Stöhnend hiefe ich meine Reisetasche über die Lücke zwischen Zugeinstieg und Gleis, doch sobald ich festen Stand gefunden habe, werde ich auch direkt wieder von genervten Zu- und Aussteigern zur Seite gedrängt. Ich höre ihr leises Gemurmel und die genervten Kommentare, doch ich lasse mich gar nicht weiter stören, denn niemand kann mir dieses letzte stressfreie Wochenende vermiesen. Ich stelle mich etwas zur Seite, ordne mich schnell und reihe mich schließlich in die fließende Menschenmasse ein, die sich Richtung Bahnhofsausgang bewegt.
'Das ist also Aachen', denke ich mir, als ich so vor dem Bahnhofsgebäude in der Herbstsonne stehe. 'Bis jetzt ja noch nicht so spannend, aber mal sehen was mich so erwartet'. Einen Augenblick lasse ich mir noch Zeit, nehme einen tiefen Atemzug der angenehmen Herbstluft in meine Lungenflügel auf und lächle mit geschlossenen Augen in den Himmel hinein. 'Na dann, packen wir es mal' sage ich innerlich zu meiner selbst, festige meinen Griff um meine Tasche und mache mich bis jetzt noch ziellos auf den Weg. Ich habe den groben Plan erst einmal in Richtung Innenstadt zu pilgern, so sehe ich bereits viel von der Stadt, spare mir das Taxi- oder Busgeld und kann die gesunde Luft genießen. Es ist glücklicherweise echt ein super schöner Herbsttag und ich muss kein Stück frieren, auch wenn ich keine Jacke anhabe.
Ich schlendere gemütlich durch die Straßen und kleinen Gassen Aachens und bewundere all die alten Häuserfassaden. Bevor ich hergefahren bin, habe ich mich natürlich ein bisschen informiert und herausgefunden, dass ein Großteil der Gebäude in der Innenstadt sogar Denkmal geschützt sind. Ziemlich beeindruckend. Ich habe bei meiner Recherche auch herausgefunden das jemand ganz besonderes sich in einem Denkmal niedergelassen hat. Immer wieder ist nämlich bei meiner Google-Aktion der Name Julien aufgetaucht. Bei dem Gedanken an ihn schwelge ich in Erinnerungen. Vor einiger Zeit bereits, war er meine Lieblingsperson, die auf Youtube vertreten war. Er war immer jemand, der auf mich sehr bodenständig, hart arbeitend, kreativ und super sympathisch gewirkt hat. Seine Präsenz war für mich immer eine Aufmunterung und seine Beiträge anzuschauen, hat mir immer wieder in tiefen Phasen meines Lebens geholfen und ich wollte ihn auch immer schonmal persönlich kennenlernen, was sich jedoch nie ergeben hatte. Irgendwann habe ich aber etwas Abstand von Youtube genommen und seine Aktivität nicht mehr weiter verfolgt und bis dato ist mir auch nur bekannt, dass er nach Aachen zurückgezogen sein soll. Sollte ich ihm hier also begegnen, dann wäre das fast so, wie einen alten Freund zu treffen, mit dem Unterschied, dass er mich nicht kennt und wir keine Freunde sind lol. Trotzdem wäre es irendwie schön hier ein mir bekanntes Gesicht zu sehen.
Während ich so in Gedanken durch die Gassen streife und die warme Sonne genieße, bekomme ich rein gar nichts meiner Außenwelt mit und somit auch nicht, dass ich mehrere Male von hinten angehupt werde. Nur ganz langsam wird das von mir unterdrückte Geräusch immer präsenter, bis es schließlich so laut ist, dass ich völlig zusammenzucke und vor Schreck zur Seite springe. Fast verliere ich mein Gleichgewicht durch die schwere Reisetasche, kann mich aber noch gerade so an einer Hauswand abstützen. Aus dem vorbeifahrenden Auto höre ich nur noch einen älteren Mann vor sich hin fluchen, aber ich achte gar nicht mehr auf den Inhalt. Ich klopfe mir den Dreck der Hauswand von den Händen und inspiziere diese genauer auf Schürfwunden, aber zu entdecken ist nichts. 'Irgendwie ja selber Schuld' rede ich mit mir selbst, 'warum musst du auch immerso Gedankenverloren sein, Mei?' Ich schüttle genervt von mir selbst meinen Kopf und will mich gerade wieder weiter auf den Weg machen, da wird meine Aufmerksamkeit durch lautes Gelächter und Stimmen auf eine Gruppe junger Menschen gelenkt, die ein paar Meter vor mir aus einem Hauseingang gestolpert kommen. Ich knie also immernoch vor meiner Tasche und starre schon fast unhöflich auf die Gruppe, die mir wie es scheint alles Freunde sind, bis sich plötzlich eine Person der Gruppe in meine Richtung dreht und wahrscheinlich meinen Blick im Rücken gespührt hat. Ich fühle mich total ertappt und bin auch etwas überrumpelt, weshalb ich schlussendlich doch noch mein Gleichgewicht verliere und auf meinen Allerwertesten plumpse. Leise fluche ich vor mich ihn, während ich bemerke, dass die Person, oder eher der Kerl der mich entdeckt hatte, inzwischen auf mich zu schreitet. Ich will eigentlich gar nicht mehr aufstehen, sondern ehrlich gesagt immer tiefer im Boden versinken, da ich mich so gerne vor der Reaktion des Typen drücken möchte. Besagte Person hat mittlerweile auch direkt vor mir Halt gemacht und räuspert sich um meine Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen.
Langsam bewege ich dann doch meinen Kopf und lasse meinen Blick von den Füßen beginnend, an der Person hochschweifen, bis ich schließlich am Gesicht angelangt bin. Da die Sonne aber genau über dem Kopf des Mannes auf mich herunterscheint, kann ich nur grobe Umrisse erkennen. Er scheint meinen verkrampften Blick zu bemerken und geht langsam in die Hocke um sich auf mein Level zu begeben...
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Wochenende mit Überraschungen - Julien Bam Short Story
FanfictionDie 19 Jährige Mei möchte vor Beginn ihres Studiums noch etwas Urlaubsfeeling und Ruhe genießen, sie entschließt sich deshalb für einen schon lange fälligen Städtetrip. Ihr Weg führt sie nach Aachen, wo, soweit sie sich erinnern kann, auch einer ihr...