Irgendwie war es mir unangenehm, mit ihm an der Hand zu laufen, obwohl seine Hand groß und sehr angenehm zu halten war. Aber immerhin waren wir kein Paar und allein laufen konnte ich auch. Falls uns jetzt jemand sehen würde wäre ich geliefert. Die Gerüchteküche würde nur so vor sich hinbrodeln und ich wollte mir schon gar nicht ausmalen was mir Aidens kleine Fangirls alles antun würden. Aiden selbst schien das Ganze allerdings nicht zu stören, da er ohne sich auch nur einmal zu mir umzudrehen weiterlief. Der Weg war nicht weit und wir waren schneller da als ich erwartet hatte. Wir standen nun vor einem kleinen Diner im amerikanischen Stil, Aiden ließ endlich meine Hand los und ich war merkwürdigerweise nicht erfreut, wenn nicht sogar etwas enttäuscht darüber. Im nächsten Moment griff er jedoch nach der Türklinke um mir die Tür aufzuhalten und ich spürte wie mir die Hitze in die Wangen stieg. Aiden schien das nicht entgangen zu sein, denn ich konnte ein kleines Grinsen auf seinem Gesicht erkennen. Gott, was machte dieser Junge nur mit mir? „...Kaya?" er riss mich aus meinen Gedanken und schaute mich fragend an. Wir waren anscheinend schon im Inneren angekommen. „Äh, ja?" ich starrte nur verdutzt zurück. „Ich hab gefragt wo du sitzen willst" sagte er schmunzelnd. „Ist mir eigentlich egal... wie wäre es mit der Ecke da hinten?" Ich wurde schon wieder rot. Man, war das peinlich. Wir gingen zum Tisch an der hinteren Ecke und Aiden setzte sich mir direkt gegenüber. Das Restaurant (falls man das so nennen konnte) war sehr schlicht in rot und weiß gehalten, überall waren Kacheln zu finden, nur die Sitzbänke und Theken waren aus Holz mit rotem Bezug. Es waren relativ viele Leute da, auch viele in meinem Alter, die öfters zu uns hinüberschielten, was mich langsam nervös machte. Ich hasste es Aufmerksamkeit zu bekommen, Aiden war das aber anscheinend gewohnt, da er die Blicke gekonnt ignorierte. Während er sich die Karte anschaute, musterte ich unauffällig zum erneuten Mal sein Gesicht. Er hatte seinen Stoppelbart abrasiert und sah viel besser als letzte Woche vor unserem Gespräch aus. Seine Stirn war in Falten gelegt und seine blauen Augen huschten über die Zeilen der Karte. Ich war mal wieder so von seiner Kieferpartie fasziniert, dass ich nicht merkte dass die Bedienung schon da war und ungeduldig auf unsere Bestellung wartete. Gott war die hässlich. Sie hatte platinblond gefärbte Haare, aufgespritzte Schlauchbootlippen und trug viel zu viel Make-up. „Ihre Bestellung bitte?" sagte sie zuckersüß während sie in Aidens Richtung schaute. Er bestellte ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen eine Cola und einen Burger mit Pommes, dann schaute er mich an und fragte was ich wollte. Da ich die Karte nicht einmal aufgeschlagen hatte antwortete ich mit einem „Dasselbe bitte" und schaute sie meiner Meinung nach freundlich an. Wenn Blicke töten könnten, könnte Aiden jetzt mein Grab schaufeln. Was hatte diese blöde Kuh denn? Ach, da war ja mein Charakter wieder. Ich hatte ihn schon vermisst. „Man, war die unhöflich" murmelte ich kleinlaut als sie weg war. „Findest du? Ich finde sie war ganz nett" entgegnete er. Autsch. Merkte er denn nicht dass diese platinblonde Möchtegern-Barbie sich an ihn ranmachen wollte? Auf einmal fing er an zu lachen. Oh nein, hatte ich etwa laut gedacht? „Bist du etwa eifersüchtig auf die platinblonde Möchtegern-Barbie?" Ups. „Eifersüchtig? Ich? Niemals. Warum sollte ich?" stammelte ich und versuchte cool zu wirken, woran ich kläglich scheiterte. Mein Selbstbewusstsein verschwand so schnell wie es gekommen war. „Du kannst zwar nicht lügen, aber du bist süß wenn du eifersüchtig bist." hatte er mir gerade ein Kompliment gemacht? In dem Moment kam die blonde Tussi zurück und ich war ehrlich gesagt froh darüber, da ich nicht wusste was ich erwidern soll. Sie wünschte uns noch einen guten Appetit, wobei das meiner Meinung nach eher nur an Aiden gerichtet war und wir begonnen zu essen. „Warum hast du mich eigentlich nicht angeschrieben?" unterbrach Aiden die angenehme Stille die zwischen uns lag. Ich schaute ihn an und er schien die Frage direkt zu bereuen. Bevor er sie zurückziehen konnte sagte ich „Naja, ich hatte bis jetzt ziemlich Stress und keine