Treppenhaus putzen, das war schon in München eines der Dinge, welche ich noch nie leiden konnte. Vier Stockwerke, in denen man genau die Ecken wischen muss, auf den Knien rumrutscht um unter die Heizung zu kommen und auf der Treppe alle möglichen Flecken wegschrubt.
Doch hier erlebe ich wirklich meinen persönlichen Höhepunkt, was das Putzen des Treppenhauses betrifft.„So Frau Stern, erst fegen Sie ordentlich mit Besen und Kehrschaufel durch, danach rauswischen und zum Schluss die Treppen einmal einwachsen, die werden sonst so spröde. Der Herr Kopplin macht das ja nicht." erklärt mir Frau Schäffer, den genauen Ablauf und drückt mir einen Besen in die Hand. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und streiche mir eine Strähne zurück, welche sich aus meinem Dutt gelöst hat.
„Okay." erwidere ich etwas langsam und sehe einmal die Treppe hoch.
„Ja vom dritten Stock bis runter in den Keller. Ich will danach kein Körnchen mehr sehen, Frau Stern. Ich bin hier die einzige, welche wirklich dahinter ist." poltert Frau Schäffer direkt weiter und zeigt die Treppe hoch.
"Ich schaue immer wieder mal vorbei." versichert Frau Schäffer mir und wendet sich ab.
Ich bleibe einen Moment perplex stehen und sehe Frau Schäffer nach, welche sich in ihre Wohnung zurückzieht, jedoch die Tür offen lässt.
Das ist ja nicht zu fassen. Als wäre ich nicht in der Lage ein altes Treppenhaus zu putzen. Unfassbar!"Na wie kommen wir denn voran, Frau Stern?" fragt Frau Schäffer, keine zehn Minuten später, als ich gerade den ersten Stock raus fege und sieht zu ihrer Tür raus.
"Immer noch alles gut, Frau Schäffer." erwidere ich und hebe die Fußmatte von Dag an um unter dieser weg zu fegen.
Genau da, geht seine Tür auf und Dag bleibt ruckartig stehen, ehe er über mich drüber fliegen kannst.
"Was denn hier los?" fragt Dag mich, mustert mich einen Moment skeptisch, schiebt mich dann leicht zur Seite und drückt sich an mir vorbei.
"Ach der Herr Kopplin." stellt Frau Schäffer sofort fest und sieht Dag mit verschränkten Armen an.
"Frau Schäffer." erwidert Dag und zieht die Tür zu, bevor er über meinen Besen hinwegsteigt.
"Wo geht es denn hin?" will Frau Schäffer wissen und sieht Dag mit erwartendem Blick an.
"Sie werden es kaum glauben, doch das geht Sie absolut nichts an." antwortet Dag trocken und wendet sich den Treppen zu.
"Schuhe abtreten, wenn sie wiederkommen!" kreischt Frau Schäffer, Dag da hinterher und ich zucke erschrocken zusammen.
Geht's noch?Es zieht mir den gesamten Rücken runter und ich kann mich kaum her aufrichten, als ich dabei bin, die Kellertreppe mit einem Lappen runter zu wischen.
Frau Schäffer widmet sich in der Zwischenzeit dem Erdgeschoss. Ich stelle mich anscheinend, wirklich zu blöd an.
"Richtig in die Ecken rein, Frau Stern!" ruft Frau Schäffer die Treppen runter und ich halte einen Moment inne.
Ich kann es mir nicht verkneifen und verdrehe die Augen.
Da ist man 33 Jahre alt und es wird einem vorgehalten, man ist nicht mal in der Lage ein Treppenhaus zu wischen. Unfassbar!
Da höre wie ein Fahrrad mit quietschenden Reifen vor dem Haus hält und kurz darauf Schritte im Treppenhaus.
"Herr Kopplin, treten Sie sich gefälligst die Füße ab!" ruft Frau Schäffer außer sich und ich sehe die Treppe hoch, ehe ich meinen Lappen weglege und mir ein paar Strähnen zurückstreiche.
