Schaurig heulte der Wind durch die Felsspalten und fegte immer wieder Wolken von kleinen Eiskristallen in den Eingang ihrer Höhle. Doch sie blieben nicht lange genug dort liegen um sich zu einer Wehe aufzuhäufen. Gerade noch rechtzeitig hatten sie das dunkle Loch im Fels bemerkt, bevor der Sturm mit unbarmherziger Härte zugeschlagen hatte. Basti war es, der die Höhle gefunden hatte. Mit der Wärme seiner Hände hatte er einen großen Schneehaufen geschmolzen, hinter dem Eneas einen Pfad durch den Berg vermutet hatte. Es war aber nur diese Höhle, in der sie nun jedoch vor dem Unwetter Schutz gefunden hatten. Sie war nicht sehr groß und geräumig, aber es zeugten viele Spuren davon, dass sie schon vor Ihnen anderen Reisenden als Unterschlupf gedient hatte. Im hinteren Teil der Felsbehausung, die etwa 12 mal 12 Schritte maß, hatten die ehemaligen Bewohner eine primitive Lagerstatt errichtet. Auf dieser schlief nun Ishilea, völlig erschöpft und eingerollt in das Schattenläuferfell.
Eneas hatte mit Basti's Hilfe ein kleines Feuer entzündet und briet ein Schneehuhn darüber. Feuerholz gab es in großen Mengen in dem schützenden Fels. Ein untrüglicher Beweis dafür, dass diese Behausung oft genutzt wurde. Die Decke der Höhle war schwarz von Rauch und Ruß und es gab nur einen Ausgang. Gegenüber der Lagerstatt sickerte mit leisem Geräusch Wasser aus dem Stein und verschwand durch ein Loch im Boden. Die früheren Bewohner hatten eine Vorrichtung gebaut, um bei Bedarf das Wasser auffangen zu können. Es war eine Art hölzerner Schale, die an zwei Zapfen befestigt war, die man in den Fels getrieben hatte. Wollte man nun Wasser auffangen, so brauchte man nur diese Schale nach unten gegen den Fels zu klappen und schon sammelte es sich in der Mulde. Eine primitive, jedoch lebensnotwendige Vorrichtung.
Sie waren mehrere Tage unterwegs gewesen. Basti wollte möglichst viel Abstand zu den menschlichen Siedlungen bekommen und hatte den Wunsch geäußert, ins schwarze Gebirge zu ziehen, auf der Suche nach einer dauerhaften Bleibe. So waren sie losgegangen.
Ihre Reise verlief größtenteils ohne Zwischenfälle. Ishilea hielt sich tapfer an der Seite des Jägers, doch bald schon bemerkte er, dass sie den Strapazen der Wildnis als auch dem rauen, unwirtlichen Klima kaum gewachsen schien und seine Sorge wuchs. Immer öfters nahm er das Kind auf seinen Rücken, wodurch sich ihr Vorankommen merklich verlangsamte. Die Vegetation derUmgebung war spürbar zurück gegangen und die anfangs dichten Wälder und Haine wichen immer mehr dem typischen, spärlichen Bewuchs der Gebirgsregion.
Am dritten Tag ihrer Wanderschaft hatten sie den Wald hinter sich gelassen. Vor ihnen lagen ausgedehnte Geröllfelder mit kümmerlichen Sträuchern, zwischen denen sich kaum noch ein größeres Tier blicken ließ. Wilde Bergziegen, Ziesel, Riesenhamster und Wollratten waren nun ihre Jagdbeute. Eneas hatte es besonders auf diese Nagetiere abgesehen, denn das Fell der Wollratten war zu dieser Jahreszeit sehr dicht und die Kleidung, die sie sich daraus fertigen konnten, schützte ideal vor den rauen Winden, die hier fast ununterbrochen wehten. Schnell hatte Ishilea begriffen, wie man diese grauen Nager häutete und ihre Haut gerbte. Schon bald hatte sie sich ein Hemd daraus fertigen können, denn es gab zwischen den Felsen so viele von diesen possierlichen Tierchen, dass es Eneas kaum Mühe machte, ausreichend Felle heran zu schaffen. Nur das Fleisch dieser Nager war absolut ungenießbar, bitter und zäh. Basti hatte selbst versucht, zu jagen, doch er war erfolglos geblieben. Das kleine Bergschaf, welches er auf seine Art mit einem Flammenstrahl erlegt hatte, war zu sehr verbrannt, als dass man es noch hätte genießen können.
Im ersten Moment hatte Ishilea noch gelacht, doch als sie die Enttäuschung in Basti's Augen sah nur noch betreten geschwiegen. Irgendwann gab sie ihm dann ein Stück rohes Fleisch in die Hand und beide Kinder fanden mit Staunen heraus, dass es dem Knaben möglich war, Fleisch zwischen seinen Händen zu garen oder wieder aufzuwärmen. Das hatte den Jungen über seinen missglückten Jagdversuch hinweg getröstet und war auch für Eneas und Ishilea fortan hilfreich.
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Tara's Träne
FantasyDie Träne der Göttin Tara ist ein magisches Artefakt und unschätzbar wertvoll für jene, welche die Macht des Steines kennen und zu nutzen wissen. Der Jäger Eneas vom Schattenbach wird durch einen tragischen Unglücksfall zum Hüter dieses Kleinodes. Z...