Eine Woche voller Stillschweigen zwischen meinem Nachbarn und mir ist bereits geschafft.
Ich weiß nicht mal warum mir das etwas ausmacht. Ich meine ich hab ihn über zehn Jahre nicht gesehen und jetzt wohnen wir nur im gleichen Haus.
Doch scheint es mir gegen den Strich zu sehen und immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich von meinem Balkon sehe und ihm nachsehe, wenn er Laufen geht oder davon zurück kommt, wie ich zu seinem Balkon runtersehe und mit meinem Blick daran hängen bleibe, wenn ich ihn auf dem Balkon stehen sehe. Ertappe mich dabei wie ich bewusst hinhöre was er sagt, wenn ich ihn telefonieren höre und ihn genau mustere, wenn er nach Hause kommt oder geht.
Doch er scheint mich gar nicht zu beachten.
Das letzte Mal, dass er mit mir gesprochen hat, war als er mir mit dem Einparken geholfen hat.
Seit dem spricht er mit mir kein Wort mehr, nickt wenn ich Glück habe kurz zur Begrüßung, aber mehr nicht.Mit meiner Balletttasche über der Schulter springe ich die Treppe runter und bleibe ruckartig, als die Wohnungstür von D.A. Kopplin aufgeht. Mit einem Gitarrenkoffer auf dem Rücken, einem Koffer in der Hand und einer Reisetasche auf dem Arm aus der Tür tritt.
Als er mich sieht hält er einen Moment inne und sieht mich an, dann schiebt er den Koffer zur Tür raus und zieht hinter sich die Tür zu.
"Kann ich dir tragen helfen?" frage ich vorsichtig und umfasse fest den Bügel meiner Tasche. Dag sieht mich über die Schulter an und dreht sich dann wieder zur Tür um. "Ne." erwidert er knapp, sperrt ab, nimmt seinen Koffer und seine Tasche und wendet sich der Treppe zu.
"Dag, jetzt warte mal." laufe ich Dag nach und erreiche ihn noch, ehe er die Treppe runterlaufen kann.
"Was?" fragt er angesäuert und dreht sich zu mir um. Dabei weiche ich schnell seinem Koffer aus und halte mich am Treppengeländer fest.
"Hör mal, das damals war," weiter komme ich gar nicht.
"Scheiße, sag es ruhig Alex. Es war absolute Scheiße. Du bist in der Früh auf und davon, hast wohlgemerkt meine Mutter fast zu Tode erschreckt, als du die Treppe runter bist und die Tür hinter dir zugezogen hast und hast mich wie einen absoluten Idioten aussehen lassen. Danke dafür Alex, wirklich." stutzt Dag mich zurecht, sieht mich streng an und stellt seinen Koffer ab.
"Ich dachte wirklich, ich wäre schlimm gewesen in unserem Alter aber ich kann wenigstens Behaupten ich bin sie einfach abgehauen." fährt Dag fort.
"Moment mal." schalte ich mich ein. "Du warst doch damals der,-" ich zeige an ihm hoch und runter und suche nach den richtigen Worten.
"Der was?" will Dag wissen und tritt einen Schritt nach oben, direkt vor mich und lehnt sich mit einem Arm auf das Treppengeländer.
Ich lehne mich etwas von ihm zurück und mustere ihn schnell.
Das was der an Aftershave trägt, reicht für eine ganze Fußballteam.
"Wer war ich?" fragt Dag nochmal nach und mustert mich mit einem Blick. "Du wolltest sie damals doch,-" ich räuspere mich einmal und sehe von seiner Brust zu seinen Augen hoch.
Dag legt den Kopf leicht schief und sieht mich erwartend an.
"Alle haben." ende ich meinen Satz und lehnte mich noch ein Stück zurück. Dag lacht ironisch auf, fasst mich mit einem Mal im Genick und streicht mir mit dem Daumen über die Wange.
"Da,-" lehnt Dag sich zu mir vor und ich halte schlagartig die Luft an. "-irrst du dich, Prinzessin." endet Dag und gibt mir einen groben Kuss auf die Schläfe.
Schon lässt er mich los, nimmt seinen Koffer, dreht sich um und läuft die Treppe runter.
Ich bleibe einen Moment lang auf der Treppe stehen, bevor ich die Treppe runter laufe und ihm nach draußen folge.
Dort lädt Dag gerade seine Gitarre, den Koffer und seine Tasche in einen schwarzen Bus ein, vor dem Vincent steht.
"Hey Alex." nickt mir dieser zu und sieht dann Dag an.
"Fahren wir." schlägt dieser den Kofferraum zu und geht zur Beifahrerseite.
"Wo geht's denn hin?" will ich wissen.
