13.Kapitel

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„Kennst... Kanntest du eine Mina Anderson?"
Fuck. Ich wusste es. Schon als ich seinen Nachnamen hörte, fiel mir alles wieder ein.
Er war der Aiden, von dem meine Schwester damals gesprochen hatte.
Er war der Typ, der sie vor seinem eigenen Bruder warnen wollte.
Er war der Typ dem sie wichtig war.
Und er war auch der Typ, der Ace mehrmals krankenhausreif geschlagen und ihn mit seinen eigenen Eltern aus der Stadt gejagt hat.
Er war ein Held, verdammt.
Aber musste er diese Frage stellen? Als ich ihren Namen hörte fing mein Herz an zu schmerzen. Ich war nicht bereit hierfür und obwohl ich diese Frage bereits erwartet hatte, hatte ich keine Antwort auf sie. Sollte ich ihn die Wahrheit sagen und damit das Risiko eingehen, noch mehr über meine Vergangenheit erzählen zu müssen? Oder sollte ich ihn einfach anlügen und aus meinem Leben verschwinden lassen? Ich stand auf dem Schlauch und versuchte, die möglichen Vor-und Nachteile beider Seiten zu vergleichen und eine plausible Entscheidung zu treffen. Da mein Hirn gerade jedoch Matsch und somit nicht imstande war zu denken, hörte ich auf mein Herz und hoffte diese Entscheidung später nicht zu bereuen.

„Ja... Ich kannte sie. Sie war meine Schwester." sagte ich zögerlich und schaute ihm direkt ins Gesicht. Seine Augen blitzten auf, er murmelte ein „Ich wusste es..." und überlegte wohl, was er als nächstes sagen sollte. Er entschied sich für das klassische „Es tut mir so verdammt leid. Es muss echt schwer für dich sein..." Ich seufzte. Nicht diese Mitleidsnummer schon wieder. „Hör zu. Ich brauche dein Mitleid nicht. Ich bin gerade dabei, die ganze Sache zu verarbeiten und die Tatsache, dass du mir begegnet bist macht das ganze nicht einfacher." „Glaub mir, mir geht es genauso. Als wir gestern zusammengestoßen sind habe ich direkt Mina in dir wiedererkannt. Ihr seid euch wirklich ähnlich..." sagte er nachdenklich und musterte mich. Als ich nicht antwortete, sprach er einfach weiter. „Also tut mir leid, falls dich die Frage überrumpelt hat aber ich musste mir einfach sicher sein. Ich hoffe ich habe dir damit nicht zu sehr wehgetan... Jedenfalls will ich dir einfach sagen dass ich in etwa weiß was du gerade durchmachen musst und ich dir zur Seite stehen will falls etwas sein sollte..." sagte er und fuhr sich durch die Haare, anscheinend war er sich unsicher wie ich reagieren würde. Wie süß. „Danke für das Angebot, Aiden, aber mir geht es blendend."
Nicht.
„Außerdem habe ich professionelle Hilfe und Freunde mit denen ich jederzeit reden kann."
Nicht.
Oh man, ich konnte ja mal so überhaupt nicht lügen. „Oh wow, du bist echt eine schlechte Lügnerin, genau wie Mina" erwiderte er schmunzelnd und wieder seufzte ich. „Würdest du netterweise aufhören, mich die ganze Zeit mit meiner Schwester zu vergleichen? Ich bin nicht ihr Ersatz sondern auch nur ein Mensch" Sein Schmunzeln verwandelte sich augenblicklich in einen aufrichtigen Gesichtsausdruck. „Nein nein, so war das nicht gemeint, tut mir echt leid" Irgendwie dachte ich er wäre... härter vom Charakter her.„Hör auf dich für alles zu entschuldigen, ist schon ok, ich kann das alles gut nachvollziehen. Und ich würde mich ja an dich wenden da dir die ganze Sache anscheinend auch ziemlich zu schaffen macht und du scheinst... schienst das Herz am rechten Fleck zu haben, aber mit Typen wie dir möchte ich eigentlich nichts am Hut haben, ich hoffe das kannst du verstehen." er schaute mich total verwirrt an. „Was meinst du mit ‚Typen wie mir'?" Ach komm schon, hatte ich mich echt nicht deutlich genug ausgedrückt oder stellte er sich nur dumm? „Na du weißt schon... Die, die lauter Mädchen vorgaukeln dass sie ihnen wichtig wären, sie dann ausnutzen und am Ende links liegen lassen. Die Sorte von Typen meine ich..." „Wer hat denn gesagt dass ich mit dir schlafen will?" erwiderte er direkt. Okay, Autsch. „Ach fuck, sorry... So war das nicht gemeint, ehrlich, ich will nur nicht dass du etwas falsches von mir denkst. Ich bin nicht der für den du mich..." Jetzt unterbrach ich ihn.  „Aiden, was willst du eigentlich? Wenn du mich nur herbestellt hast um meine Zeit zu verschwenden, hast du deine Mission erfolgreich erfüllt." gab ich ziemlich zickig von mir. Hatte mich sein Kommentar von gerade eben etwa so verletzt? „Ach scheisse, ich kann immer noch nicht mit Frauen umgehen, tut mir..." Er stoppte mitten im Satz, da er seinen Fehler selbst bemerkte. Warum entschuldigte er sich immer? „Sorry aber das wird mir langsam echt zu blöd. Ich hab gerade echt keine Zeit für dumme Spielchen." Ich drehte mich genervt um und wollte gerade gehen, als er mein Handgelenk ergriff, mich umdrehte und an dieser Stelle ein starkes Kribbeln hinterließ. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Hatte der Milben oder so?
„Hör mal, mein Angebot von vorhin steht noch. Ich weiß wie du dich fühlst und ich finde, wir sollten die Sache nicht allein durchstehen müssen." damit drückte er mir einen Zettel in die Hand und machte auf dem Absatz kehrt. „Warte" rief ich ihm hinterher, woraufhin er stehen blieb. „Bitte erzähl niemandem worüber wir geredet haben oder inwiefern ich etwas mit ihr zu tun hatte... ich möchte nicht, dass irgendjemand etwas darüber erfährt." „Kein Problem, das bleibt unser kleines, dreckiges Geheimnis." er lachte kurz leise auf und ging weiter. Auf einmal jagte mir eine angenehme Gänsehaut über den Körper. Man, war es auf einmal kalt hier drinnen geworden.

Damit niemand von seinen Jungs einen Verdacht schöpfte, ging ich kurz aufs Klo und danach erst zu Jessi zurück, die mich mit einem Pedo-Grinsen beobachtete.„Uuund? Wie wars? Worüber habt ihr denn so ‚geredet'?" fragte sie mich direkt aus und zwinkerte mir zu. „Er ist ein alter Bekannter von mir und ich hab ihn zuerst nicht wiedererkannt, er mich aber schon und wir haben Nummern ausgetauscht um in Kontakt zu bleiben." Ich war stolz auf meine Ausrede, die ich mir gerade eben auf dem Klo ausgedacht hatte. Sie schaute mich enttäuscht an. „Mehr nicht? Den hättest du dir krallen sollen, er sieht echt süß aus." sie sippte ein wenig an Ihrem Latte während ich sie fassungslos anstarrte. „Naja, aber was nicht ist kann ja noch werden, stimmt's oder hab ich recht?" Stille. „Hast du mir eigentlich zugehört, als ich dir vor einer Viertelstunde gesagt habe, dass ich nichts mit denen zu tun haben will?" fragte ich sie, da ich ihre Denkweise nicht nachvollziehen konnte. Gerade eben sagte sie noch, ich soll mich von denen fernhalten und jetzt? „Das war doch nur ein Scherz, man. Du bist ein viel zu herzensguter und unschuldiger Mensch um dich auf solche dreckigen Sachen einzulassen, das weiß ich doch. Außerdem macht der Junge diese ganze Sache nicht aus Spaßgründen wie alle Anderen, das sieht man wenn man ihn etwas länger beobachtet." sagte sie, als wäre das eine selbstverständliche Tatsache, die ich dumme Nuss als einzige nicht verstand. „Hä?! Wie meinst du das?" Ich war wirklich verwirrt. „Er macht das aus Verzweiflung, diese ganze Playboy-Masche. Irgendetwas Schlimmes scheint bei ihm passiert zu sein, und er sieht in diesem ganzen Fuckboy-Ding eine Möglichkeit, seinen Schmerz zu verarbeiten, weil er nicht weiß wie er das sonst anstellen soll. Man sieht ihm seine Unsicherheit und sein Unwohlsein direkt an, glaub mir, das wird nicht lange halten. Er wird bald merken, dass das Ganze nichts für ihn ist. Er hat eine viel zu positive Aura. Außerdem war er noch nicht in Tylers Gruppe als ich mit ihm zusammen war und das war vor ungefähr 2 Jahren, es muss also nicht lange zurückliegen." Bitte was?! Wie hat sie das so schnell herausfinden können? Und... stimmte das? Waren Schmerz und Verzweiflung die Gründe, warum Aiden sich seit Minas Tod so verändert hatte? War das wirklich einfach nur seine Art, die ganze Sache zu verarbeiten? „Vielleicht kannst du ihm helfen, seinen Schmerz auf eine andere Weise zu verarbeiten. Irgendwie hab ich das Gefühl dass du die einzige bist, die ihn..." sie überlegte kurz und versuchte ihre Wortwahl richtig zu treffen. „Die ihn retten kann." Ich? Aiden retten? Ich konnte mich ja nicht mal selbst retten. Aber was, wenn sie recht hatte? Tausende von Fragen kamen auf und überforderten meinen Kopf. Sollte ich ihn wirklich anschreiben und mich in seine Angelegenheiten einmischen? Ich versuchte, ein wenig vom Thema abzulenken und meine Entscheidung auf später zu verlegen.
„Deine... Fähigkeit Menschen zu analysieren ist einfach unglaublich, Jessi." sagte ich erstaunt und immernoch komplett baff. „Ich weiß" sie grinste mysteriös.

Please (don't) Save me.Where stories live. Discover now