N e u n

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- 2 Wochen später –

Inzwischen hatte ich mich damit abgefunden, dass ich nicht mehr zurück nach hause konnte – Zumindest in absehbarer Zeit nicht.

Stattdessen schlich ich mich durch die Wälder und vermied es, in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen. Meistens versteckte ich mich dann zwischen den Bäumen und wartete, bis der oder diejenige verschwunden war.

Ich trottete gerade über einen steinigen Weg, der mich zu meinem nächsten Ziel – einem in der Nähe gelegenen Dorf – führen sollte, als ich plötzlich laute Stimmen und Gelächter hörte. Bevor ich auch nur reagieren konnte, traten ein Mann und eine Frau aus dem Schatten des Waldes und steuerten direkt auf mich zu. ,,Bist du auch auf dem Weg nach Skyr?", freundlich lächeln d sah sie mich an. Zögernd nickte ich, obwohl ich mir nicht einmal sicher war, was dieses Skyr eigentlich war. Die Beiden trugen die Ausrüstung eines Bauern, sie ein braunes Kleid mit einem grauen Mantel darüber, der auch schon mal bessere Tage gesehen hatte und er eine schwarze Hose, dazu passende Stiefel, und eine dunkelbraune Jacke, auf der sich ein paar dunkelgrüne Flecken befanden. Ohne ein weiteres Wort nahmen sie mich in ihre Mitte und die Frau fuhr damit fort, geschwätzig über Gott und die Welt zu reden, während ich nur schweigsam einen Fuß vor den nächsten setzte.

,,Besonders gesprächig bist du ja nicht, oder?" Der Mann stupste mir in die Seite und betrachtete mich fast schon herausfordernd. ,,Ach, lass sie doch in Ruhe, Leirout.", die Frau sah ihn strafend an und ignorierte geflissentlich, dass er bei ihren Worten die Augen verdrehte. Stattdessen setzte sie ihren Redeschwall fort. ,,Stell dir vor, in dem Dorf, aus dem wir gerade kommen, fand eine Hexenverbrennung statt." Bei ihren nächsten Worten stellten sich mir die Nackenhaare auf. ,,Wir wollten gerade unsere Teller und Töpfe verkaufen, als plötzlich diese arme Frau auf den Marktplatz gezerrt wurde.", ihr Blick schweifte in die Ferne. ,,Die ganzen Menschen sind von überall her gekommen, um sie brennen zu sehen. Sie hat sich nicht einmal gewehrt, als das Holz angezündet wurde... Hat nur so stolz das Kinn gereckt und in den Himmel geschaut, als würde sie auf irgendetwas warten." Bei dem Gedanken daran schüttelte sie sich. ,,Also... Das ist nichts für meine Arme Seele."

Der Mann schnalzte mit der Zunge. ,,Du bist viel zu weichherzig, Lydia. Die Frau war eine Hexe. Wahrscheinlich hat sie schon tausend Kinderleben auf dem Gewissen. Sei lieber froh, dass die weg ist." Ich senkte den Kopf bei seinen Worten. Die Kälte drang plötzlich mit voller Wucht in meinen Körper zurück und drohte, mich zu verschlingen.

Ich war nicht dumm – Ich wusste, was mit den Leuten passierte, die der Hexerei angeklagt wurden. Noch immer plagten mich nachts schreckliche Albträume, in denen ich dabei zusehen musste, wie Tante Lyra verbrannte, gemischt mit dem Geschrei einer anderen Frau, die nach ihren Kindern rief. Da war ein schwarzes Nichts in meinen Gedanken, das immer stärker zu werden schien und vor allem in der Nacht fast meinen gesamten Verstand einnahm. Etwas dunkles, bedrohliches, das ich nicht kannte und was mich erst seit meiner Flucht verfolgte.

,,Möchtest du mit uns zu Abend essen?" Ich schreckte aus meinen dunklen Gedanken auf und starrte die beiden vor mir verwirrt an. ,,Was?", krächzte ich und erschrak selbst ein wenig über meine Stimme, die wegen des kalten Wetters so ungewohnt rau klang. Lydia wiederholte ihre Frage und sah mich offenherzig an. Sie war nur etwas älter als ich – vielleicht fünf Jahre – doch ich konnte schon einen harten Ausdruck in ihrem Gesicht erkennen – ein Zeichen dafür, dass sie viel Arbeit gewohnt war.

Mir entging nicht, dass Leirout ärgerlich seine Stirn runzelte. Ganz offensichtlich wollte er mich nicht dabeihaben und das konnte ich ihm nicht einmal verübeln. Immerhin schienen die beiden nicht die reichsten zu sein. Für einen kurzen Moment dachte ich daran, ihr Angebot einfach abzulehnen, doch dann erinnerte ich mich, dass das Geld, welches Samuel mir gegeben hatte, fast aufgebraucht war, und ich nickte.

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