141|der zweite erste Kuss

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„Es-.. Es tut mir leid.", entschuldigte ich mich und löste mich von ihm. Er sah auf den Boden und nickte, als Erlaubnis, dass ich gehen konnte. Somit drehte ich auch um und ging.

~

Meine Schlüssel legte ich auf mein Schreibtisch und legte meine Tasche hin. Erkan hatte Alina sofort nach ihrer letzen Vorlesung mitgenommen und im Haus eingesperrt. Sie stritten und nun war auch sie nicht zu erreichen. Baran wurde entlassen und war schon seit einer Stunde zuhause.
Zum Glück waren es meine Eltern nicht, aber seine Wunden würden sie trotzdem sehen.

Ich zog meine Jacke aus und warf sie über den Stuhl. Mein erster Gedanke war Baran und ich ging schon in sein Zimmer. Er saß mit einem Spiegel in der Hand auf seinem Bett und tupfte mit etwas Watte auf seiner Lippe rum. Ich holte den Erste-Hilfe Kasten aus dem Badezimmer und setzte mich neben ihn.

„Du willst Arzt werden und weißt nicht mal wie man eine aufgeplatzte Lippe behandelt.", seufzte ich und nahm das Desinfektionsmittel zur Hand. Er ließ den Spiegel sinken und ich drehte seinen Kopf zu mir.

„Wie soll ich mich behandeln, wenn ich in Gedanken nur bei ihr bin?", flüsterte er. Ich sah in seine Augen, die leblos auf mein Bein gerichtet waren. Ich tupfte langsam auf der offenen Wunde.

„Ihr geht es bestimmt gut.", versuchte ich ihn zu überzeugen. Er sah auf seine Hände und dann in meine Augen. Noch nie hatte ich Baran so ratlos gesehen wie jetzt.
Er machte sich wirklich Sorgen um sie.

„Ich hätte mich niemals in sie verlieben sollen.", murmelte er. Ich hörte auf zu tupfen und er sah auf seinen Schoß.

„Sag sowas nicht.", ermahnte ich ihn und hob ihn am Kinn, dass er mich ansah,„Ich war auch dagegen, aber ich habe doch gesehen wie du sie ansiehst. Du liebst sie und das tust du von deinem Herzen aus. Ich glaube das letzte Mal hast du so gestrahlt als du dein Studienplatz bekommen hattest. Außerdem.." Ich schmunzelte und tupfte weiter. Er zischte kurz auf und ich nahm mir ein Verband hinaus.

„Nichten und Neffen mit grünen Augen wären krass.", versuchte ich ihn aufzumuntern und er grinste selbst kurz auf,„Ich wäre die Tante von den Kindern meiner besten Freundin. Ich wäre ihre Schwägerin, also.. danke dafür." Ich lachte kurz und hoffte sehr, dass es ihn aufmunterte, denn ich wollte ihn nicht so am Boden zerstört sehen.

„Denkst du ich würde sie heiraten?", fragte er wie ein naives Kleinkind. Ich zuckte mit den Schultern und lächelte.

„Man weiß nie was passiert, aber ich hoffe es, denn ihr beide seid Teil meines Lebens und wenn ihr euch trennen würdet wäre immer eine unangenehme Atmosphäre.", sagte ich ehrlich. Er lachte kurz auf und umarmte mich.

„Hab dich lieb Schwesterherz.", sagte er. Ich erwiderte die Umarmung und strich ihn tröstend über den Rücken. „Ich dich auch." Ich behandelte auch seine Nase und räumte alles noch auf.

„Ich muss jetzt herausfinden wie ich in Erkans Nähe wieder komme.", seufzte er und legte sich auf den Rücken. Ich seufzte und schmunzelte bei dem Gedankenzug, der mir kam.

„Kauf ihm Rosen.", sagte ich und es wirkte anscheinend wie ein Scherz, da Baran spielerisch auflachte. Ich nahm alles in die Hand und seufzte erneut.

„Ich muss auch irgendwas machen. Er ignoriert mich auch.", sagte ich.
Wir aßen gemeinsam und unsere Eltern kamen erst gegen neun Uhr. Als wir fragten wo sie waren meckerten sie uns an, von wegen es ginge uns nichts an und sie hätten auch noch ein Leben.
Tat uns ja leid.

Es fing schon gegen Nachmittag an zu regnen, doch jetzt um halb zehn war es ein richtiger Sturm. Mein Fenster knallte immer wieder zu und ich schloss es sofort. Die Bäume wehten die letzten Blätter umher und ich bemerkte jetzt erst wirklich, dass es wirklich schon Mitte Dezember war.
Wie schnell die Zeit doch verging.
Während draußen die Welt unterging saß ich mit warmem Licht und Duftkerzen an meinem Schreibtisch und lernte.
Dieses Lernen nervte mich! Das war zu viel! Aber es machte mich umso glücklicher, wenn ich es verstand und ausführlich erklären könnte was ich benötigte, da Lewis bestimmt kaum was verstand.

