Es war bereits weit nach Mitternacht, als wir irgendwo mitten im Nirgendwo am Straßenrand anhielten. Den Grund dafür kannte ich nicht, denn weder hatte ich gefragt, noch hatte er es mir aus reiner Nächstenliebe gesagt, bevor er den Motor abgeschaltet hatte und aus dem Auto ausgestiegen war. Was er da draußen tat oder ob er überhaupt noch da war, konnte ich auch nicht sagen, denn es war so dunkel hinter den Scheiben, dass ich nicht mal wirklich fähig war, den angrenzenden Wald richtig zu sehen.
Angst hatte ich in dem mir fremden Auto keine. Was wahrscheinlich auch an den Benzos, die ich vor gut einer Stunde oder so eingenommen hatte, lag. Sie hatten nicht dieselbe Wirkung, wie es Luzifer hatte. Sie machten mich schummrig, ließen einzelne Gedanken wie der Fakt, warum ich sie überhaupt genommen hatte, durch meinen Kopf hüpfen als handelte es sich dabei um Gummibälle. Mir fielen so viele Einzelheiten auf, die mich in der einen Sekunde noch völlig faszinierten, wie die eine Fliege, die an der Windschutzscheibe entlang krabbelte, nur um dann sofort wieder zu vergessen, was mich daran so fesselte, da ich die schmutzige Scheibe, die bestimmt schon sehr lange nicht mehr geputzt worden war, viel spannender fand. Wer weiß, vielleicht war Alan auch erst eine Minute lang weg, stand irgendwo hinter einem Baum mit heruntergelassener Hose. Bestimmt müssen auch Dämonenjäger mal auf die Toilette.
Das Kichern über diesen Gedanken war schneller aus mir heraus, als ich begriff, was daran so witzig sein sollte. Ganz dunkel kam mir die Idee, die Medikamente, die ich noch so intus hatte, vertrugen sich nicht mit den Beruhigungsmitteln. Doch dieser Fetzen eines möglicherweise großen Problems war so schnell verschwunden wie er gekommen war.
Ja, es war definitiv eine andere Wirkung, als Luzifer sie auf mich hatte.
Die Fahrertür öffnete sich, ließ kalte Luft ins Wageninnere hinein, die mich unweigerlich zum Frösteln brachte. Bevor ich es recht bemerkte, fuhr ich mit meinen Händen über meine nackten Arme, versuchte durch Rubbeln, die Gänsehaut, die sich innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde gebildet hatte, wieder los zu werden. Mein Blick fiel wie von selbst auf Alans Gestalt, die sich zurück auf den Sitz gleiten ließ. Ohne auch nur ein Ton zu sagen, schloss er seine Tür, legte den richtigen Gang ein und fuhr los, sobald er den Schlüssel im Schloss gedreht hatte.
Zu Beginn dachte ich, er hätte es einfach vergessen. Konnte ja durchaus mal vorkommen. Aber das schien nicht wirklich der Fall zu sein. Auch benutzte er keine Hauptstraßen mehr, sondern eher die kleinen verlassenen Seitenstrecken, die Schleichwege, die verwinkelt, mit Kurven übersät und teilweise mitten durch die Walachei führten. Uns kamen nur sehr wenige andere Menschen entgegen, größtenteils handelte es sich dabei um Betrunkene, wenn man ihren torkelnden Gang betrachtete. Trotzdem war sein Tacho nie unter die achtzig gefallen. Obwohl er allein durch das wenige Licht des Mondes nicht besonders viel auf den Weg hätte erkennen können.
Irgendwann hatte ich genug davon, einfach nur wie eine Schaufensterpuppe neben ihm zu sitzen, ohne auch nur ansatzweise zu wissen, wo ich mich befand. Und er mir rein gar nichts erklärte. So wie den Grund dafür, warum er diese scheiß Scheinwerfer schon nicht anschaltete, wenn er unbedingt über diese Wald-und-Wiesen-Wege brettern musste.
>Schon mal auf die Idee gekommen, dass ein Auto so etwas wie Licht besitzt? Du weißt schon, diese komische Erfindung namens Elektrizität hat das erfunden, damit wir im Dunkeln sehen können. Und nicht irgendwo gegen sausen oder etwas umfahren< Er würdigte mich nicht mal eines Blickes, nein im Gegenteil, er drückte sogar noch mehr aufs Gaspedal. Die Nadel wanderte immer weiter auf die 120 zu. In einem Waldgebiet. Nachts. Ohne Licht.