"Tour Vorbereitung." erklärt Dag knapp und steigt ein. Vincent sieht mich einen Moment an und steigt dann ebenfalls in den Bus. Keine Minute später fahren die beiden vom Hof und ich bleibe allein stehen."Und eins und zwei und drei und hoch." schon steige ich auf Spitze hoch und strecke mein anderes Bein nach oben durch. "Und zwei, drei, vier." mit Schwung drehe ich mich in einer Pirouette vier mal um sich selbst, ehe ich wieder das Bein nach hinten durchstrecke.
"Alexa, Liebes konzentrieren, Püppi." fordert Mathias, der Coache meiner neuen Ballettgruppe und zwinkert mir zu. "Pardon." erwidere ich.
Doch ich kann nichts dagegen tun. Seit ich das Haus verlassen habe und in mein Auto gestiegen bin, muss ich die ganze Zeit daran denken, wie er mich angesehen hat.
Mit nur noch halben Ohr höre ich dem Trainer und der Musik zu und tanze aus reiner Intuition mit.
Wenigstens ist er nicht einfach abgehauen.
Ja ich bin da doch auch nicht stolz darauf. Aber Herrgott, was soll ich denn jetzt im Nachhinein machen! Ja es war eine scheiß Aktion aber meine Fresse! Ich kann es jetzt nicht mehr ändern und ja ich hab mich auch danach nicht mehr bei ihm gemeldet, bin nach München abgehauen, ja nicht toll. Aber kann ich denn riechen, dass es unserem damaligen Rebellen und BadBoy so nahe gehen würde, das ihn eine kleine Schnecke nicht anruft?"Was dachtest du denn? Das er dir freudig in die Arme fällt? Alex du weißt, ich hab dich echt lieb aber da brauchst du dich jetzt echt nicht zu wundern." erklärt Maddie am Abend am Telefon.
Sie scheint gerade in der Badewanne zu sitzen, zumindest höre ich Wasser im Hintergrund plätschern.
"Nein." lenke ich ein und mache Felix die Balkontür auf, schon huscht dieser zur Tür raus. "Aber was mich ja noch um einiges mehr aufregt, ist dass du es Jahre lang nicht für nötig gehalten hast, mir davon zu erzählen." schnaubt Maddie. Ich verdrehe die Augen.
"Dann sag du mir noch, was ich machen soll. Soll ich mich auf Knien entschuldigen?" frage ich, nehme mein Rotweinglas und lehne mich gegen meine Offene Balkontür.
"Das wird nicht reichen. Du hast den in seinem Stolz verletzt, dass es nur so,- nein!" höre ich Maddie noch schreien, dann ist ein Krachen, gefolgt von einem Rauschen, alles was ich höre.
"Maddie?" frage ich, sehe einmal mein Telefon an und halte es mir dann wieder an Ohr.
"Maddie?" frage ich nochmal, ehe ich auflege.
"Alles klar." will ich das Telefon weglegen, als ich ein Zucken in meinen Ohren spüre, noch bevor ich die Stimme richtig höre.
Ich will wirklich nicht lauschen, doch es passiert wie von selbst, dass ich mich zu meinem Balkon umdrehe und mit meinem Weinglas in der Hand hinaustrete.
"Vincent bei aller Liebe, es ist vielleicht über 10 Jahre her, aber denkt die Kleine wirklich, dass alles wieder gut ist?- Doch ob du es glaubst oder nicht, es macht mir was aus.- Ja aber ich bin mir sicher, das es auch in München ein Telefonbuch gibt.- Ach erzähl mir noch nichts, die ist erst nach ihrem Studium nach München, davor war die doch hier in Berlin." höre ich Dag sprechen und sehe über das Balkongeländer nach unten.
Mit einer Zigarette in der einen und dem Telefon in der anderen Hand steht Dag auf seinem Balkon und ascht von diesem runter.
"Ja dann ist es eben so, es nervt mich, Schluss aus." spricht Dag weiter, klemmt das Telefon zwischen Schulter und Ohr und nimmt ein Weinglas in die Hand.
"Hmh." macht Dag und nippt an seinem Wein und hört einen Moment zu.
"Natürlich wollte ich damals was von Alexa." nickt Dag da und mit fällt beinahe mein Rotweinglas aus der Hand
Ich kann es gerade noch festhalten und trete weiter an das Geländer.
"Das hat sich bis heute nicht geändert. Das hat sich seit über 10 Jahren nicht geändert. Warum denkst du denn, bin ich immer zu diesen Klassentreffen gefahren. Doch nicht wegen diesen ganzen Klappspaten." schnaubt Dag und mir entgleiten sämtliche Gesichtszüge.
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So schön kaputt & Millionen Liebeslieder (Dag SDP FF)
Fiksi PenggemarNach über zehn Jahren komme ich aus München zurück nach Spandau. Dass ich dabei ausgerechnet IHM in die Arme laufe, konnte keiner wissen. Dass ich ihm damals so weh getan habe, wollte ich wirklich nicht aber eigentlich hätte ich es mir denken könne...