und sah mich von oben an. „Andererseits bin ich froh dass du diese... ‚Freundschaft' beendet hast, so muss ich es nicht tun. Ich hätte es echt nicht übers Herz gebracht eurer einseitigen Liebe ein Ende zu setzen..." Weiter kam er nicht.

„Du verfickter Bastard... Du würdest alles übers Herz bringen um mich leiden zu lassen... Du willst nur nicht dass Mina erkennt was du für ein gewissenloses Stück Scheisse du bist und jetzt bist du froh darüber dass ich es mir selbst mit ihr verschissen habe, weil du nicht willst dass sie weiß dass du Schuld an allem bist!" Langsam schaffte ich es, mich aufzurappeln. „Du wusstest schon immer wie ich für sie empfinde und hast sie mir weggenommen... Mina ist die Einzige die mir je etwas bedeutete, fuck, hättest du nicht weiter deine Schlampen ficken können?! Wieso musstest du dieses unschuldige Mädchen in dein beschissenes Spiel mit hineinziehen?! Verdammt, wieso musst du mir mein Leben zur Hölle machen?" Ich wurde mit jedem Satz lauter und kam ihm immer näher. „Ich weiß dass du in Allem besser bist als ich aber musst du es mir immer wieder unter die Nase reiben?! Was hab ich dir getan? Warum bist du so verdammt selbstsüchtig und willst mich immer leiden sehen?! ICH HASSE DICH, DU VERDAMMTES ARSCHLOCH!" Das Fass war eindeutig vollgelaufen. Die unbändige Wut brodelte in mir und ich sah nur noch rot. Mit voller Kraft verpasste ich meinem Bruder einen kräftigen Schlag ins Gesicht. Ein ekliges, knackendes Geräusch ertönte und er fiel vor Schmerz stöhnend zu Boden. Ich hatte ihm schon mindestens die Nase gebrochen. Doch dabei blieb es nicht. Ich setzte mich auf ihn drauf und schlug weiterhin auf ihn ein. Alles, was er mir in meinen fast 17 Lebensjahren angetan hat, spielte sich in meinen Gedanken ab und mit jeder schmerzvollen Erinnerung verpasste ich ihm einen weiteren Faustschlag. Es hatte sich wieder eine große Menschenmenge um uns herum gebildet, ein paar von ihnen versuchten, mich von Ace runter zu bekommen, nichts hinderte mich jedoch daran, meiner Wut freien Lauf zu lassen, bis eine sonst so sanfte Stimme mich aus meiner Rage befreite.

„AIDEN! HÖR SOFORT AUF DAMIT, WAS GLAUBST DU EIGENTLICH WER DU BIST?! ERST BESCHIMPFST DU MICH UND DANN PRÜGELST DU AUF MEINEN FREUND EIN? WAS IST NUR FALSCH MIT DIR?!" rief Mina, die mittlerweile mindestens genauso wütend war wie ich und zerrte mich mit letzter Kraft von Ace runter. Sie begann, seine Wunden zu säubern und rief der Frau neben ihr zu, dass sie einen Krankenwagen rufen soll, diese antwortete dass er bereits jeden Moment da sein müsste. Mina dankte ihr und als sie erneut zu Ace sah, wurde ihr Blick noch verzweifelter und sie begann, ihn zu küssen. Erst jetzt realisierte ich, was ich eigentlich getan hatte. Mein Bruder lag blutverschmiert vor mir und Mina weinte und versuchte alles, um ihn wieder aufzurappeln, meinetwegen. Ich streckte meine Hand aus um ihr zu helfen, sie jedoch schlug sie weg und stand blitzschnell auf. „Komm mir keinen Schritt näher, ich warne dich" sagte sie in einer bedrohlichen Stimmlage, immer noch schluchzend. In diesem Moment bog der Krankenwagen um die Ecke, die Sanitäter kümmerten sich um Ace und legten ihn wenige Augenblicke später auf die Fahrtrage, da er anscheinend bewusstlos war. Ich rührte mich nicht vom Fleck, da ich immer noch nicht richtig realisierte, was gerade passierte. „Sieh nur, was du getan hast! Hast du denn gar kein Gewissen?! Du bist ein Monster, Aiden. Verschwinde aus meinem Leben, mit Menschen wie dir will ich nichts zu tun haben. Und wage es ja nicht, deinen Bruder auch nur ein einziges Mal anzufassen!" war das letzte was sie zu mir sagte, bevor sie zu Ace und den Sanitätern in den Krankenwagen stieg und mit ihnen wegfuhr.

Please (don't) Save me.Where stories live. Discover now