Zeit dafür gehabt, aber wenn ich morgen die letzte Arbeit für die nächsten Paar Wochen geschrieben habe, wird da bestimmt ein bisschen Zeit frei" sein Gesicht hellte sich bei den letzten Worten etwas auf. Das war bestimmt nur Einbildung, ich meine es konnte doch echt nicht sein, dass sich so ein perfekter Typ für mich interessierte... Oder? „Warum willst du eigentlich Zeit mit mir verbringen?" mein Ton war skeptischer als erwünscht. Ich hoffte inständig dass er nicht nur aus Mitleid oder als Ersatz für Mina mit mir abhängen wollte. „Weil du ein nettes und cooles Mädchen bist" „Nett ist der kleine Bruder von scheisse" erwiderte ich protzig. „Siehst du, genau deswegen. Du bist anders als die anderen" lachte er und mein Herz machte einen Satz. Damit war das Thema beendet und wir redeten noch über Gott und die Welt bis Aiden meinte dass er aufs Klo muss. Ich wartete natürlich auf ihn, aber als ich zur Kassentheke schielte, sah ich dass er dort stand und mit der blöden Ziege von vorhin redete, die ihm grinsend einen Zettel zuschob. Aiden nahm den Zettel, lächelte sie kurz an, ging unauffällig über einen Umweg zurück zu unserem Tisch und ich verspürte ein Stechen in meiner Brust. Er hatte mich angelogen. Irgendwie wusste ich dass dieses Treffen keine gute Idee war. Wenn ich jetzt schon so reagierte, wie würde es später werden, wenn wir mehr Kontakt hätten? ‚Er ist ein Fuckboy und Fuckboys kann man nicht ändern. Du musst das endlich einsehen.' versuchte ich mir selbst einzureden. Warum würde er aus einer Auswahl von so vielen Mädchen auch unbedingt mich auswählen? Ich war nichts besonderes, er hatte jeden Tag eine andere, der er wahrscheinlich genau solche Hoffnungen wie mir machte. Warum dachte ich bloß er wäre anders? Nur weil er meine Schwester kannte? Die wegen seinem eigenen Bruder sterben musste? Wahrscheinlich steckten sie auch noch unter einer Decke und hatten vor, mich als nächstes leiden zu lassen. In dem Moment nahm ich mir fest vor, ihn nicht anzuschreiben und auch sonst jeglichen Kontakt mit ihm zu vermeiden, um mein Herz zu schützen. Was war ich auch so dumm gewesen auch nur für eine Sekunde denken zu können dass das Schicksal mir ein Mal im Leben ein wenig Glück gönnt. Noch bevor er am Tisch ankam ging ich zur Garderobe, nahm meine Jacke und ging raus. Leider bemerkte Aiden das und lief mir direkt hinterher. Ich fing an schneller zu laufen, was mir allerdings nichts brachte, da er viel schneller war als ich und mich innerhalb von wenigen Sekunden eingeholt hatte. „Wohin so eilig?" fragte er besorgt. Ich hatte meine Kapuze über sodass er nicht sehen konnte dass sich bereits Tränen in meinen Augen gesammelt hatten. „Ich muss dringend nach Hause. Danke für den schönen Nachmittag." sagte ich ohne in anzuschauen. „Oh, das verstehe ich natürlich. Ich bringe dich noch nach Hause, schließlich ist es schon dunkel-" „Nein danke, ich finde den Weg schon selbst" unterbrach ich ihn. Es fühlte sich falsch an ihn so abzuweisen, aber ich musste stark bleiben. Er war eine Gefahr für mein sowieso schon unstabiles Gefühlschaos und ich konnte das Risiko, wieder in die Psychiatrie oder ins Krankenhaus zu müssen, nicht eingehen. „Bist du dir sicher?" er klang wirklich besorgt. „Ja, zu hundert Prozent." erwiderte ich monoton und sah von Weitem schon meinen Wohnblock. „Na dann... Es war echt schön Zeit mit dir zu verbringen, ich hoffe das lässt sich wiederholen. Und bitte schreib mir wenn du zuhause angekommen bist damit ich weiß, dass es dir gut geht." Warum war er so süß zu mir? Das Gefühl dass er mir Böses wollte verschwand immer mehr und ich musste echt mit mir selbst kämpfen um nicht umzudrehen und ihm in die Arme zu fallen. „Mach ich, Danke und schönen Abend noch." ich drehte meinen Kopf während ich diese Worte aussprach noch kurz in seine Richtung, rannte nach Hause und ließ ihn allein und wahrscheinlich verwirrt auf der Straße stehen.
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Please (don't) Save me.
Roman pour Adolescents17 Jahre alt, durchschnittliche Schülerin, nicht gerade beliebt, äußerlich ein unscheinbares Mädchen, innerlich von Depressionen und Schuldgefühlen zerfressen. Dieser Satz beschreibt Kaya wohl am Besten. Ärzte und Psychiater kommen für sie nicht in...