Das Erste, was seine Ohren wieder wahrnahmen, war das leise Flüstern zweier Stimmen. Doch er verstand die Worte nicht. Sein Geist tauchte gerade erst aus den Tiefen einer Ohnmacht auf. Eilige, trippelnde Schritte kleiner, nackter Füße entfernten sich und bald darauf spürte Eneas, dass jemand an sein Lager trat und sich über ihn beugte. Etwas Kühlendes legte sich auf seine Stirn und ein längst vergessener Geruch kitzelte seine Nase. Doch noch andere Düfte mischten sich dazu. Rauch und der Geruch von heißem Eisen bildeten eine Mischung, die Erinnerungen in dem Jäger wach riefen. Fieberhaft überlegte er, während er die Augen geschlossen hielt. Und plötzlich hatte er eine Eingebung. Er sah im Geiste ein Mädchen, gerade erst zur Frau gereift und ein paar mandelförmige, grüne Augen blickten ihn vorwurfsvoll an.
"Jenny", dachte er und plötzlich schämte er sich derart, dass er es nicht wagte, die Augen zu öffnen. Doch er fühlte die Wärme auf seinen Wangen und wusste, dass er errötete. Auch die Person schien diesen Umstand zu bemerken, denn sie räusperte sich verhalten. „Na,ist unser Held erwacht" tönte die sanfte Stimme derselben jungen Frau, die der Jäger einst in einem kleinen Dorf, in einer rauchigen Schmiede zurückgelassen hatte. Einem unwiderstehlichen Drang folgend schlug Eneas die Augen auf und blickte in das liebliche Antlitz von Jenn Y Ferr. Sie lächelte ihn an und der Jäger ertrank in ihrem Blick. Sie hatte sich kaum verändert. Der Jäger bemerkte die Sorgenfalten sofort, die sich tief in ihre Mundwinkel eingegraben hatten. „Jenny", murmelte er, „wo bin ich"?
„In meinem Haus", antwortete die junge Frau. „Es ist ein Wunder, dass Du noch lebst, so mager, wie du bist"! Das feuchte Tuch auf seiner Stirn verschwand, um kurz darauf mit erfrischender Kühle wiederzukehren. Ihre Stimme zitterte leicht, als sie weitersprach. „Ich habe zu Tara und Randa gebetet, sie mögen Dich wieder zu mir bringen! Und ich hatte die Hoffnung längst aufgegeben, Dich noch einmal wiederzusehen. Nun bist Du zurückgekehrt! Jedoch hatte ich mir das Wiedersehen nicht so vorgestellt". Sie schluckte, bevor sie weitersprach.
„Ich weiß nicht, was passiert ist, doch die Kinder kamen schreiend ins Dorf gelaufen und dann fanden wir Dich bewusstlos liegend. Kannst Du mir sagen, was vorgefallen ist? Der Junge war patschnass und auch Du hast vor Nässe getrieft. Aber ich werde aus den Kindern nicht schlau. Was hast Du mit Tami's Katze zu tun"?
Eneas musste erst überlegen, doch dann fiel ihm die Begegnung am Fluss wieder ein und langsam erzählte er der jungen Frau von dem Vorfall. Dabei gewahrte er, wie sich ihre Augen erst vor Schreck weiteten, dann jedoch einen eigenartigen Ausdruck annahmen, den er nicht zu deuten wusste. Kaum hatte er geendet, drehte sich Jenny abrupt weg und barg ihr Gesicht in den Händen. Am Beben ihrer Schultern erkannte er, dass sie weinte. Doch er verstand den Grund nicht. „Sag, warum weinst du? Es ist doch nichts weiter passiert! Der Junge lebt noch. Auch der Katze scheint es gut zu gehen".
Laut schluchzte die Frau auf. Sie nahm die Hände vom Gesicht und sah ihn eine Zeit lang stumm an.
Dann sprach sie mit belegter Stimme und suchte offenbar nach Worten. „Ich... Du... es ist nur..."!
DerJäger richtete sich leicht auf und griff nach ihren Schultern. Willenlos ließ sie es geschehen, dass er sie sanft an sich zog, während sie ihren Kopf an seiner Brust barg. Er spürte, dass sie sehr aufgeregt war und so strich er ihr tröstend übers Haar. „Es ist doch alles gut, hoffe ich! Der Junge ist nicht ertrunken und auch dem Mädchen ist Nichts passiert! Sogar die Katze ist noch am Leben, obwohl ich sie eigentlich als Mahl für mich gedacht hatte". Ruckartig fuhr Jenny auf.
„Spare Dir Deine Späße, Eneas! Du hast ja überhaupt keine Ahnung"! Vorwurf lag in ihrem Blick und der Jäger verstummte. „Warum, Eneas? Sage es mir! Warum bist du zurück gekommen"? Tränen standen in ihren Augen.
„Ich habe auf Dich gewartet. Drei lange Winter habe ich gehofft, Du würdest Dich an mich erinnern. Sag es mir. Habe ich Dir so wenig bedeutet, dass Du mich vergessen hast? Ich habe gebetet und gelitten. Und ich habe gehofft. Es war eine grausame Zeit als die Kinder kamen. Doch Niemand war bei mir um mich auch nur einmal in den Arm zu nehmen. Irgendwann gab ich auf. Und jetzt bist Du wieder da und ich spüre, dass da immer noch Etwas ist, was uns verbindet. Mir wäre wohler, Du wärst nie wieder in mein Leben getreten, denn ich weiß, dass Du mich wieder verlassen wirst". Jenny richtete sich auf. Doch schnell legte der Jäger die Hände um ihre Taille und zog sie zu sich heran. Er spürte, dass sie ihm kaum Widerstand entgegen brachte. Doch ihre Augen flehten ihn an. „Bitte Eneas, geh! Hau ab, bevor Du mir erneut das Herz brichst". Weinend brach sie zusammen und warf sich dem Mann an den Hals. „Ich liebe Dich noch immer", schluchzte sie.
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Tara's Träne
FantasyDie Träne der Göttin Tara ist ein magisches Artefakt und unschätzbar wertvoll für jene, welche die Macht des Steines kennen und zu nutzen wissen. Der Jäger Eneas vom Schattenbach wird durch einen tragischen Unglücksfall zum Hüter dieses Kleinodes. Z...