Manuel schwamm zum Beckenrand, wo er sich raushievte. Ich stand noch immer wie angewurzelt da und konnte mich nicht bewegen. Ich hatte wirklich das Gefühl gehabt, er wolle es auch. Meine Lippen auf seine. Doch ich hatte mich getäuscht. Mein verliebtes Gehirn hatte sich seine Zuneigung nur eingebildet.
"Kommst du?", riss er mich aus meinen Gedanken. Etwas hektisch drehte ich mich zur Seite und sah zu dem schlaksigen Jungen empor. "Ja klar." Schnell schwamm ich zur Leiter und krabbelte aus dem Wasser. Manuel ging währenddessen vor, um sich in sein Handtuch zu wickeln. Es war komisch, dieser Augenblick zwischen uns. Keiner Sprach. Keiner traute sich den anderen anzusehen. Ich wünschte mir, ich hätte nie meinen Kopf vorgestreckt, um ihn zu küssen.
(...)
Manuel war, nachdem ich duschen gewesen bin, nun auch unter sie gehüpft. Es war nicht mehr viel Zeit, bis Mitternacht war. Ich stellte gerade Sektgläser auf den Wohnzimmertisch, ein paar Kekse und Cola. Ich wusste, dass Manu keinen Alkohol trank. Und auch ich trank ihn nur selten. Es war fehl am Platz, wenn wir welchen hätten. Er mochte ihn nicht und ihn alleine trinken, wollte ich auch nicht.
Seufzend ließ ich mich, als ich zufrieden mit dem Tisch war, auf das Polster des Sofas fallen. Zweiundzwanzig Uhr. Noch genau Zwei Stunden, dann würden tausende von Raketen in die Luft fliegen. Menschen würden sich in die Arme fallen, ihre Gläser heben und "Frohes Neues" rufen. Überall strahlende Menschen. Küssende Menschen. Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Neujahrskuss.
Ich hörte, wie die Tür des Badezimmers sich öffnete. Dann Schritte von nassen Füßen auf dem Boden. "Bin gleich da!", rief Manuel. Dann fiel die Tür von seinem Schlafzimmer zu.
Ich schenkte ihm Cola in das Sektglas ein. Etwas Stil musste man haben. Hübsche Gläser für ein tolles Silvester. Gläser, welche zu Manuel passten. Schlank und elegant. Ich schmunzelte leicht, als ich das dachte. Dann ging die Tür wieder auf und schritte, dieses mal trockene, kamen näher. Ich drehte mich, sodass ich zur Tür sehen konnte. Manuel, mit noch nassem Haar, welches sein rotes T-Shirt auch nass machten, kam und rieb sich die Hände. "Hunger." Er sprang neben mich und setzte sich im Schneidersitz hin. Er griff nach einem Keks und steckte ihn sich in den Mund. "Schwimmen macht Hungrig", sagte er schmatzend. "Das stimmt." Ich hatte keinen Hunger. Ich sah auf die zwei vollen Gläser. Dann hörte ich Manuel laut schlucken. "Bist du okay?" Ich sah ihn an. Seine Augenbrauen waren besorgt zusammengeschoben. Es erinnerte mich an mein eigenes Gesicht, welches ich trug, als er vor mir im Bett lag und schlief. Als es noch unklar war, ob er je die Augen wieder aufschlagen würde. Und wenn er es tat, ob er fähig war zu Leben wie vorher. Oder ob er für immer auf Hilfe angewiesen wäre. "Ist es wegen eben?" Ich sah weg. Mir wurde das Thema, mein Verhalten, unangenehm. Dann spürte ich seine Hand an meinem Bein. Sie war kalt, aber dennoch erwärmte sie meine Haut. Ich sah auf sie. Zärtlich strich er mir über die Hose. "Ich bin dir nicht böse. Könnte ich nie. Egal was passiert." Dann rutschte er an mich ran und gab mir einen Kuss auf die Wange. Für eine kurzen Augenblick dachte ich daran, meinen kopf zu drehen. "Ausversehen" seine Lippen mit meinen zu treffen. Und im zweiten Augenblick dachte ich an seine Worte. Er könne nie auf mich böse sein. Ich musste ironisch darüber aufschnaufen. Es klang richtig belustigt. "War das jetzt so lustig?", kicherte Manuel. Nun drehte ich meinen Kopf zu ihm. "Ich habe mich nur an was erinnert." "An was?" Er klang so neugierig. Wie ein kleines Kind, das auf die Fortsetzung einer Geschichte wartete. Aber ich konnte die wahre Geschichte nicht erzählen. Mir zog sich der Magen zusammen. "Erzähle ich dir wann anders", sagte ich also gequetscht.
Manuels Hand wich von meinem Bein. Sie ging zu einen der Gläser. Er reichte es mir. "Auf unsere Freundschaft." Das zweite hatte er sich genommen. "Auf unsere Freundschaft." Wir stießen an, sahen uns sogar beim trinken tief in die Augen. Beide am schmunzeln. Mein Schmunzeln war ein verliebtes, seins ein freundschaftliches.
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Amnesie / Kürbistumor Fanfiction
FanficMonatelang wurde um sein Leben gebangt, bis er endlich seine Augen aufschlug und aus dem Koma erwachte. Doch er konnte sich an nichts erinnern. Nicht einmal an seinen besten Freund.