Meine Mutter platzte hinein und ich sah genervt von meinem Buch auf. Sie kam auf mich zu und sah über meine Schulter.

„Was machst du da?", fragte sie. Es ging schon seit einer halben Stunde so. Immer wieder platzte sie einfach hinein und wollte mich vom lernen abhalten, da sie nichts zutun hatte.
Zu meiner Schulzeit hätte sie gerne so sein können, aber wenn die ganzen Prüfungen nun anstanden konnte sie es gerne lassen.

„Mama ich muss das machen. Könntest du mich bitte in Ruhe lassen?", fragte ich sie in meiner nettesten Stimme, die ich hinbekam. Sie sah nicht überzeugt von mir zu den Zetteln.

„Na schön. Bleib nicht zu lange wach. Yarın doktora gitçen.", erinnerte sie mich. Ich sah auf und tippte mit dem Kugelschreiber an meine Stirn. Das hatte ich total vergessen. Sie verließ mein Zimmer und sofort sprang ich auf und schloss die Tür ab, da sie ganz sicher nochmal kommen würde.
(Morgen gehst du zum Arzt.)

Der Regen hämmerte regelrecht an meinem Fenster und ich sah ins pure Schwarz.
Eine halbe Stunde noch lernen und danach schlafen. Das war ein Plan!
Somit setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch und sah vertieft in meine Notizen.
Da klopfte es.
Nicht an meiner Zimmertür. An meinem Balkon. Ich zuckte hoch und sah hinaus, dabei erkannte ich nichts, da es so dunkel war.

Schnell ging ich auf mein Balkon zu und der Wind wehte sofort, dazu schleppte er Kenan noch hinein, der zusammengekauert an die Seite trat. Ich schloss die Tür sofort und sah ihn erschrocken an.
Er zog seine Kapuze hinunter und ich begutachtete was er trug.
Ein Pullover und eine Jeans, das wars. Keine Jacke, kein Schal, Mütze oder Regenschirm.

„Bis du verrückt? Was willst du hier?", fragte ich ganz leise, da ich wusste, dass Baran noch wach war. Seine Haarspitzen waren nass und seine Nasenspitze rot.
Er kam auf mich zu und ich sah auf sein Pullover, der noch an einigen Stellen ein helles grau zeigte, doch der komplette Pullover war dunkel grau. Im Regen lief er hierher!

„Ist mir so egal was du denkst und fühlst.", fing er leise an und sah in meine Augen,„Ganze drei Wochen habe ich jetzt nichts gesagt, aber es reicht langsam. Ich halte das nicht aus!" Ich sah ihn verwirrt an und versuchte ihn irgendwie hinauszudrängen, aber er rührte sich nicht, wenn, dann kam er sogar näher auf mich zu. Ich vergaß total, dass ich einen weiten Pullover und eine zu große Jogginghose trug, somit dann aussah wie ein Penner!

„Was willst du? Oh mein Gott Kenan geh!", fluchte ich leise und schlug ihm leicht auf den Oberarm,„Na los! Baran ist gleich nebenan!" Er ignorierte mich total.

„Dieser Kuss..", fing er an und ich stockte sofort,„Seren dieser Kuss lässt mich nicht in Ruhe! Noch nie habe ich so oft an einen Kuss gedacht wie jetzt! Was hast du gemacht? Ich kann nicht einmal schlafen, weil ich die ganze Zeit daran denke. Dann auch noch diese dumme Fake-Beziehung zwischen dir und Lewis! Ihr beide wart gar nicht zusammen, das weiß ich doch! Weißt du, das hat mich schon gekränkt! Bin ich so schrecklich, dass du selbst eine Beziehung eingehst bloß um dem Kuss auszuweichen? Noch nie ist mir das passiert, dass ich einem Mädchen wegen einem billigen Kuss hinterherrenne! Außerdem ist es total unfair, dass ich mit dieser Erinnerung leben muss und keine Sekunde Schlaf in die Augen bekomme während du ganz locker dein Leben lebst." Ich fasste mich und realisierte was grade passierte.

„Tut mir leid! Ich war halt eben betrunken und ich weiß nichts mehr von dieser Nacht. Wenn er doch so billig war, was wil-..", flüsterte ich energisch weiter und sah auf seinen Pullover. Dabei zog ich meine Schultern etwas hoch und winkelte meine Arme an. Weiter kam ich aber nicht mit dem Sprechen.

Kenan zog mich am Kinn, dass ich ihn ansah und drückte seine Lippen auf meine. Er legte seine Hand auf meine Taille um mich näher an sich zu ziehen. Ich sah ihn mit riesigen Augen an.
...Was?

Kenan kriegt keinen Schlaf mehr.
Der "erste" Kuss!! 😘😛😛
Im nächsten Kapitel geht es an dieser Stelle weiter. 😘😘
Was denkt ihr passiert? 😎

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