Kapitel 4

45 10 8
                                    

Lorelei

Es existieren viele Geschichten und Märchen über sie. Die Kreaturen der Dunkelheit und aller Kinder schlimmster Albtraum. Dämonen.

Diese Erzählungen sagen, dass Dämonen in den Schatten lebten und auf die Nacht warteten, um unsere Kinder zu stehlen und unsere Städte dem Erdboden gleich zu machen. Sie erzählen Geschichten von Helden, die sich auf die Reise machten, um diese Monster von unserem Land zu verjagen. In diesen Geschichten waren Dämonen immer beschrieben als angsteinflößende Kreaturen mit Hörnern, Klauen oder glühenden Augen.

Ich hatte diese Geschichten nie geglaubt, selbst als Kind nicht. Der Gedanke, dass solche Kreaturen existieren sollten, war viel zu weit hergeholt. Oder, dass es wirklich so etwas wie Magie geben sollte. Es war totaler Blödsinn. Zumindest hatte ich das immer gedacht.


Jetzt, in diesem Moment, fing ich an zu glauben.

Ich war wie festgenagelt. Die Menschen drängelten sich an mir vorbei und versuchten weiter Richtung Stadtmitte zu fliehen, doch ich blieb stur auf der Stelle stehen. Zwei Männer kamen auf uns zugelaufen und ich konnte nichts anderes tun, als sie anzustarren.

Sie sahen aus wie gewöhnliche Menschen, mit blonden Haaren und recht heller, cremefarbener Haut. Man hätte meinen können, sie wären vollkommen normal, wären da nicht die zwei schwarzen Hörner, die aus ihren Köpfen hervorragten. Sie waren flach und zeigten geradewegs nach hinten, wie eine messerscharfe Verlängerung ihrer Ohren.

Eine Art Knistern ertönte in meinem Ohr und im nächsten Moment brach nicht weit von mir ein Feuer aus. Mitten in der Menschenmenge. Die verzweifelten Schreie, der in Flammen stehenden Menschen, dröhnten sich in meinen Kopf.


Sie waren das. Ich wusste nicht wie, aber diese Dämonen hatten irgendwie Feuer aus dem Nichts entfacht.

Ich wollte so sehr der Masse folgen und vor ihnen weglaufen, aber ich konnte es nicht. Egal was wir nun machten, sie würden uns und Aphillia zusammen verbrennen. Sie hatten uns schon in der Falle. Wir würden alle hier sterben. Jemand musste etwas unternehmen, irgendetwas. Ich sah panisch um mich, doch die Leute rannten allesamt nur tiefer in die Stadt hinein.

Das ist die falsche Richtung.

Das war es! Wenn ich die Dämonen ablenkte und sie in eine andere Richtung führen könnte, wären alle anderen in der Lage, über die Hauptstraße, aus der Stadt herauszulaufen.


Das war jedoch leichter gesagt als getan. Ich brauchte einen Plan, aber ich hatte keine Zeit, um in Ruhe über die verschiedenen Möglichkeiten nachzudenken. Letztendlich handelte ich also unüberlegt und warf meinen linken Schuh auf einen der Dämonen.

Ich traf ihn am Kopf, woraufhin er allerdings nur überrascht den Kopf schüttelte. Dann fielen die Blicke beider Männer auf mich und der Getroffene knurrte mich wütend an. Ich warf schnell meinen anderen Schuh hinterher und lief in eine Seitengasse, in der Hoffnung, dass beide Dämonen mir folgen würden. Ich wusste nicht, was ich getan hätte, wenn sie sich aufgeteilt hätten. Doch sie folgten mir beide und ich konnte sie weit genug von der Menschenmenge weglocken. Meinen Fehler bemerkte ich leider erst, als ich vor einer Sackgasse stand. Oder vielleicht war mein Fehler auch das Schuhwerfen gewesen. Wenigstens hatte ich etwas Zeit gewinnen können. Besser als gar nichts, oder?

Ich drehte mich zu ihnen um, als ich es wieder knistern hörte. Jeden Moment würden sie mich in Brand setzen. Flammen würden sich an meiner Haut festbeißen und mich komplett verschlingen. Ich kniff meine Augen zusammen und wartete auf den höllischen Schmerz. Doch nichts passierte. Ich hörte ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem Stöhnen und dann wieder ein dumpfes Geräusch.

Als ich vorsichtig meine Augen wieder öffnete, lag einer der Dämonen ohnmächtig auf dem Boden. Über ihm stand ein mir fremder Mann mit einer Stange aus Metall. Was mir als Erstes an ihm auffiel, war seine relativ kleine Größe und schlanke Statur. Er hatte karamellfarbene Haut und seine zerzausten, dunkelbraunen Haare reichten ihm fast bis an die Schultern.

Der zweite Dämon hatte mir nun den Rücken zugewandt. Ich wartete darauf, dass etwas passierte aber die zwei starrten sich nur unentwegt an.

In dem Moment, in dem die Luft um uns herum erneut zu knistern begann, schlug der Fremde mit seiner Metallstange nach dem Kopf des Dämons. Dieser stoppte ihn mit einer Hand, doch der Fremde hatte die Stange bereits losgelassen und ihn umrundet. Er trat ihm in die Kniekehle und brachte ihn zu Fall. Doch der Dämon hatte ihn blitzschnell noch am Arm gepackt und zog ihn mit sich herunter. Die zwei wälzten sich auf dem Boden herum und versuchten sich gegenseitig festzunageln.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte, oder überhaupt tun konnte, also beobachtete ich das Ganze und hoffte.

Irgendwann hörte ich ein tiefes Stöhnen. Der andere Dämon war wieder bei Bewusstsein und bewegte sich. Ich sah mich nach der Stange um, die nun verlassen auf dem Boden lag. Ohne groß zu überlegen lief ich los und holte sie mir schnell. Gerade, als er versuchte wieder aufzustehen, schlug ich ihm auf den Hinterkopf und er fiel erneut ohnmächtig zu Boden.


Der Strom des Lebens I [Gespaltene Welten]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt