Kapitel eins

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Drei mal kurz, drei mal lang, drei mal kurz. Stille. Da, nochmal. Drei mal kurz, drei mal lang, drei mal kurz.

In meinem Kopf arbeitete es. Drei mal kurz, drei mal lang, drei mal kurz. Ja, das war es. Irgendjemand schlug SOS. Save our Souls. Hilfe. Rette mich. Oder uns. Das wusste ich ja nicht so genau, aber was ich wusste war, dass jemand dringend Hilfe brauchte. Also ließ ich alles liegen und rannte los, durch den Wald, denn hier kannte sich keiner besser aus als ich, immer den hölzernen Schlägen nach, bis ich irgendwann vor einem umgestürzten Baum stand. Es war eine uralte Eiche, in die wahrscheinlich während des Sturms letzte Nacht ein Blitz eingeschlagen hatte. Ein leises„Hilfe" erklang und ich erkannte schon an der Stimme, wer es war.„Ilja!", schrie ich, weil ich nicht wusste was ich sonst sagen sollte, „was ist passiert?!". Ich war so fassungslos, dass mein bester Freund, fast schon mein Bruder, bei dem ich in unserer gemütlichen Hütte im Wald aufgewachsen war, jetzt so hilflos untereinem dicken Ast des Baumes eingeklemmt war und sein Bein blutete wieverrückt. Deshalb vergaß ich auch, mich an die Arbeit zu machen und stand einfach nur da. Als ich dann auch noch sah, dass sein Arm in einem komischen Winkel da lag, wurde mir das alles zu viel und ich kippte um. Dann plötzlich stand ein Tier über mir und beugte sich zu mir hinunter, es wollte mich töten! Sein Speichel tropfte auf mein Gesicht, ich weinte.

Ich spürte etwas kaltes auf meiner Stirn. Es war feucht. Auf einmal wachte ich auf und merkte, dass ich das alles nur geträumt haben muss, denn Ilja saßin einem Schaffell eingewickelt am Feuer und wärmte sich und auch sonst war alles ganz normal. Aber ein Tier stand wirklich über mir und sabberte mich voll, nur dass es Kaala war, die es garantiert nicht darauf abgesehen hatte, mich umzubringen. Sie war eine von unseren vierzehn Huskys, mit denen wir unsere Hütte teilten. Außerdem haben Ilja und ich noch drei Wölfe groß gezogen, die unsere Rasselbande komplett machten. Auf jeden Fall blieb mir keineZeit mehr über diesen komischen Traum nachzudenken, denn genau in dem Moment schnellte ihre rosa Zunge heraus und wischte mir einmal quer über mein Gesicht. Ich musste lachen, schob den Hund beiseite und richtete mich auf. „Guten Morgen, bist ja auch schon wach",kam es vom Feuer. „Morgen", murmelte ich, „hab schlecht geträumt also lass mich..." „Hab ich mir schon fast gedacht,deswegen hielt ich es für besser, Kaala Dich aufwecken zu lassen", lachte mein Bruder.

Ich nannte ihn Bruder, denn er hat mich gerettet, als in unserem Dorf ein Feuer ausbrach und nahm mich mit in seine Hütte hier im Wald. Damals war ich nicht einmal zwei Jahre alt. Aber ich weiß noch ganz genau, dass meine Eltern Ilja immer mit mir besuchten, der damals mit neun Jahren alleine in genau dieser Hütte mitten im Wald wohnte. Seine Eltern arbeiteten in der weit entfernten Stadt und hatten den Kontakt zu ihm völlig abgebrochen,aber er nahm auch keine Hilfe an. Meine Eltern kamen bei diesem Feuer ums Leben, deshalb lebte ich im Prinzip schon immer bei Ilja.

Ich überhörte seinen Kommentar und fragte stattdessen: „Hast Du schon Frühstück vorbereitet?"Darauf bekam ich als Antwort, dass wir nicht mehr allzu viele vonunseren getrockneten Beeren hätten und auch die Haferflocken sichl angsam aber sicher dem Ende entgegen neigten. „Okay, dann fällt das heute einfach aus und wir gehen raus und besorgen neue Beeren",entschied ich. Iljas Antwort klang nicht sehr begeistert, aber das war mir egal, denn mich beschäftigte immer noch dieser komischeTraum. „Aber dann lass uns wenigstens gleich ins Dorf fahren undein paar Sachen einkaufen. Wenn ich mich recht erinnere, ist heute Markt. Da gibt's doch die Haferflocken im Angebot und auch das Leder dürfte heute billiger sein", riss mich mein Bruder aus denGedanken. Ich war verwirrt. „Leder? Wofür brauchen wir bitteschön Leder?", fragte ich, denn ich wusste wirklich nicht, wofür wir das brauchen könnten.

„Ach so, das hab ich Dir ja noch gar nicht erzählt", machte er mich hellhörig, „unsere Rabauken haben sich an ihren Geschirren für den Schlitten vergriffen und jetzt sind von den fünfzehn, die wir hatten, nur noch neun ganzeübrig." „Na toll. Dann weiß ich ja schon ganz genau, dass wirdie nächste Woche damit beschäftigt sein werden, neue Geschirre zumachen." Ich war nicht sehr erfreut darüber, aber da es auch mit Nörgeln nicht besser wird, nahm ich es so hin.

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⏰ Last updated: Oct 28, 2018 ⏰

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Ilja, Liz und die WölfeWhere stories live. Discover now