"Lassen Sie mich bloß in Ruhe." höre ich Dag keifen. Er klingt gereizter als sonst. Schon gehen seine Schritte weiter.
"Halt Sie Flegel! Ich hab gerade frisch gewischt!" kreischt Frau Schäffer da mit durchdringender Stimme.
Keine Sekunde höre ich Dag aufschreien und es gibt ein lautes Scheppern. "Dag?!" rufe ich die Treppen hoch und laufe die flott nach oben.
In einer Lache aus, ich nehme an Weißwein, liegt Dag auf dem Boden, stemmt sich von einem Arm hoch und hält sich das Handgelenk.
"Das gibt es doch nicht, wir sind hier doch nicht auf einer Polterhochzeit! Das ganze Jahr lang, wische ich Ihnen hinterher und jetzt können Sie sich noch nicht einmal die Füße abtreten! Jetzt reicht es mir mit Ihnen, sie Flegel!"
"Dag, was machst du denn!?" frage ich ihn schnell und laufe neben ihn, gehe in die Knie und lege ihm eine Hand auf den Rücken und eine auf die Schulter.
"Da kann ich nix für Alex. Die hat Schuld, mit ihrem blöden Schrubber." faucht Dag und hält sich sein Handgelenk.
Ich sehe Frau Schäffer an.
"Sie haben ihm nicht ernsthaft mit dem Ding, die Beine weggezogen." nicke ich auf den Schrubber in Frau Schäffers Hand.
"Ich habe ihn gewarnt." erwidert Frau Schäffer trocken.
"Komm, ich helf dir mit deiner Hand." ziehe ich Dag mit auf die Beine und steige mit ihm über die Scherben und den Weißwein hinweg.
"Und wer wischt das hier jetzt alles wieder auf?!" keift Frau Schäffer.
"Ja doch!" rufe ich genervt über die Schulter."So jetzt zeig mal her." setze ich mich neben Dag auf mein Sofa, lege meine Erste-hilfetasche neben mir auf das Sofa und nehme Dags Hand auf meinen Schoß.
"Au!" keift Dag, als ich sein Handgelenk leicht bewege
"Das hast dir richtig mit Pfiff geprellt." meine ich und nehme meine Voltarencrem aus der Tasche.
"Diese blöde Nuss." faucht Dag, als ich ihm das Handgelenk eincreme. "Morgen und übermorgen, dann ist gut." meine ich und nehme einen Verband raus.
Schweigend wickle ich ihm den Verband um das Handgelenk und klebe ihn dann mit Pflasterband fest.
„Fertig. Morgen kannst du den runter machen." meine ich, neige mich etwas weiter Dag zu und sehe mir seine Schläfe an.
„Du bist da aber nicht in einer Glasscherbe gelandet oder?" will ich wissen, mache ein Wattepet mit Desinfektionsmittel nass, streiche Dag das Haar zurück und tupfe vorsichtig den Kratzer über Dags Augenbraue ab.
„Ne hier." hebt Dag seine andere Hand, an dem er mehrere Festivalarmbänder mit Metallverschlüssen trägt. An einem der Verschlüsse ist etwas Blut.
Ich nicke und lasse das Watteped sinken.
„Schick." meine ich und lächle leicht.
„Total." erwidert Dag und reibt sich müde die Augen.
„Ich mach heute Abend Garnelennudeln. Willst du mitessen? Ich hab auch Weißwein." lächle ich mit einem Mundwinkel und sehe Dag an. Der sieht überrascht zu mir auf, ehe er mich mit einem Lachen ansieht.
DU LIEST GERADE
So schön kaputt & Millionen Liebeslieder (Dag SDP FF)
FanfictionNach über zehn Jahren komme ich aus München zurück nach Spandau. Dass ich dabei ausgerechnet IHM in die Arme laufe, konnte keiner wissen. Dass ich ihm damals so weh getan habe, wollte ich wirklich nicht aber eigentlich hätte ich es mir denken könne...