4 - Stottern.

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100 000€?!

Ungläubig starrte ich den Scheck an, den ich mit zittrigen Händen festzuhalten versuchte. Das konnte doch nicht sein.

Und doch war es wahr.

Ich hatte es noch immer nicht ganz realisiert. So viel Geld, mehr als ich jemals zu hoffen gewagt hatte. Die Freude übermannte mich und ich konnte nicht anders als laut aufzulachen und einen kleinen, äußersten peinlichen Freudentanz mitten im Konferenzzimmer aufzuführen. Stellt euch einfach eine Giraffe vor, die versucht Ballett zu tanzen.

Dann erst wurde mir bewusst, was ich alles mit dem Geld anstellen konnte. Die Kinder würden endlich das neue Spielzeug bekommen, dass sie sich so lange gewünscht hatten, und das neue Waisenhaus würde fertiggestellt werden können.

Ich hatte mein Bestes gegeben und es hatte sich ausgezahlt.

Als ich fertig mit dem Tanzen war, machte ich mich auf den Weg nach draußen. Dabei sah ich natürlich äußerst anmutig und entspannt aus. Wie denn auch sonst? Völlig verschwitzt und zerstrubbelt? Nein, ich doch nicht.

Ein breites Lächeln zierte meine Lippen, als ich aus dem Gebäude trat. Der Himmel war zwar immer noch grau, allerdings hatte es aufgehört zu regnen. Ich liebte den Geruch, nach einem Regenguss. Die Welt schien wie frisch gewaschen.

Das Stück Papier, dass meine Zukunft und die vieler Kinder verändern sollte, umklammerte ich immer noch euphorisch. Ich setzte mich auf eine Bank, die zwar noch etwas nass war, aber das war mir vollkommen egal. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und genoss den Moment. Erste Sonnenstrahlen bezwangen die schier undurchdringbare Wolkendecke. Ich begrüßte sie mit einem Grinsen, dann schloss ich die Augen.

So verweilte ich. Für wie lange, weiß ich nicht genau.

Plötzlich nahm ich eine Präsens wahr. Direkt neben mir. Mich störte es nicht, wahrscheinlich war es meine Arbeitskollegin und Freundin Anna. Sie war einer der wenigen Menschen, die sich dazu herabgelassen haben mit mir befreundet zu sein. Sie, mein kleiner Familienkreis und die Kinder waren das Wichtigste in meinem Leben. Ich würde ihnen endlich das Leben bieten können, dass sie verdienten.

Mit einem leisen Seufzer lies ich meinen Kopf auf die Schulter meines Sitznachbarn fallen. Tränen bildeten sich in meinen Augenwinkeln. "Ich habe es geschafft." Ein Arm legte sich um meine Schultern. Ich schluchzte auf. Erste Tränen liefen meine Wangen hinunter. Der Stress der letzten Monate löste sich von meinen Schultern und ich fühlte mich leicht, so leicht.

Eine Hand strich über meinen Arm. Ich seufzte in die Umarmung und genoss jede Sekunde. Anna war die beste Freundin, die es gab. Ich hatte sie nicht verdient. Ich hatte das alles nicht verdient. Die letzten Monate zogen an mir vorbei. Wir hatten solange an diesem Projekt gefeilt und oft mehrere Nächte durchgearbeitet. Heimliche Tränen wurden an schwachen Abenden vergossen.

"Weißt du, manchmal wollte ich einfach aufgeben. "

Eine Hand fuhr beruhigend über meine Haare.

"Es war einfach schwer, so verdammt schwer", meine Stimme war nichts als ein Flüstern. Gefühle übermannten mich. Die Tränen waren nicht mehr aufzuhalten. Ich krallte mich an der Jacke meiner Freundin fest und lies ihnen freien Lauf.

"Ich weiß."

Seine raue Stimme verursachte mir Gänsehaut.

Ich öffnete meine Augen und hob den Kopf. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und ich konnte seinen heißen Atem auf meiner Stirn spüren. Er sah nachdenklich auf mich herab. Sein Mund waren leicht geöffnet, der Blick in seinen dunklen Augen war undefinierbar.

Ich brauchte ein bisschen um wirklich zu verstehen in welcher Situation ich mich gerade befand. Meine Gedanken ließen sich nicht ordnen. Ich war völlig erstarrt.

Zitternd löste ich meine Hand, mit der ich mich vorher noch an seinen Anzug festgekrallt hatte.

Als ich zum Reden ansetzte, dann aber doch wieder den Mund schloss musste er schmunzeln. Langsam stand er auf und richtete sich sein Jackett.

Die dunklen Flecken die meine Tränen hinterlassen hatten, waren kaum zu übersehen.

"Ich k-kann das für Sie waschen!", stotterte ich und streckte meine Hände aus um ihm die Jacke abzunehmen.

Er hielt mich davon ab, indem er meine Hände in seine nahm.

"Ihr Vortrag war wirklich gut." Seine raue Stimme verursachte mir Gänsehaut.

Sein Lächeln ließ mich grinsen. Peinlich berührt richtete ich den Blick zum Boden.

Sein Daumen Strich kurz über meinen Handrücken. Eine Bewegung so flüchtig, dass sie auch Einbildung gewesen sein könnte.

Schließlich ließ er meine Hände los. Er sah mich noch ein letztes Mal mit seinen dunklen Augen an, bevor er Richtung Gebäude ging.

Und so saß ich da. Zerzaust, mit roten Wangen, und rührte mich nicht, bis seine schlanke Shillouette mit dem dunklen Eingansbereich verschmolz.





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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 14, 2019 ⏰

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