Ich warf ihm einen langen Seitenblick zu, betrachtete sein Gesicht, das nicht groß anders als sonst aussah. Nur seine Augen wirkten aufgrund des Lichtmangels noch viel, sehr viel dunkler als vorher. Und da war sein Blau schon dunkel gewesen... Ich holte einmal tief Luft, stieß sie dann mit einem Mal wieder aus, bevor ich wieder das Wort erhob. >Hast du es dir nun anders überlegt und willst mich jetzt höchstpersönlich um die Ecke bringen, sodass ich das nicht mehr machen muss?< Das brachte mir doch dann tatsächlich ein Augenrollen ein. Mehr aber auch nicht. Es aufgebend, noch auf eine Erwiderung zu warten, lehnte ich mich wieder zurück in den Sitz, der überraschend gemütlich war dafür, dass an den meisten Stellen der Stoff entweder schon eingerissen oder so abgenutzt war, dass man das Gefühl hatte, der schwarze Stoff wäre an der Stelle nie existent gewesen.
Stille kehrte wieder in das Innere des Fahrzeugs ein. Nur das Geräusch des Motors, ein stetiges Brummen, war zu hören, und selbst das nur gedämpft. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis wir den Wald hinter uns ließen, uns wieder in Richtung einer belebteren Straße aufmachten. Ich merkte wie die Müdigkeit, ausgelöst von den Schlaftabletten, die mir Alan, kaum hatten wir den letzten Baum im Rücken, ohne ein weiteres Wort in die Hand gedrückt hatte, sich bleiern in meinem Körper nieder legte. Mein Körper war unnatürlich schwer, schien auf einmal noch stärker von der Erdanziehungskraft beeinflusst zu werden. Irgendwann begannen die Lichter der uns entgegen kommenden Autos und den Fahrzeugen vor uns, es war doch recht erstaunlich wie viele Menschen mitten in der Nacht unterwegs waren, zu verschwommenen Schlieren zu verlaufen, ich konnte sie nicht mehr richtig sehen. Träge drehte ich meinen Kopf in Alans Richtung, zwang mich krampfhaft dazu meinen Blick auf ihn zu fokussieren, was mir mit jeder weiteren Sekunde, die verstrich, immer spärlicher gelang.
Ich wollte nicht schlafen. Ich wusste, was mich in meinen Träumen erwartete, was mich heimsuchen würde. Ich wollte es nicht sehen, nicht noch einmal. >Schlaf, Angel. Dein Körper muss sich erholen< Seine Stimme klang nicht barsch, nicht wütend oder ungeduldig. Nein, sie war seltsam warm, als wüsste er nur zu genau, warum ich versuchte mit aller Macht zu verhindern, wirklich einzuschlafen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Tabletten so stark bei mir anschlagen würden. Normalerweise hatten sie mir nie ohne Verbindung mit Alkohol zu einem schnellen Einschlafen verholfen. Vielleicht sind es stärkere als bisher... >Schlaf. Ich werde dich frühzeitig wecken, keine Sorge< Ich war mir nicht sicher, was er damit meinte. Ob er mir damit die Angst vor den Albträumen nehmen wollte oder mir einfach nur vermittelte, dass er mich wecken würde, sollten wir in meiner Heimatstadt ankommen. Ich wusste es nicht. Doch seine Stimme ließ meine Lieder unwillkürlich noch schwerer werden, bevor sie sich gänzlich über meine Augen legten und sich, gleich unter welchen Mühen, nicht mehr anheben lassen wollten. Es dauerte nur Sekunden, bis ich so tief in die Dunkelheit fiel, sodass ich nicht einmal mehr das Röhren des Motors hören konnte, als Alan wieder einmal beschleunigte.
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Zwischen Himmel und Hölle (slow updates)
ParanormalneEngel. Wenn man dieses Wort hört, denkt man sofort an gewaltige Flügel, die Männer und Frauen, die Heerschar Gottes, durch die Lüfte tragen oder an eine schützende Hand, die über einen gehalten wird... Angel hingegen, der dieser Name mit auf den We...