101|Tränen vergießen

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Mit bestürztem Gesichtsausdruck schellte mein Kopf nach links. Da war er.
Von der Rückbank vorgerückt und mich breit angrinsend.
-Kenan.

~

Wütend holte ich aus und verpasste ihm eine. Er sah mich entsetzt an, doch schlug mir auf den Hinterkopf. Serdar sah flüchtig zu uns, doch sagte nichts und fuhr in angemessenem Tempo weiter.

„Raus! Was machst du hier?", schrie ich ihn an und spürte wie meine Tränen aufkamen. Meine Unterlippe fing an zu bibbern, was ich unterdrücken wollte.

„Erstens, du darfst mich nicht rausschmeißen, wenn dann nur Serdar. Zweitens, ich fahre in die Lounge und dann essen.", antwortete er seelenruhig und grinste mich teuflisch an. Dass er noch so viel Mut hatte mich zu provozieren. Ich schnallte mich ab. Na warte. Ich lehnte mich etwas zurück und war in diesem Moment so unglaublich dankbar dafür, dass ich Shorts trug und kein Kleid oder Rock.

Voller Verzweiflung fing ich an Kenan zu schlagen, der sich nach hinten lehnte und versuchte meinen Schlägen auszuweichen. Ich holte weiter aus und sah zwischen seine Beine. Der einzige Ort, den ich erreichen konnte. Er bemerkte meinen Blick. Ich sah in seine Augen, die mich bedrohlich anfunkelten. „Wehe!" Ich holte aus und wollte, mit der Faust, zwischen seine Beine schlagen, aber er griff nach meiner Hand und zog mich nach hinten. Ich schrie auf und fiel neben ihm auf die Rückbank.

„Alter Kenab hör doch auf!", fauchte Serdar ihn an und sah durch den Rückspiegel zu uns,„Ihr beide seid wie kleine Kinder!" Ich strich meine glatten Haare aus meinem Gesicht und sah ihn wütend als auch derbe traurig an. Meine Beine lagen halb auf seinem Schoß. Sofort zog ich sie runter und schlug ihm nochmal auf den Arm.

„Arschloch! Penner!", keifte ich und setzte mich aufrecht hin. Er lehnte seinen Kopf zurück.

„Hast du's auch mal?", fragte er genervt. Ich sah mich um und holte meine Clutch, die noch vorne lag zu mir um Kenan damit auf den Kopf zu schlagen. Er zuckte kurz zusammen, sah dann doch genauso genervt zu mir auf. Ich schlug ihm erneut auf den Kopf. „Und?" Erneut schlug ich ihm auf den Kopf. Er fuhr sich über sein Gesicht und lehnte sich zurück.

„Nein hab ich nicht, denn du lebst noch!", schrie ich ihn an. Er griff nach meiner Tasche und warf sie achtlos wieder nach vorne.

„Mäulchen halten und ruhig dort sitzen.", befahl er mir und zeigte auf den anderen Platz,„Oder brauchst du noch einen Sitz?" Ich knurrte weshalb er amüsiert wieder vor sich sah. Es gefiel ihm mich zu nerven.
Tja mir gefiel es ganz und gar nicht!
Seine Hand legte er wieder am Sitz vor sich ab und rückte etwas vor.

„Bruder halt mal an.", sagte er an Serdar gewandt, der seufzend anhielt. Kenan stieg aus und ich dachte wirklich für zwei Sekunden er würde gehen. Oder Serdar würde einfach weiterfahren, doch nach diesen zwei Sekunden, die Kenan außerhalb des Autos war stieg er vorne ein. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
Etwas fiel auf mich und das Schimmern aus der kleinen Lücke zwischen meinen Fingern zeigte mir, dass es meine Clutch war.

„Das wird ein riesen Spaß.", freute Kenan sich und sah mich provozierend an,„Oder nicht?" Wütend umklammerte ich meine Tasche. Wieso war er nur hier? Warum?

[...]

Ich schlürfte an meinem Softdrink mit gesenktem Blick. Als wir im Klub ankamen ging ich sofort auf Klo um meine Wuttränen rauszulassen, ganz vorsichtig, denn meine Mascara war nicht wasserfest.

Nachdem ich das getan hatte, ging ich zurück und Kenan hatte mir ein Glas Wasser bestellt mit der Begründung ich hätte schon genug Alkohol für die nächsten fünf Jahre gehabt.
Dabei fiel mir auf, wie Serdar ihn ansah. Irritiert und prüfend. Als wäre er eifersüchtig gewesen. Dieser Blick gefiel mir auch extrem gut und machte mich um einiges glücklicher, doch die Zufriedenheit verschwand auch sofort damit, als er irgendwann verschwand und sich mit einem blonden, knapp angezogenen Mädchen unterhielt.

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