13 Feuer

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Als sie von den Zinnen Brückfeldingsteins auf die Ankunft der Eskorte  gewartet hatte, war ihr vieles durch den Kopf gegangen - jedoch nicht,  dass sie sich den ganzen Winter über langweilen würde.
Ihre Hoffnung, ihn mit Zärtlichkeiten, Spielen und Festen zu füllen, war längst nur eine weitere, die enttäuscht wurde.

Nach  ihrer Vermählung und dem Beginn des Achtmonats hatte sie noch einen  Versuch gewagt, den König zu einem Fest am Beginn des Frühjahrs zu  überreden. Überall um die Dörfer brannten dann die Frühsonnenfeuer und begrüßten das neue Jahr.
Er hatte sie nicht aussprechen lassen  und sich mit den Worten entzogen, seine Mutter sei für diese Art von Vergnügungen verantwortlich.
Wie für alles andere, hatte Adhara verdrossen gedacht, jedoch geschwiegen.

Es war es ihr gelungen, sich ein Herz zu fassen und sie war zu ihrer Schwiegermutter gegangen. Adhara hatte einfach darauf gehofft, dass die alte Königin ihr Anliegen verstehen werde. Sie war schließlich ebenfalls eine Frau und einmal jung gewesen.
Das Gespräch verlief jedoch in einem Maße ernüchternd, das sie, wie vieles in der letzten Zeit, nicht vorhergesehen hatte.

Die  Königinmutter empfing sie in ihren privaten Gemächern und bot ihr Tee  an.
Deren Räume waren zweckmäßig, aber erlesen eingerichtet. Es gab jedoch keine verspielten Muster oder überbordende Verzierungen, wie in Adharas  Kammern.
„Was kann ich für Euch tun, meine Teure?", eröffnete die  Ältere das Gespräch und nippte an ihrer Tasse. „Es ist Euch doch recht,  wenn wir die Förmlichkeiten bei Seite lassen. Immerhin, gehört Ihr  nun zur Familie und ihr werdet uns einen Enkel oder mehrere", an dieser  Stelle hob sie die schmalen Brauen ein wenig, „schenken, nicht wahr?"
Adhara nickte und nahm ihrerseits einen Schluck des Tees. Er duftete köstlich.
„Wir bemühen uns, unseren Pflichten gerecht zu werden, Majestät. Mutter", setzte sie nach.
Die alte Königin musterte sie eindringlich.
„Bemühen? Was heißt bemühen?"
„Ich..." setzte Adhara an.
„Mein  liebes Kind", wurde sie unterbrochen, bevor sie etwas erwidern konnte.
„Ich kenne meinen Sohn sehr gut. Ich ahne, welchen Eindruck Ihr von ihm  habt. Streitet es nicht ab!"
Sie nippte an ihrem Tee und stellte die  Tasse dann entschieden auf einen Tisch neben sich.
„Er hat eine  schwache Gesundheit und ich habe oft um ihn gebangt. Vom ersten Tag an,  als die Hebammen ihn mir gaben und mir mit Grabesmiene sagten, er hätte  Salz auf der Stirn*."
Adhara hielt sich an ihrer Tasse fest und bemühte sich, eine gefasste Miene zu bewahren.
„Alle  haben sie prophezeit, er würde das achte Jahr nicht erleben. Dann das  zehnte, das fünfzehnte."
Die Königin Mutter kniff verbittert ihre Lippen  zusammen, die vom Alter schmal geworden waren.
„Aber da ist er.  Sechzehn Jahre. Volljährig. Vermählt." Sie nahm ihre Tasse wieder auf, und nippte an ihrem Tee, während ihr Blick in die Vergangenheit gerichtet war. Ein Hauch von Stolz schwang in ihren Worten mit.
„Habt Ihr, meine Teure, Euch nicht gefragt, warum ihr so plötzlich herbeigeschafft wurdet?"
Adhara schluckte trocken, aber die andere fuhr ungerührt fort:
„Das  Reich braucht einen Erben. Es gab keine frühere Übereinkunft über eine  geeignete Jungfer. Die ganzen hochadeligen Häuser lauerten nur darauf, dass der Junge  vor seinem Sedekionat stürbe, damit sie ihren eigenen Kandidaten auf  den Thron setzten könnten." Die Königinmutter lächelte grimmig. „Aber er  lebt."

Da man sich nicht vor dem sechzehnten Lebensjahr vermählen durfte, war es üblich, es zu tun, sobald man das Sedekionat gefeiert hatte.
Adhara hätte längst selbst an der Seite eines Barons nahe Brückfelding gelebt, wenn ihr Verlobter nicht bei einem Jagdunfall verunglückt wäre.
Ihr war jedoch nicht bewußt gewesen, dass es um den König so schlimm stand und sie deshalb so überstürzt zu seiner Gemahlin gemacht worden war.
Bisher hatte sie tatsächlich angenommen, sie hätte ihm gefallen. Nun verstand sie auch seine Zurückweisung.

„Das macht mich sehr froh", versuchte Adhara mehr sich selbst, als die alte Königin zu überzeugen.
Die  gab einen Laut von sich, der ein Lachen sein konnte. „Natürlich seid  ihr das", stellte sie in einem Ton fest, der keinen Zweifel daran ließ,  dass sie die höfliche Lüge durchschaute.
Ihre Augen verengten sich ungnädig und sie richtete ihren Blick auf ihr Gegenüber.
„Das Land benötigt dringend einen Erben. Also bemüht Euch. Bemüht Euch sehr! Nach all  den Jahren des Hungers ist das Land nicht für einen Kampf um die  Erbfolge gerüstet."

Wenn der Schnee fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt